Tina Hausmann: «Wie zehn Schritte auf einmal»

Werner J. Haller | 11.01.2024

F1-Academy Die 17-jährige Zürcherin Tina Hausmann startet durch. Sie fährt nach ihren Kartjahren und nur einer Saison in der ­italienischen Formel 4 neu in der F1-Academy. In dieser wird 
sie unterstützt vom Formel-1-Team von Aston Martin.

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Da fällt das Lachen leicht: Die Zürcherin Tina Hausmann im grünen Overall des Formel-1-Teams von Aston Martin.

Weihnachten war für Tina Hausmann schon am letzten November-Wochenende. Die 17-jährige Zürcherin war in Abu Dhabi nicht nur Gast beim Finale der vergangenen Formel-1-Saison, sie war auch auf Stippvisite beim Team von Aston Martin. Jedes der zehn Formel-1-Teams unterstützt dieses Jahr eine Fahrerin der F1-Academy. Die Rennserie mit einheitlichen Formel-4-Boliden ausschliesslich für Mädchen und Frauen löste im letzten Jahr die W-Series ab und umfasst 2024 sieben Läufe zu je drei Rennen, die an Grand-Prix-Wochenenden gefahren werden. Tina Hausmanns Rennwagen wird denselben Anstrich haben wie der Formel-1-Wagen von Doppelweltmeister Fernando Alonso im Team von Aston Martin.

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Tina Hausmann startete ihre Motorsportkarriere bereits in jungen Jahren im Kart.

«Ich musste ein kurzes Time-out nehmen, als ich in Abu Dhabi das Fahrerlager und später die Box von Aston Martin betreten hatte. Diese ersten Eindrücke waren derart imposant!», erinnert sich Hausmann und schmunzelt. «Es war mein erstes Wochenende bei der Formel 1, und ich durfte zum Beispiel auch gleich den Teamfunk mithören. Eigentlich bin ich jemand, der sehr in der Gegenwart lebt, einen Schritt nach dem anderen macht. Aber dieser Besuch fühlte sich an, als würde ich zehn Schritte auf einmal gehen.»

Bekannte Wegbereiter

Für Aston Martin in der F1-Academy fahren zu dürfen, sei eine riesige Chance und werde ihren Horizont als junge Rennfahrerin enorm erweitern. «Vor dem Grand Prix durfte ich auch schon das Werk des Teams bei Silverstone besuchen. Ich lernte neue Menschen kennen und deren Arbeit.» Kontakte sind das A und O in einer jungen Karriere, das weiss auch Tina Hausmann nur zu genau.

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Nach den ersten Gehversuchen im Kartsport startete Hausmann ab 2013 in Meisterschaften in der Schweiz und in Deutschland.

Motorsport ist aufwendig. Die Reiserei frisst Unmengen an Zeit, von den Unsummen Geld wollen wir erst gar nicht sprechen. Da hilft es ungemein, wenn man zur richtigen Zeit am richtigen Ort die richtige Person trifft. Tina Hausmann ist das auch schon passiert. Schon als Siebenjährige sei sie fasziniert gewesen von Autos, weshalb genau, das wissen selbst ihre Eltern nicht. «Fahr noch schneller!», habe sie als Kind ihren Papa stets aufgefordert. «Ich war im siebten Himmel, als wir einmal ein Autoschauhaus besuchten. Und als ich dort noch einen Kart sah, war es endgültig um mich geschehen», schwärmt die Zürcherin noch heute. Sie habe zwar nicht gewusst, was das für ein Fahrzeug sei, «aber eine Rennfahrerin hat sich zu mir gesellt und mir alles erklärt». Diese Rennfahrerin war Cyndie Allemann, 1999 im Kart Europa- und Schweizer Meisterin ihrer Altersklasse.

Mit dem Ziehvater von Verstappen

Nach den ersten Gehversuchen im Kartsport startete Hausmann ab 2013 in Meisterschaften in der Schweiz und in Deutschland, unter anderem war sie 2018 Dritte der Rotax-Mini. Betreut wurde sie damals unter anderem von Jürg Zürcher, 1990 Gründer des Kartteams Beo. Driver-Coach war der ehemalige Kart- und Formel-4-Pilot Moritz Müller-Crepon. Über diese Kontakte sei es zur Begegnung mit Michel Vacirca gekommen. Der Niederländer war in den 1980er- und 1990er-Jahren ein Kart-Spitzenpilot und später, als Teambesitzer von CRG Holland, auch Ziehvater des Formel-1-Weltmeisters Max Verstappen. «Michel Vacirca betreute mich und bereitete mir den Weg in die italienische Formel 4», verrät Tina Hausmann.

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Im vergangenen Jahr fuhr Tina Hausmann ihre erste Saison in der italienischen Formel-4-Meisterschaft.

Und plötzlich ging alles sehr schnell. Im November 2022 erst sass sie erstmals für eine Testfahrt in einem Formel 4, betreut von AKM-Teamgründer Marco Antonelli, dem Vater von Italiens F4-Champion 2022, Andrea Kimi Antonelli. In der ersten Februar-Hälfte 2023 fuhr sie im spanischen Jerez die ersten Rennen zur Formel-4-Winterserie, im zweiten Rennen belegte sie den dritten Platz. In der italienischen Formel-4-Meisterschaft, der inoffiziellen F4-WM, blieb sie als Neuling mit Blick auf das Gesamtklassement zwar punktelos, ihr bestes Resultat war Platz 16 bei einem Rennen mit 37 Piloten in Le Castellet (F). Aber sie gewann die Frauenwertungen der Meisterschaft und der Euro-4-Trophy. Aufsehen erregte Tina Hausmann Anfang Mai beim zweiten Lauf in Misano (I), als ihr Bolide im Getümmel abhob und sich dreimal überschlug. Kopfzerbrechen bereitet ihr aber was anderes. «Das passierte, weil ein Gegner mich touchiert hatte», stellt sie klar. «Es wäre also schade, klischeehafte Sprüche zu hören wie: Frau am Steuer gleich Ungeheuer oder so.»

Die F1-Academy ist nicht genug

«Die erste Saison in der Formel 4 war wie ein Sprung ins kalte Wasser», sagt Hausmann. «Am Anfang war es wirklich taff, viel Neues prasselte auf mich ein. Aber wenn ich etwas über mich behaupten kann, dann, dass ich mich sehr gut fokussieren kann», sagt die Gymnasiastin. «Sicher hilft es beim Lernen, wenn man es mit Leidenschaft tut.» Die F1-Academy ist dieses Jahr ihre sportliche Schulbank, die drückt sie aber nicht ohne Ambitionen: «Rennen zu gewinnen wäre toll!» Und sie traut sich sogar noch mehr zu: «Die F1-Academy ist sicherlich meine Priorität. Aber ich sehe mich noch nach zusätzlichen Möglichkeiten um, weil ich noch viel mehr Rennkilometer sammeln möchte.» Andere würden vermutlich meinen, das seien zehn Schritte auf einmal. 

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Will Rennfahrerin werden: Tina Hausmann fährt dieses Jahr in der F1-Academy.

Fotos: Aston Martin, F4 Italy, Archiv Tina Hausmann

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