Automobil Revue | 12.09.2024
Mercedes-Benz und das US-Batterie-Startup Factorial wollen bis Ende des Jahrzehnts eine Festkörperbatterie produktionsreif haben. Diese bietet eine erheblich höhere Energiedichte – damit könnten Elektroautos deutlich leichter werden oder ihre Reichweite um bis zu 80 Prozent steigern.
Das US-Unternehmen Factorial gehört zu den führenden Unternehmen im Bereich der Festkörperbatterietechnologie und arbeitet neben Mercedes-Benz auch mit den Automobilherstellern Stellantis und Hyundai zusammen. Die Solstic genannte Festkörperbatterie könne „die Sicherheit, Leistung und Nachhaltigkeit der nächsten Generation von Elektrofahrzeugen revolutionieren“, heisst es in einer Unternehmensmitteilung.
In einer Festkörper oder auch Solid-State-Batterie wird der flüssige Elektrolyt, durch den die elektrische Ladung fliesst, durch einen Feststoff ersetzt. Dadurch kann die Grösse des Batteriepacks verringert werden, auch das Brandrisiko wird weitgehend eliminiert. Das auf Sulfid basierende Festkörperelektrolytsystem vermeidet die Sicherheitsrisiken, die mit entflammbaren und flüchtigen Flüssigelektrolyten verbunden sind, und bleibt selbst bei Betriebstemperaturen von über 90 Grad Celsius stabil.
Factorial-CEO Siyu Huang sagte, dass Solid-State-Batterien ausserdem keine teuren und schweren Kühlsysteme benötigen, die für die heutigen Batteriepacks erforderlich sind, was den Autoherstellern eine weitere Kostensenkung ermöglichen würde. Durch ein neuartiges Trockenbeschichtungsverfahren macht Solstice Lösungsmittel und energieintensive Schritte überflüssig, die bei der herkömmlichen Kathodenproduktion üblich sind. Die Technologie umgeht auch den Formierungsprozess, den energieaufwändigsten Schritt bei der Herstellung von Lithium-Ionen-Batterien.
Energiedichte von 450 Wh pro Kilogramm, bis zu 80 Prozent mehr Reichweite
Die Solstice-Batterie soll eine Energiedichte von bis zu 450Wh/kg erreichen. Zum Vergleich: die besten aktuellen Batterien haben eine Energiedichte von 250 Wh/kg. Damit könnte sich bei gleicher Speicherkapazität das Batteriegewicht nahezu halbieren. Eine Batterie mit 90 Kilowattstunden Kapazität würde nur noch rund 200 Kilogramm auf die Waage bringen. Alternativ könnten Batterien, die heutigem Bauraum und Gewicht entsprechen, deutlich mehr an Energie speichern. Mercedes-Benz und Factorial sprechen von einer um bis zu 80 Prozent erhöhten Reichweite.
Markus Schäfer, Entwicklungsvorstand von Mercedes-Benz, sagte gegenüber der Nachrichtenagentur Reuters, dass die Festkörperbatterien von Factorial eine 40-prozentige Verbesserung der Energiedichte gegenüber den heutigen Hochleistungsbatterien des deutschen Automobilherstellers biete. Dies würde Mercedes in die Lage versetzen, entweder die Grösse des Batteriepakets erheblich zu reduzieren oder Elektroautos mit grosser Reichweite für diejenigen anzubieten, die dies wünschen. Zudem machten leichtere Batterien es möglich, Stahl für die Karosserie der Autos zu verwenden statt des viel teureren und energieaufwändigen hochfesten Aluminiums.
Bereits im Test bei mehreren Autoherstellern, darunter auch Mercedes-Benz, sind so genannte Quasi-Festkörperbatterien, die auf der technischen FEST-Plattform von Factorial basieren. Diese Plattform (Factorial Electrolyte System Technology) enthält eine Lithium-Metall-Anode, das leichteste Metall der Erde, und ermöglicht die hohe Energiedichte von 391Wh/kg. Vorteil dabei ist, dass diese Batterien auf bestehenden Anlagen aus der Lithium-Ionen-Batterieproduktion hergestellt werden können. So könne die Produktion schneller skaliert werden, sagte CEO Siyu Huang.