Die Technik hinter PPE

Olivier Derard | 25.04.2024

Chassis Der Porsche
Macan ist das erste Auto der ­Marke, das auf der neuen Premium Platform ­Electric aufbaut.

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Die PPE nutzt modernste Technologien, da Batterie, Motoren und Fahrwerk völlig neu entwickelt wurden.

Die Premium Platform Electric (PPE) entstand aus der Zusammenarbeit von Porsche und Audi. Sie bildet das technische Rückgrat für volumenstarke Modelle mit hohem technischen Anspruch und ist leicht skalierbar. So können innerhalb einer Modellfamilie Flach- und Hochbodenfahrzeuge auf der PPE aufbauen – sowohl Limousine oder Kombi als auch das SUV-Pendant. Um die PPE zu entwickeln, haben sich die beiden deutschen Volks­wagen-Marken am deutschen Standort Hemmingen, der zwischen Zuffenhausen und Weissach in Baden-Württemberg liegt, zusammengeschlossen. «Zunächst haben wir festgelegt, welche Arbeit die Ingenieure von Audi leisten sollten, welche Aufgaben die Mitarbeiter von Porsche erledigen würden und wie viel Arbeit die beiden Hersteller gemeinsam leisten müssten», erinnert sich Jörg Kerner, der für die Macan-Baureihe verantwortlich war. Da die Hersteller aus Ingolstadt (Audi) und Zuffenhausen (Porsche) unterschiedliche Vorstellungen von Autos haben, waren sie natürlich gezwungen, Zugeständnisse zu machen. «Wir haben darum gekämpft, die Lösung zu finden, die uns am besten gefällt, aber natürlich mussten wir manchmal Kompromisse eingehen, was nicht immer schlecht ist», sagt Kerner. Insgesamt waren rund 20 Manager und mehrere Hundert Ingenieure an der Entwicklung dieser neuen Plattform für Elektrofahrzeuge beteiligt.

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Die PPE wurde gemeinsam von Audi und ­Porsche im baden-württembergischen ­Hemmingen entwickelt.

Obwohl Audi und Porsche die einzigen Hersteller waren, die am Entwicklungsprozess beteiligt waren, können auch die anderen Marken des Volkswagen-Konzerns die neue Plattform nutzen. Die PPE wird mehrere Radstände haben und verschiedene Motor-, Fahrwerk- und Batteriekonfigurationen aufnehmen können. Bisher nutzen nur der neue Audi Q6 e-tron und die zweite Generation des Porsche Macan (s. Seite 10) die PPE. In diesem Beitrag liegt der Fokus auf der Technik des neuen SUV aus Zuffenhausen.

Unterschiede im Motorenaufbau

Sowohl der Macan 4 als auch der Macan Turbo greifen auf die neuste Generation permanentmagnetischer Synchronmotoren (PSM) zurück. Trotzdem «unterscheiden sich die verschiedenen Motoren, die sie verwenden, nicht nur in Bezug auf die Software, sondern auch in Bezug auf die Mechanik», erklärt Kerner. Während der Motor für die Vorderachse bei beiden Varianten identisch ist, sind die zwischen den Hinterrädern eingebauten Motoren modellspezifisch. So baut der Heckmotor des Macan 4 kompakter, er hat einen Durchmesser von 210 Millimetern und eine aktive Länge von 200 Millimetern, während der Motor des Macan Turbo mit einem Durchmesser von 230 Millimetern und einer aktiven Länge von 210 Millimetern grösser ist.

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Hinten werden je nach Modell unterschiedliche elektrische Motoren eingesetzt. Im Macan Turbo leistet dieser bis zu 470 kW (639 PS).

Die Einheiten unterscheiden sich nicht nur in der Grösse, sondern auch in der Technik. Während die Hairpin-Wicklung, welche die elektrischen Ströme im Stator der Heckmaschine des Macan 4 führt, in Form eines U angeordnet ist, ist sie beim Heckmotor der Turbo-Variante in Form eines I angeordnet. In beiden Fällen wird durch die neue Form der Wicklung ein höherer Füllfaktor im Vergleich zu konventionellen Wicklungen erreicht, was für eine höhere Leistungsdichte sorgt. Die Motorkonfiguration mit Permanentmagnet-Motoren vorne wie hinten unterscheidet den Macan übrigens vom Audi Q6 e-tron, bei dem an der Vorderachse stromerregte Motoren zum Einsatz kommen. Die haben den Vorteil, dass sie keine Schleppverluste aufbauen, wenn sie nur mitlaufen. Dagegen bieten PSM den Vorteil kompakterer Masse und höherer Dynamik, sind aber vor allem wegen der Magnete teurer.

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Die aktive Aufhängung ermöglicht es, die Härte der Federung zu verändern und auch die Karosseriehöhe zu variieren.

Zur Performance der verschiedenen Motoren: Der Frontmotor, der bei beiden Macan-Versionen identisch ist, leistet allein bis zu 175 kW (238 PS). Die Heckmaschine leistet 280 kW (380 PS) beim Macan 4 und 470 kW (639 PS) beim Macan Turbo. Die kombinierte Leistung des Macan 4 liegt bei 285 kW (387 PS) und die des Macan Turbo bei 430 kW (584 PS), im Boost-Modus sind es bis zu 40 kW mehr. Jeder Motor verfügt über ein Getriebe mit nur einem Gang. Das Übersetzungsverhältnis beträgt 9.2:1 für die Frontmotoren, 9.8:1 für den Heckmotor des Macan 4 und 9.1:1 für den Macan Turbo, der über eine integrierte Differenzialsperre an der Hinterachse verfügt.

