Ressourcen Mit neuen Vorgaben will die EU das Recycling kritischer Materialien stärken, die wirtschaftliche Unabhängigkeit sichern und das Klima schützen.
Ab 2035 sollen in Europa aufgrund des Klimaschutzes nur noch Elektroautos verkauft werden. Kaum eine grössere Region der Welt hat einen strengeren Zeitplan für die Einführung der Elektromobilität. Damit werden neue Abhängigkeiten geschaffen, mit neuen Rohstoffen, die benötigt werden. Und deren Bedarf in den kommenden Jahren weltweit noch stark zunehmen dürfte. Es sind Rohstoffe, die zu grossen Teilen nicht aus Europa stammen – zumindest aktuell nicht. Diese Lieferketten gilt es zu sichern und Abhängigkeiten wo immer möglich zu reduzieren. Vor allem von China ist man stark abhängig, das den Markt bei gewissen Rohstoffen zu 100 Prozent unter Kontrolle hat. Mit zwei neuen Regulierungen, die auch die Automobilindustrie betreffen, will die EU wirtschaftliche Sicherheit schaffen: mit dem Critical Raw Materials Act und mit der neuen End-of-Life Vehicles Policy.
Recycling und Exportverbot
Im Critical Raw Materials Act (CRM) hält die EU fest, wie mit Materialien umgegangen werden soll, von denen nicht klar ist, wie sich Preis und Verfügbarkeit in den kommenden Jahren entwickeln werden. Darin sind mehr als 30 kritische Rohstoffe oder Rohstoffgruppen aufgeführt, von denen 16 als «strategisch wichtig» erachtet werden. Darunter sind auch diverse Materialien, die für die Produktion von Elektroautos unerlässlich sind, beispielsweise Lithium, Mangan, Grafit und Nickel, die in Batterien verwendet werden, oder Seltene Erden, die oftmals in Elektromotoren verbaut sind. Aber auch Kupfer gehört dazu, das für Kabel verwendet wird. Bis zu mehr als 80 Kilogramm Kupfer sind heute in einem Elektroauto verbaut, drei- bis viermal so viel wie in einem Verbrenner.
Mit dem CRM sollen im selben Zug der Ressourcenverbrauch aus ökologischen Gründen reduziert und die wirtschaftliche Unabhängigkeit von einzelnen Staaten gefördert werden. Auch wenn es der CRM nicht explizit benennt, so ist klar, dass es dabei vor allem um China geht. So dürfen maximal 65 Prozent eines «kritischen Rohstoffes» aus einem einzelnen Nicht-EU-Land stammen. Bei vielen Materialien ist heute genau das der Fall – entweder weil die Vorräte in Europa noch nicht erschlossen sind oder weil der Abbau zu kostspielig ist. Oder weil sie in Europa schlicht nicht vorhanden sind. So wird Recycling unerlässlich, um dem CRM gerecht zu werden.
Zusätzlich kommt an dieser Stelle auch die End-of-Life Vehicles Policy ins Spiel, die die EU-Kommission im Juli 2023 vorgeschlagen hat. Diese geht noch weit über den Critical Raw Materials Act hinaus. Sie schreibt unter anderem vor, dass 25 Prozent des in einem Neuwagen verbauten Plastiks aus Recycling stammen müssen. 25 Prozent davon wiederum müssen von End-of-Life-Vehicles stammen, also von Autos, die in Europa nicht mehr strassentauglich sind. Auch Stahl, Aluminium sowie alle als kritisch eingestuften Rohstoffe gehören zu den Materialien, die rezykliert werden sollen.
Dazu soll auch ein Exportverbot für nicht mehr verkehrstaugliche Autos in Kraft treten, und die Hersteller sollen «finanziell dafür verantwortlich gemacht werden», dass die Autos am Ende ihrer Lebensdauer wiederverwertet werden. Noch gibt es keine Details zur Ausgestaltung dieser Vorgaben oder wie verhindert werden soll, dass diese «finanzielle Verantwortung» bei den Herstellern verbleibt und nicht auf die Käufer abgewälzt wird. Bei geschätzten rund sechs Millionen Autos, die in Europa jedes Jahr ausser Verkehr gesetzt werden, sollen durch Recycling künftig 5.4 Millionen Tonnen an Rohstoffen verfügbar gemacht werden für die Produktion neuer Fahrzeuge.
Autohersteller gegen Verschärfung
Bereits heute existieren in Europa Vorgaben dafür, was mit End-of-Life-Vehicles geschehen muss. Überdies muss für die Typenprüfung eines neuen Modells die sogenannte 3-R-Regelung erfüllt sein. Sie bietet Richtlinien für «reusability, recoverabilit and recyclability», also Wiederverwendbarkeit, Wiederverwertbarkeit und Rezyklierbarkeit. Mit der neuen Vorgabe sollen diese beiden Direktiven verschärft und zusammengeführt werden.
Die europäischen Automobilhersteller wehren sich gegen die neuen Vorgaben. Man habe bei Autos bereits heute eine Recyclingrate von 85 Prozent erreicht, heisst es von der Vereinigung der Europäischen Automobilhersteller (Acea). Die neuen Regelungen seien unnötig, kompliziert und zu wenig durchdacht. Man sei besorgt, dass die EU-Kommission die Ungleichgewichte bei Angebot und Nachfrage nach rezyklierten Materialien und die bestehenden technologischen Lücken nicht ausreichend untersucht habe, schreibt Direktorin Sigrid de Vries. In anderen Worten: Es könnten ganz einfach nicht genügend rezyklierte Materialien zur Verfügung stehen, um den gesetzlich geforderten Bedarf bei Neuwagen zu decken.