Plug-in-Hybride Mit grossen Batterien und Elektro-Reichweiten von über 100 Kilometern bringen PHEV neuen Schwung in ein schwächelndes Segment.
Was wurden sie angefeindet, die Plug-in-Hybride. Nur unnützes Gewicht fahre man da durch die Gegend, vor allem Aussendienstler würden eh nie Strom laden, Schönfärberei der Verbrauchswerte sei das alles. Und es wäre eigentlich zu erwarten gewesen, dass die PHEV nach dem Auslaufen der Subventionen in Deutschland noch stärker unter Druck kämen, manch ein Experte sagte gar ihr frühzeitiges Ableben voraus. Damit war aber erstens ohnehin nicht zu rechnen – und es sieht zweitens danach aus, als passiere derzeit genau das Gegenteil.
Man muss klar sehen, dass in China, dem mit Abstand wichtigsten Automarkt der Welt, PHEV weiterhin eine sehr wichtige Rolle spielen. Zwar werden mehr reine Stromer verkauft, doch die Plug-in-Hybride und Fahrzeuge mit Range-Extender spielen mit einem Marktanteil von rund 60 Prozent bei den NEV (New Energy Vehicle) weiterhin eine sehr wichtige Rolle – für 2024 werden über acht Millionen Einheiten vorausgesagt. Diesen interessanten Markt kann sich niemand entgehen lassen, deshalb bleibt die Entwicklung neuer Modelle auch nicht stehen. Wichtig dabei: Damit diese PHEV die strengen chinesischen Vorgaben erfüllen, reichen müde 30, 40 Kilometer mit Strom längst nicht mehr aus.
Im neuen 5er von BMW soll eine rein elektrische Reichweite von über 100 Kilometern möglich sein. Das ist eine Ansage - BMW
In den USA und Europa war der PHEV-Anteil immer deutlich tiefer als im Reich der Mitte, doch allein schon, dass Toyota seinen neuen Prius auch wieder als PHEV auf den Markt bringt und diese Version zudem massiv in den Markt drückt, zeigt auf, dass die Hersteller das Segment auch im Westen nicht aufgegeben haben. Der Prius kommt mit einer 13.6-kWh-Batterie und soll bis zu 86 Kilometer rein elektrisch fahren können. Das ist schon einmal eine gute Ansage – aber immer noch verhältnismässig wenig im Vergleich zu den auch in Europa angeboten Wey 03 und 05, die allein mit Strom auf über 140 Kilometer kommen wollen (s. auch Seite 8).
Auch deutsche Premiumprodukte
Doch überraschender ist wohl, dass gerade die deutschen Premiumhersteller bei den Plug-in-Hybriden noch einmal deutlich aufgerüstet haben. Beim erst kürzlich aufgefrischten Porsche Panamera werden einem einzigen reinen Benziner gleich vier komplett überarbeitete PHEV gegenüberstehen. Zum Marktstart ist der Turbo E-Hybrid zu haben, dessen im Getriebegehäuse versteckter E-Motor jetzt gut 90 Kilometer weit ohne Aktivierung des Vierliter-V8-Verbrenners stromern kann. Die um 70 Prozent höhere saubere Reichweite ist der grösseren Batterie von 25.9 kWh geschuldet, die an einer Elf-Kilowatt-Wallbox andocken kann und so in gut zweieinhalb Stunden wieder voll unter Strom steht. Der Fortschritt sei durch nüchterne Zahlen belegt: Bisher musste der aktuelle V6-Verbrenner nach etwa 53 Kilometern wieder zugeschaltet werden, für mehr reichte der Batteriespeicher mit seiner Kapazität von 17.9 kWh nicht.
Wenn Toyota den Prius als PHEV bringt, dann ist das auch
ein Statement. Die Japaner glauben an den Plug-in-Hybrid - Daimler
Auch Mercedes hat seinen sehr speziellen Diesel-Plug-in-Hybrid für die neue E-Klasse weiterentwickelt. Der zwei Liter grosse Common-Rail-Diesel mit 145 kW (197 PS) und 440 Nm wird von einem Elektromotor in der Getriebeglocke unterstützt, der weitere 95 kW (129 PS) beisteuert. Zusammen sind das 230 kW (313 PS) und ein maximales Drehmoment von mehr als üppigen 700 Nm. Da der Mercedes E 300 de von seiner 25.4-kWh-Batterie immerhin 19.4 kWh nutzen kann, liegt die elektrische Reichweite bei bis zu 100 Kilometern.
Für das kleinere Portemonnaie
Da kann BMW selbstverständlich nicht hintanstehen: Der 530e ist mit einem Vierzylinder-Benzinmotor ausgestattet, der in Kombination mit der E-Drive-Technologie 220 kW (299 PS) leistet und eine elektrische WLTP-Reichweite zwischen 93 und 103 Kilometern ermöglicht. Unter der Haube des 550e xDrive sitzt hingegen ein Reihensechszylinder-Benziner, der zusammen mit dem Elektroteil des Antriebsstrang für eine Systemleistung von bis zu 360 kW (489 PS) sorgt. Die elektrische Reichweite ist hier allerdings etwas geringer, BMW gibt die WLTP-Werte mit 83 bis 90 Kilometer an.
Eine technische Besonderheit bietet Mercedes mit seinem Diesel-Plug-in-Hybrid, der wirklich sparsam sein dürfte - Daimler
Doch auch für kleinere Portemonnaies gibt es deutlich mehr elektrische Reichweite als auch schon, auch im Volkswagen-Konzern geht es vorwärts. Den Anfang wird der neue Tiguan machen, den es in zwei elektrifizierten 1.5-TSI-Versionen mit 150 kW (204 PS) und 200 kW (272 PS) geben wird. In beiden Fällen verspricht die 19.7-kWh-Batterie eine elektrische Reichweite von bis zu 100 Kilometern. Man darf davon ausgehen, dass dieser Antrieb auch in anderen MQB-Produkten seinen Platz finden wird.
Mehr Vor- als Nachteile
Geht es weniger um die Umwelt, sondern mehr um Power, dann gibt es selbstverständlich auch die richtigen Angebote: Der Ferrari SF90 XX Stradale verfügt über einen Vierliter-V8 mit Doppelturbo und drei Elektromotoren, die es auf insgesamt 758 kW (1030 PS) bringen. Die Reichweite im Elektromodus beträgt 25 Kilometer. Beim Lamborghini Revuelto kommen ein 6.5-Liter-V12 und drei Elektromotoren zusammen auf 607 kW (825 PS). Der Akku ist allerdings winzig, nur mit Strom kommt der Stier wohl keine zehn Kilometer weit.
Wer ganz luxuriös in einem Plug-in-Hybrid fahren will,
dem sei der Mercedes-Maybach S 580 e empfohlen - Daimler
Was bei allen Plug-in-Hybriden bleibt: Die völlig unsinnigen
Verbrauchsangaben gemäss WLTP. Auch leichter werden die Verbrenner mit
den zusätzlichen Akkus nicht. Doch weil sie nun viel mehr Reichweite
bieten, hat sich ihr Alltagsnutzen deutlich erhöht – wer vernünftig
plant, allenfalls den passenden Arbeitsweg hat und daheim an der Wallbox
aufladen kann, wird mit diesen neuen Modellen wohl nur noch selten eine
Tankstelle ansteuern müssen.