Ein Blick auf das Licht von heute und morgen

Olivier Derard | 09.11.2023

Scheinwerfertechnik Das IQ-Light HD 
von VW ­verbessert die Lichtqualität erheblich 
und eröffnet neue Möglich­keiten für die Zukunft.

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Vor dem Touareg leuchtet das hervor­gehobene Lane Light, das dem Fahrer bei der Orientierung hilft. Damit andere Verkehrs­teilnehmer nicht geblendet werden, wird der Bereich um sie herum dunkel ­gelassen.

Zu den Highlights des neuen VW Touareg gehört seine Lichttechnik: Das grösste Wolfsburger SUV hat nicht nur eines der ersten hintergrundbeleuchteten Logos auf dem Markt (AR 19/2023), sondern auch eine neue Matrix-Scheinwerfertechnologie. Diese nennt sich IQ-Light HD und bietet nicht nur eine zusätzliche Lichtausbeute im Vergleich zu älteren Scheinwerfersystemen, sondern kann bestimmte Bereiche gezielt stärker beleuchten, um den Fahrer zu unterstützen. Aber was bringt diese Technologie wirklich und vor allem, wie funktioniert sie?

Gezieltes Licht mit Leuchtdioden

Um die Funktionsweise des IQ-Light HD vollständig zu verstehen, zuerst ein kleiner Exkurs in die Funktionsweise des normalen IQ-Light, das bei VW 2018 im Touareg der dritten Generation eingeführt wurde. Bei diesen Leuchten werden natürlich keine Halogen- oder Xenon-Lampen wie früher verwendet, sondern LED. Eine solche Light Emitting Diode oder zu deutsch lichtemittierende Diode ist ein Halbleitermaterial, das Licht aussenden kann, wenn es von einem elektrischen Strom durchflossen wird.

Natürlich ist im IQ-Light des Touareg nicht nur eine einzige LED im Einsatz, sondern ein ganzes Paket. Exakt 128 sind es, und zwar in jedem der beiden Scheinwerfer. Diese sind auf einer gemeinsamen Leiterplatte angeordnet.

Fast die Hälfte, nämlich 53 LED, sind für wenig komplexe Funktionen zuständig wie die Ambientebeleuchtung an der Fahrzeugfront oder die Ausleuchtung der Fahrbahnbegrenzung. Diese LED werden auch für das Tagfahrlicht, das Positionslicht und den Blinker verwendet. Sie sind nicht wirklich kompliziert zu steuern, da sie nach bestimmten festgelegten Parametern ein- und ausgeschaltet werden.

Die restlichen 75 LED sind jedoch viel anspruchsvoller in ihrer Technologie, da sie interaktiv gesteuert werden und für das Abblend- sowie das Fernlicht zuständig sind. Zusammen beleuchten die 75 LED die Umgebung, die man sich wie einen riesigen Bildschirm vorstellen kann, der aus so vielen Pixeln besteht, wie es LED gibt (also 75). Zusammen bilden die LED die adaptive Lichtmatrix des Touareg, wobei jede LED unabhängig von der anderen ein- und ausgeschaltet werden kann.

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im Touareg werden IQ-Light (o.) und IQ-Light HD (u.) der dritten Generation eingesetzt.

Die IQ-Light-Technologie nutzt für die Steuerung der Lichtpunkte diverse Sensoren: die Bilder der Kamera am Rückspiegel, die GPS-Daten, die Geschwindigkeit des Fahrzeugs oder den Lenkwinkel. Damit kann das Licht für bestimmte Abschnitte der Strasse unabhängig voneinander ein- und ausgeschaltet werden. Der Lichtstrom wird so an die Umgebungsbedingungen angepasst. Auf Autobahnen zum Beispiel ist die Lichtemission stärker. In städtischen Gebieten hingegen beleuchten die Lichter intensiver den Seitenstreifen der Fahrbahn, damit der Fahrer Gefahren wie Fussgänger oder Tiere früher erkennen kann.