Rekuperation mit bis zu 240 kW

Mit bis zu 240 Kilowatt Leistung kann der Macan beim Bremsen rekuperieren, abhängig vom Druck auf das Bremspedal, von der Temperatur und vom Ladezustand der Batterie. Dies entspricht einer Verzögerung von etwa 4.3 m/s², also etwa 40 Prozent der maximalen Bremsleistung. Bei vorausschauender Fahrweise können somit laut Porsche bis zu 98 Prozent der Bremsenergie zurückgewonnen werden. Wenn die gewünschte Verzögerung grösser ist als die Energie, die durch die Rekuperation aufgenommen werden kann, betätigt die hydraulische Bremse die Bremssättel. Bei beiden Modellen sind die Bremsen hinten aus Grauguss mit 350×30 Millimeter grossen Scheiben und schwimmend gelagerten Bremssätteln. Vorne ist der neue Macan 4 mit 350×34 Millimetern grossen Vierkolben-Festsattelbremsen aus Aluminium ausgestattet, während im Macan Turbo 400×38 Millimeter grosse Sechskolben-Festsattelbremsen aus Aluminium im Einsatz sind. Die Vorderradaufhängung ist aus Aluminium und verfügt über einen doppelten Dreiecksquerlenker, während die Hinterradaufhängung aus fünf Querlenkern besteht. Das Gewicht liegt zu 48 Prozent auf der Vorder- und zu 52 Prozent auf der Hinterachse. Die Karosserie des Macan bietet Platz für eine lenkbare Hinterachse und eine hintere Differenzialsperre.

Der Macan profitiert von einer aktiven Aerodynamik, nicht nur vorne, wo er mit beweglichen Klappen an den Lufteinlässen ausgestattet ist, sondern auch hinten, wo der Spoiler unterhalb der Heckscheibe je nach Geschwindigkeit und gewähltem Fahrprofil in zwei Stufen verstellbar ist. In seiner aerodynamischsten Position hat der Macan ­einen cW-Wert von 0.25.

800-Volt-Technik

Bei der PPE-Plattform ist die Lithium-Ionen-Batterie in ein Modul integriert, das direkt mit dem Fahrgestell verschraubt ist und so zur Steifigkeit des Fahrzeugs beiträgt. Eine Platte aus Glasfaserverbundstoff am Unterboden schützt die Batterie vor mechanischen Schäden. Die Batterie besteht aus zwölf Modulen, die jeweils aus 15 prismatischen Zellen bestehen, die in Reihe geschaltet sind. Diese Konfiguration ermöglicht den Austausch einzelner Komponenten. Die Anode besteht chemisch zu 100 Prozent aus Graphit, die Kathode aus einer Mischung von Nickel, Mangan und Kobalt im Verhältnis 8:1:1. Porsche verspricht eine hohe mechanische Stabilität und eine gute Zyklenstabilität. Die Akkus arbeiten mit einer Spannung von 800 Volt, wodurch der Macan eine Gleichstrom-Ladeleistung von bis zu 270 kW erreicht. An 400-Volt-Ladestationen teilt ein Hochspannungsschalter die 800-Volt-Batterie in zwei Batteriebänke auf, die parallel mit jeweils 400 Volt geladen werden, wodurch eine sehr gute Ladegeschwindigkeit erhalten bleibt. Porsche gibt an, dass die Temperatur der Batterie und die Wetterbedingungen relativ wenig Einfluss auf die Ladezeit hätten. Die Bruttokapazität der Batterie beträgt 100 kWh, nutzbar sind 95 kWh. Der Verbrauch des Macan liegt laut WLTP bei rund 18 kWh/100 km. Dies ist unter anderem dem Umrichter der hinteren Elektromotoren zu verdanken, der Siliziumkarbid (SiC) verwendet, ein hocheffizientes Halbleitermaterial, das die Verluste erheblich reduziert. Die PPE kommt in verschiedenen Werken des Konzerns zum Einsatz. Der Audi Q6 e-tron zum Beispiel wird in Neckarsulm (D) gebaut, der Porsche Macan rollt im Werk Leipzig (D) vom Band – neben dem Panamera. 

Ein Boot mit der Technik von Porsche

Das ist das Sahnehäubchen auf dem Kuchen. Die PPE wird auch in einem Boot zum Einsatz kommen: «Normalerweise dauert es etwa zehn Jahre, bis eine Automobiltechnologie in See stechen kann. In diesem Fall haben wir es dank der Zusammenarbeit mit Porsche geschafft, unser Boot gleichzeitig mit dem Auto auf den Markt zu bringen», sagt Stefan Frauscher, Geschäftsführer der gleichnamigen österreichischen Werft. Der Frauscher × Porsche 850 Fantom Air verwendet tatsächlich Komponenten der PPE. Die Technologie umfasst die Hochvolt-Lithium-Ionen-Batterie, die neuste Generation der permanentmagnetischen Synchronmotoren und die dazugehörige Leistungselektronik. «Natürlich verfügt das Boot nicht über eine grosse Reichweite, es ist mehr für den Einsatz auf Seen gedacht», erklärt Frauscher. Von dem 8.67 Meter langen Boot sollen 25 Stück gebaut werden. Wie hoch ist der Preis? Etwa 550 000 Franken. OD

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