Valentino Rossi – 2024 Start in Le Mans

Jean-Claude Schertenleib | 16.11.2023

Langstrecken-WM Jüngst hat der Motorradsuperstar einen 
weiteren Schritt auf vier Rädern unternommen. Zwei Schweizer haben 
den weltbekannten Italiener begleitet und auch beraten.

Vor etwa zehn Tagen deutete Valentino Rossi, der italienische Megastar, der die Motorrad-Weltmeisterschaft in den vergangenen Jahrzehnten weltweit populär gemacht hatte wie niemand zuvor, mehr als nur an, dass er zum nächsten Schritt bereit sei. Auf vier Rädern. Nach ersten Erfolgen im GT-Rennsport macht sich Valentino Rossi daran, nächstes Jahr bei den 24 Stunden von Le Mans (F) dabei zu sein. Er wird noch nicht in einem Hypercar Platz nehmen, aber sein Name wird mit grosser Wahrscheinlichkeit auf der Liste stehen, wenn die Veranstalter in ein paar Tagen erste Rennfahrer und Teams für den Langstreckenklassiker 2024 veröffentlichen werden.

Alte Bekannte: Valentino Rossi trifft in Bahrain Nico Müller, mit dem er 2022 im selben GT-Team fuhr.

In Bahrain, einen Tag nach dem Finale der Langstrecken-WM 2023, nahm der 44-jährige Rossi am Rookie-Tests in einem LMP2 teil. Es war jener Prototyp, in dem der Genfer Louis Delétraz am Vortag zu Sieg und Titel gefahren war. «Ein Test mit dem BMW M Hybrid V8 ist in naher Zukunft geplant. Daher war es gut, einen LMP2 zu fahren, weil die aerodynamischen Belastungen für einen Piloten sehr ähnlich sind», erklärte Rossi. Seine schnellste Runde wurde mit 1:55.118 Minuten gestoppt – Routinier Charles Weerts war im gleichen Auto keine Sekunde schneller (1:54.302). «Das Verblüffendste an ihm ist seine Demut vor einer neuen Herausforderung», verrät Delétraz, der viel mit dem Star gesprochen hat.

«Sein Niveau ist extrem hoch»

Der Berner Nico Müller, der letztes Jahr in der GT-Challenge im Audi-Rennstall von WRT Rossis Teamkollege war und mit dem Italiener unter anderem die 24 Stunden von Spa-Francorchamps (B) fuhr, kann auch über das Phänomen berichten: «Valentino hat ein enormes Verständnis für die Technik und das Fahren. Er weiss genau, was er tun muss, um das Fahrverhalten seines Autos zu verbessern. Es ist erstaunlich, ihn über die Reifen und deren Verhalten sprechen zu hören. Sein Niveau ist extrem hoch, und er hat sich sehr schnell an seine neue Motorsportwelt angepasst.»

In der GT-Challenge: Valentino Rossi ist offizieller BMW-Fahrer und teilt sich das Cockpit seines BMW M4 GT3 mit dem Belgier Maxime Martin.

Valentino Rossi glänzte schon in jungen Jahren auf vier Rädern, er gewann zahlreiche Kartrennen, bevor er auf das Motorrad umstieg. Wenn er sich an etwas Neues heranwagt, tut er es mit vollem Einsatz. «Ich bewundere den Hunger, den er immer noch hat», sagt Müller. «Er ist sehr ehrgeizig, obwohl er niemandem mehr etwas beweisen muss. Vale ist der grösste Töffrennfahrer der Geschichte. Trotzdem will er nun auch noch auf vier Rädern beweisen, wie gut er ist. Davor ziehe ich meinen Hut!»

«Das Talent hat er, keine Diskussion»

Nach zahlreichen Spassauftritten bei der Rallye-Show in Monza ab 1997, ernsthafteren Engagements in der Rallye-WM und mehreren Tests in der Formel 1 (s. Box) nimmt das Phänomen nun einen Mythos in Angriff: die 24 Stunden von Le Mans. Wie weit kann er es bringen? «Ich glaube, sehr weit», sagt Müller. «Aber es gibt noch viel zu lernen. Zum Beispiel: Wie verhält man sich im Langstreckensport im Verkehr? Diese Erfahrung fehlt ihm noch, er braucht noch etwas Zeit, aber ich bezweifle nicht, dass er dereinst an der Spitze mitmischen wird. Allein schon wegen seiner Motivation, grandios! Und das Talent hat er, da gibt es absolut keine Diskussion.»

In der GT-Challenge: Valentino Rossi ist offizieller BMW-Fahrer und teilt sich das Cockpit seines BMW M4 GT3 mit dem Belgier Maxime Martin.

Man könnte noch das Charisma und die Aura Rossis hinzufügen, alles Eigenschaften, die im Motorsport von Vorteil sind. Das sieht auch Nico Müller so: «Allein durch seine Persönlichkeit ist der Einfluss gross. Aber auch wenn es um technische Fragen geht oder Arbeiten am Auto, ist sein Einfluss nicht zu unterschätzen, eben weil er ein Gefühl für das Auto, aber vor allem auch für die Reifen hat. Sein Feedback war wichtig, schon vom ersten Tag an, als ich letztes Jahr mit ihm im Team war. Sein Einfluss in einem Team ist gross – und das zu Recht.» Delétraz ist auch beeindruckt: «Rossi ist ein Grandseigneur!»

Fotos: WEC, BMW, Archiv Nico Müller

Rossi und sein Rendezvous mit Ferrari

Valentino Rossi testete mehrmals einen Ferrari-Formel-1-­Wagen. Das erste Mal geschah dies 2004 auf der Strecke in Fiorano (I). Rossi, der in jenem Jahr nach mehreren Triumphen mit Honda in der Moto-GP seinen ersten Titel mit Yamaha gewinnen sollte, fuhr mit einem Helm von Ferrari-Legende Michael Schumacher: «Ein aufregender Tag. Ein Formel-1-Auto zu fahren, war eine grossartige Erfahrung. Es war toll, einen Tag lang in Schumachers Fussstapfen zu treten.» Zwei Jahre später fuhr Rossi in Valencia (E) bei den ersten Tests der Saison vor Publikum. Er fuhr ein Auto mit alten Spezifikationen, während Schumacher und Felipe Massa ihre neuen Boliden ausprobierten. Rossi lag sieben Zehntelsekunden hinter Schumacher, der darauf meinte: «Ich habe ihm keine Ratschläge gegeben, die braucht er auch nicht. Wenn man das Rennfahren im Blut hat, weiss man, was man tun muss.»

In Italien war bald die Hölle los. Man sprach sogar davon, dass Rossi 2009 beim GP von Italien in Monza den damals verletzten Massa ersetzen sollte. Dazu kam es aber nie, auch wenn ernsthafte Gespräche stattgefunden haben. «Valentino wäre ein hervorragender Formel-1-Fahrer gewesen, aber er hat sich für einen anderen Weg entschieden», sagte Stefano Domenicali, der damalige Chef der Scuderia. Sein Traum – zwei italienische Symbole, Ferrari und Rossi, zusammenzubringen – wurde nicht Wirklichkeit. JCS

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