Einer der grossen Vorteile der IQ-Light-Technologie ist es, dass man so immer mit der grösstmöglichen Lichtausbeute fahren kann, also mit Fernlicht. Damit andere Verkehrsteilnehmer nicht geblendet werden, erzeugt das System schwarze, unbeleuchtete Bereiche rund um entgegenkommende oder vorausfahrende Fahrzeuge. Der Raum, in dem sich die anderen Verkehrsteilnehmer befinden, bleibt dunkel, indem die entsprechenden LED einfach ausgeschaltet werden. Der Rest der Strasse hingegen wird mit vollem Licht beleuchtet. Wer zum ersten mal ein Auto mit dieser Lichttechnik fährt, verfolgt gespannt, wie das kleine, dunkle Quadrat mit dem vorausfahrenden Auto oder einem Velofahrer mitwandert.

Das ist jedoch noch nicht alles: Die LED-Matrix-Scheinwerfer schalten sich nicht nur unabhängig voneinander ein und aus, sondern können die Lichtintensität auch an die Umgebung, die Topografie und die Verkehrssituation anpassen. So ist das System in der Lage, reflektierende Verkehrsschilder zu erkennen und die Intensität der entsprechenden LED zu verringern, damit der Fahrer und die Passagiere nicht von der Reflexion des Schildes geblendet werden. Dasselbe gilt für Reflexionen, die durch regennasse Strassen verursacht werden; die Windschutzscheibenkamera erkennt sie und reduziert die Intensität der LED.

Der Mehrwert von IQ-Light HD

Auf diesem seit fünf Jahren eingesetzten System baut nun IQ-Light HD auf. Wie in der Video- oder Fernsehtechnik steht HD für High Definition, also hohe Auflösung. Technisch gesehen verfügt jeder der beiden Scheinwerfer über drei Module. Das aussen angeordnete Bimatrix-Modul verfügt über 16 LED-Pixel, die unter anderem der Ambientebeleuchtung gewidmet sind. Ein Beispiel dafür ist der horizontale LED-Streifen, der im Kühlergrill angebracht ist und sich unterhalb der Scheinwerfer erstreckt. Es bietet ein lustiges Gimmick für den Fahrer, der drei verschiedene animierte Lichteffekte für das Ver- und Entriegeln des Fahrzeugs einstellen kann. Als zweites Modul ist auf der Innenseite des Scheinwerfers die Technik für statisches und dynamisches Kurvenlicht, Abbiege- und Schlechtwetterlicht angeordnet.

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Die Intensität des Lichts, mit dem die Strassenschilder angestrahlt werden, wird verringert, der Velofahrer am Strassenrand erkannt und kurz extra angeleuchtet. Um das vorausfahrende Fahrzeug nicht zu blenden, erzeugt das Lichtsystem ein schwarzes Fenster um das Auto.

Fotos: Volkswagen, Mercedes

Das eigentliche HD-Matrixmodul befindet sich in der Mitte und besteht aus 19 216 Mikro-LED in jedem der beiden Scheinwerfer. Damit wurde die Auflösung um den Faktor 150 verbessert. Jedes einzelne LED ist individuell steuerbar und ermöglicht es, die bekannten Lichtfunktionen noch exakter an die Gegebenheiten anzupassen.

Ausserdem kann IQ-Light HD einen intensiven Lichtteppich auf die Fahrspur direkt vor das Auto projizieren. Diese Funktion wird als Lane Light bezeichnet, also Fahrspur-Licht. Ein Rechteck, das sich direkt vor dem Auto befindet und links und rechts von den Fahrspuren begrenzt wird, wird hervorgehoben. Für den Fahrer ist diese Funktion sehr praktisch, da sie ihm hilft, Unebenheiten auf der Fahrbahn besser zu erkennen. Die Technologie animiert zudem dazu, sich auf den Lichtteppich auszurichten, führt den Fahrer speziell in komplexeren Verkehrssituationen wie etwa in engen Baustellen und verhindert so ein Abweichen vom Kurs.

Die IQ-Light-HD-Technologie kann mit dem Night-Vision-Assistenzsystem zusammenarbeiten, wenn dieses in der Optionsliste (1770 Fr.) angekreuzt ist. Sie erkennt Personen und Tiere mit Hilfe einer Wärmebildkamera und zeigt sie in den digitalen Instrumenten (Digital Cockpit) und im Head-up-Display an (optional, 1270 Fr.). Das Nachtsichtsystem umfasst auch ein Markierungslicht, das Personen im potenziellen Gefahrenbereich kurzzeitig mit einem besonders hellen Licht anstrahlt, um sie für den Fahrer noch besser sichtbar zu machen. Durch die Kombination der Matrix-Scheinwerfer IQ-Light HD und des Nachtsichtsystems können Gefahrensituationen schneller erkannt und entschärft werden. Beim Touareg ist IQ-Light HD in allen Ausstattungsvarianten mit Ausnahme des Einstiegsmodells (Basic) serienmässig erhältlich. Volkswagen ist allerdings nicht der einzige und auch nicht der erste Hersteller, der die oben beschriebene Technologie anbietet – diese Ehre gebührt Mercedes.

