Getestet wird die Lackierung seit Ende 2023 in einer zwölfmonatigen Machbarkeitsstudie am Flughafen Tokio-Haneda, wie der Hersteller mitteilt. Der Lack wurde auf einem Nissan NV100 aufgetragen, der als Servicefahrzeug des Flughafendienstes im Einsatz ist. Der neue Lack wurde in Zusammenarbeit mit Radi-Cool entwickelt, einem Spezialisten für Strahlungskühlung. Der Lack besteht aus synthetischen Verbundwerkstoffen mit Strukturen, die in der Natur normalerweise nicht vorkommen.
Das in den Lack eingebettete Nanomaterial besteht aus zwei Mikrostrukturteilchen, die auf Licht reagieren. Eines der Teilchen reflektiert die Infrarotstrahlen des Sonnenlichts, die bei herkömmlichen Lacken zu Schwingungen auf molekularer Ebene führen und so Wärme erzeugen. Das andere Teilchen bringt den eigentlichen technologischen Durchbruch. Es erzeugt elektromagnetische Wellen, die der Sonneneinstrahlung entgegenwirken und die Wärmeenergie vom Fahrzeug weg in die Umgebung ableiten. Durch diese Kombination reduzieren die Partikel im Lack die Hitzeübertragung auf Oberflächen wie Fahrzeugdach, Motorhaube, Türen und Verkleidungen.
Mit seinem grossen, offenen Rollfeld biete der Flughafen Haneda die ideale Umgebung, um die Leistungsfähigkeit des Lacks in einer anspruchsvollen Umgebung mit hohen Temperaturen unter realen Bedingungen zu testen, so Nissan. Die bisherigen Ergebnisse seien beeindruckend: Im Vergleich zu einem Fahrzeug mit herkömmlicher Lackierung zeigte das Fahrzeug mit dem neuen Lack beim Parken in direkter Sonneneinstrahlung eine um bis zu zwölf Grad Celsius niedrigere Aussen- und eine um bis zu fünf Grad Celsius niedrigere Innentemperatur.
Die kühlende Wirkung des Lacks macht sich besonders bemerkbar, wenn ein Fahrzeug längere Zeit in der Sonne steht. Durch den kühleren Innenraum arbeitet die Klimaanlage effizienter, was wiederum die Belastung auf den Motor – bei Elektroautos auf die Batterie – verringert.
Geleitet wird das Projekt von Dr. Susumu Miura, Senior Manager im Advanced Materials and Processing Laboratory des Nissan Research Center. „Mein Traum ist es, Fahrzeuge kühler zu machen, ohne Energie zu verbrauchen“, so Miura.
Die Technologie der Kühlstrahlungsfarbe ist nicht neu, wird in der Regel jedoch eher bei Gebäuden und Strukturen angewandt. Die Farbschicht ist hier oft sehr dick und muss mit einer Farbrolle aufgetragen werden. Da sie keinen klaren Decklack enthält, können bei Berührung kreideähnliche Rückstände zurückbleiben.
Die grösste Herausforderung für Miura und sein Team bestand daher darin, einen Lack zu entwickeln, der eine klare Deckschicht enthält, mit einer Lackierpistole aufgetragen werden kann und noch dazu die Nissan-Standards für Lackqualität erfüllt.
Seit Beginn der Entwicklung im Jahr 2021 haben Miura und sein Team mehr als 100 Materialproben getestet und prüfen derzeit eine Schichtdicke von 120 Mikrometern, was ungefähr sechsmal dicker ist als ein herkömmlicher Autolack. Die Tests zeigen, dass der Lack salz- und bruchbeständig ist, sich nicht ablöst, nicht verkratzt und nicht chemisch reagiert, und dass die Farbe konsistent und reparierbar ist. Im weiteren Verlauf der Entwicklung erforschen Miura und sein Team dünnere Varianten, die die gleiche Kühlleistung bieten.
Grosses Potenzial sieht der Experte für die neue Lacktechnologie vor allem im Bereich der leichten Nutzfahrzeuge wie Lieferwagen, Lkw und Krankenwagen, die einen Grossteil des Tages im Einsatz sind.