Young Drivers Projekt – Feuchte Hände, glänzende Augen

Christian Eichenberger | 07.12.2023

Nachwuchs Das Young Drivers Projekt des nationalen Verbands Auto Sport Schweiz erlebte mit dem Formel-4-­Sichtungstag in Bresse seinen Höhepunkt. Die AUTOMOBIL REVUE war beim Test mit Jenzer Motorsport vor Ort.

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Die Young Drivers beim morgendlichen Briefing: Kai Perner, Kilian Boss, Sergio Koch, Samuel Schär, Joan Bischof, Phillip Loacker, Timéo Ruppen und Florian Estève (v. l.).

Einsteigen, Gang einlegen, losfahren. So einfach ist Autofahren. Oder etwa doch nicht? Acht junge Kartfahrer haben sich beim Formel-4-Sichtungstag im Rahmen des Young Drivers Projekts des Verbands Auto Sport Schweiz (ASS) auf der Rennstrecke in Bresse (F) dieser Aufgabe gestellt. Das liess den Puls der meisten Teilnehmer steigen – bei manchen schon bei der Sitzprobe. Feuchte Hände hätten die Nachwuchsfahrer allerdings ohnehin bekommen. Dauerregen machte aus dem Formel-4-Test eine zusätzliche Bewährungsprobe. Teamchef Andreas Jenzer, der mit drei Autos und einem Dutzend Mechaniker und Ingenieure nach Frankreich reiste, meinte mit der Erfahrung von 30 Jahren Formelrennsport: «Die Slicks hätten wir zu Hause lassen können.»

Gar nicht so einfach

Auch ohne Regen kam es für die jungen Rennfahrer zu einem Bad im kalten Wasser, denn viel Theo-rie gab es im Vorfeld dieses Formel-4-Schnupperkurses nicht. «Die brauchte es auch nicht», sagt Jenzer. «Das sind alles gute Kartfahrer. Die kapieren schnell, wo’s langgeht.» Immerhin: Jedem Fahrer wurde ein Manual zugeschickt, darin wurden die Knöpfe und Anzeigen am Lenkrad und im Cockpit des Formel-4-Autos sowie das korrekte Verhalten in der Boxengasse erklärt. Am Morgen vor dem ersten Run gab es vonseiten des Streckenbesitzers noch eine kurze Einführung, bei welcher vor allem die verschiedenen Flaggen und Ampeln thematisiert wurden. Danach hiess es: Helm auf, angurten und los! Wobei das Anfahren, verständlicherweise, nicht bei allen auf Anhieb klappte. «Das ist normal», winkte einer der Jenzer-Mechaniker ab. «Die Kupplung hat sehr wenig Spiel. Aber bisher hat es noch jeder geschafft.»

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Etwas ungewohnt: Sergio Koch um­geben von Andreas Jenzer (l.) und seinem Team.

Sechs Punkte nahmen die Jenzer-Ingenieure im Lauf des Tages genau unter die Lupe: Vorbereitung, Linienwahl, Bremsen, Anpassungsfähigkeit, Aufmerksamkeit beim Videostudium und die Fähigkeit, sich durchs Coaching zu verbessern. Für jeden Punkt gab es eine Benotung von eins bis fünf oder von schlecht bis ausgezeichnet. Um es vorwegzunehmen: Einsen gab es keine. Die einzige Fünf verdiente sich Samuel Schär. Er setzte laut den Renningenieuren die Vorgaben der Coaches perfekt um.

Luft nach oben hatten alle. Das ist beim ersten Mal auch nicht erstaunlich. «Grundsätzlich muss ich allen Fahrern ein gutes Zeugnis ausstellen», sagt Andreas Jenzer. «Wir hatten den einen oder anderen Dreher, aber es ging nichts kaputt. Die Jungs befolgten die Anweisungen meiner Leute sehr gut.»