Perspektiven für die LED-Technik

Für Mathias Thamm, Manager Lighting Technology and Innovation bei Volkswagen, gibt es noch eine Vielzahl weiterer Einsatzmöglichkeiten der LED-Technik: «Wir sind in der Lage, Symbole auf die Strasse zu projizieren und den Fahrer in nächtlichen Fahrsituationen zu unterstützen. Auf engen Strassen können wir zum Beispiel die Breite des Autos direkt auf der Strasse anzeigen.» Erste Testfahrten mit der Technik zeigen, dass sie das Fahren bei Nacht eindeutig komfortabler macht.

Da die Technik nun in der Lage ist, alle Arten von Symbolen auf die Strasse zu projizieren, ist es vorstellbar, dass Fahrzeuge der Zukunft mit anderen Verkehrsteilnehmern über Licht kommunizieren. So lässt sich beispielsweise ein Fussgängerstreifen auf den Boden einblenden, wenn das Auto einen Fussgänger, der die Strasse überqueren möchte, am Strassenrand erkannt hat. Derzeit werden solche Lösungen noch nicht angeboten, da der Gesetzgeber dies nicht zulässt – der rechtliche Rahmen existiert noch nicht. Dass es den geben muss, kann man sich leicht vorstellen: Wenn jedes Fahrzeug seine eigenen Informationen auf die Strasse einblendet, könnte rasch Chaos entstehen.

Gemeinsame ­Entwicklungen

Scheinwerfertechnologien wie IQ-Light und IQ-Light HD werden nicht von VW selbst entwickelt, sondern sind das Ergebnis von Partnerschaften des Automobilherstellers mit seinen Zulieferern. Das betrifft bei Scheinwerfern neben der Entwicklung auch die Produktion, da Volkswagen keine eigene Scheinwerferfertigung betreibt. Im Falle des Touareg wurden sowohl IQ-Light und IQ-Light HD von Hella, einem langjährigen Partner von VW, mitentwickelt und montiert. Obwohl VW also bei Scheinwerfern stark auf das Know-how und die Kapazitäten seiner Zulieferer zurückgreift, betreibt das Unternehmen in Wolfsburg ein Kompetenzzentrum für die Entwicklung von Scheinwerfern. Es trägt die Bezeichnung Center of Lighting Excellence und besteht aus einem 100 Meter langen, fünf Meter hohen und 15 Meter breiten Tunnel, der es Mathias Thamm und seinem Team ermöglicht, alle neuen Technologien zu testen. OD

Limitiert durch Gesetz und Design

Bei der Entwicklung neuer Lichttechnologien gibt es viele Einschränkungen zu beachten: Zunächst einmal müssen sich die Scheinwerfer in einen gesetzlichen Rahmen einfügen. Je nachdem, wo das Auto auf den Markt kommt, gelten unterschiedliche Gesetze – in den USA, in China und in Europa. Der europäische Rechtsrahmen ist dabei der komplexeste. Und es ist umso wichtiger, ihn genau einzuhalten, da die künftigen Euro-NCAP-Tests auch Lichttests beinhalten, die in das Gesamtergebnis des Fahrzeugs einfliessen und damit in die für viele Käufer entscheidende Sicherheitsbenotung. Die zweite grosse Einschränkung, mit der sich die Ingenieure auseinandersetzen müssen, ist das Design. Das Design tendiert zu immer schlankeren Elementen, in denen es nicht immer einfach ist, die gesamte erforderliche Technologie unterzubringen. Bei Volkswagen kann das Lastenheft für die komplexesten Scheinwerfer bis zu 170 Seiten umfassen. In diesem Dokument geht es beispielsweise um die Farbtemperatur des Scheinwerferlichts und die Einstellungen, die je nach Markt, auf dem das Fahrzeug angeboten wird, vorgenommen werden müssen. OD

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