Vertrauen gewinnen

Je länger der Test dauerte, desto grösser wurde das Vertrauen der routinierten Kartpiloten in ihre Formelboliden. «Die ersten Starts waren kompliziert, aber dann lebte ich mich schnell ein. Ich hatte ein wenig Angst vor der Leistung des Autos, aber schliesslich fühlte ich mich trotz der nassen Strecke sehr wohl», sagt Florian Estève, einer der acht jungen Fahrer. Auch Kilian Boss hatte anfangs ein paar Umstellungsprobleme. «Dafür war der Fortschritt umso grösser», meinte der Kartpilot am Ende des Tages. «Das Vertrauen wurde immer grösser, und damit wurde ich auch immer schneller.»

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Das Cockpit des Formel-4-Tatuus verfügt über zahlreiche Knöpfe und Anzeigen.

Wie in den Jahren 2013 bis 2015 richtet sich das Young Drivers Projekt an Kartfahrer und -fahrerinnen im Alter von 14 bis 16 Jahren. Diese kamen neben dem Highlight, dem Formel-4-Test, im Lauf des Jahres in den Genuss diverser Workshops. Dazu gehörten ein Medientag, an dem sie beispielsweise das Sprechen vor der Kamera übten, ein Vortrag über Sponsoring und Marketing sowie ein Anlass in der Sportschule Magglingen BE, bei dem die Themen Militär und Karriere im Fokus standen. Zu den praktischen Workshops zählten ein Simracing-Event, bei dem die Nachwuchstalente in die virtuelle Welt des Motorsports eintauchten und an zwei verschiedenen Standorten, Horgen ZH und Lyss BE, gegeneinander antraten, sowie eine Fitnessbeurteilung durch Ex-Rennfahrer Adrian Zaugg.

Eine Frage der Zeit

Auch der Zweitjüngste im Programm, Timéo Ruppen, hatte am Ende des Tages ein breites Grinsen im Gesicht. «Ich habe in meiner ersten Session gleich zweimal für eine rote Flagge gesorgt», sagt Ruppen. «Das hat mich nachdenklich gemacht. Aber ich habe dann auch mit Hilfe des Teams neue Sicherheit gewonnen. Im Formel-4-Auto ist vieles anders als im Kart. Das Bremsen, die Beschleunigung, die Geschwindigkeit, die G-Kräfte – um sich daran zu gewöhnen, braucht man Zeit. Aber ich nehme einen grossen Rucksack mit vielen neuen Erfahrungen mit.»

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Kilian Boss in voller Fahrt: Die Nachwuchs­fahrer spulen an einem Tag rund 150 Kilometer ab.

Die Zusammenarbeit mit einem Team dieser Grösse war für alle neu. Im Kartsport ist es üblich, dass pro Fahrer ein Mechaniker am Kart schraubt. Dass plötzlich drei, vier Leute um einen herumstehen, sei irgendwie seltsam gewesen, meint Sergio Koch. Und Kai Perner, der im Tatuus-Formel-4 jeweils anfuhr, als habe er nie etwas anderes getan, ergänzt: «Die Zusammenarbeit mit dem Team Jenzer war sehr gut. Die Jungs waren sehr hilfreich, nett und lustig.»

Ein Preisgeld von 30 000 Franken winkt

Der Sieger des diesjährigen Young Drivers Projekts wird am 15. Dezember im Rahmen des Dîner des Champions im Hotel Bellevue in Bern verkündet. Dem Gewinner winkt ein an ein Motorsport-Programm gebundenes Preisgeld von 30 000 Franken. Fast noch wichtiger als das Geld soll die Erfahrung sein, die die jungen Nachwuchsfahrer bei den Workshops, aber vor allem beim Formel-4-Test, gesammelt haben. Stellvertretend für die Mehrheit der Teilnehmer meinte Kilian Boss im Anschluss an den Testtag in Bresse mit immer noch leuchtenden Augen: «Dieses Event hat meine Erwartungen übertroffen!» 

Fotos: Christian Eichenberger

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