Stellantis: Plattform-Offensive

Olivier Derard | 30.11.2023

Produktion Automobilriese Stellantis plant vier neue Plattformen, die für unterschiedliche ­Antriebstechnologien ausgelegt sind. Die erste davon 
ist die STLA Medium für die Segmente C und D.

STLA Medium Platformfrontview

Derzeit umfasst die Stellantis-Gruppe nicht weniger als 15 Marken: Peugeot, Citroën, DS Automobiles, Opel, Vauxhall, Abarth, Alfa Romeo, Chrysler, Dodge, Fiat Automobile, Fiat Professional, Jeep, Lancia, Maserati und Ram. In Zukunft werden Dutzende von Modellen, die diese Marken anbieten, auf nur noch vier Plattformen zusammengebaut, sie firmieren unter STLA Small, Medium, Large und Frame und decken den kompletten Modellbereich zwischen Kleinstwagen und grossen Pick-ups ab.

Die Plattformen werden von Stellantis als «hochgradig modular» beschrieben. Sie wurden so konzipiert, dass möglichst viele Komponenten gemeinsam genutzt werden können. Das gilt vor allem für das Fahrwerk, für Längs- und Querträger – und auch für die unterschiedlichen Antriebsarten. Während einige Hersteller wie etwa VW spezielle Plattformen für die jeweiligen Antriebsarten entwickeln, setzt Stellantis weiterhin auf Plattformen, die nicht nur Verbrennungsmotoren, sondern auch Elektroantriebe aufnehmen können.

STLA Medium Platformbatterycells

Die Batterie ist zwischen den Achsen im Boden untergebracht und bietet eine Netto­kapazität von bis zu 98 kWh. Dies würde eine WLTP-Reichweite von 700 Kilometern ermöglichen. Bei der kleineren Einheit mit 73 kWh beträgt die Reichweite 500 Kilometer.

Die erste Plattform, die die Bühne betritt, wird STLA Medium sein. Dieses Fahrgestell wird Anfang nächsten Jahres das kommerzielle Debüt feiern und die Basis für den Peugeot 3008 der dritten Generation sein (s. Präsentation AR 37/2023). Diese Premiere ist sicherlich auf den Verkaufserfolg des 3008 der zweiten Generation zurückzuführen, der 2016 auf den Markt kam und wesentlich zur Wiedergeburt von Peugeot beitrug. Mit einer Produktionszahl von über 1.3 Millionen Exemplaren wurde er zum Verkaufsschlager.

Weitere Modelle werden folgen. Die Medium-Struktur wurde so konzipiert, dass sie als Grundlage für eine breite Palette von Fahrzeugen von Limousinen über Crossover bis hin zu SUV dienen kann. Als mittelgrosse Plattform ist sie jedoch den Segmenten C und D vorbehalten, also Fahrzeugen mit einer Länge von 4.30 bis 4.90 Metern und ­einem Radstand von 2.70 bis 2.90 Metern.

Ein wichtiger Markt

Die Medium-Plattform wird somit den Kern des weltweiten Automobilmarktes abdecken. Im vergangenen Jahr wurden 35 Millionen Einheiten im C- und D-Segment verkauft, das ist fast die Hälfte des weltweiten Volumens (78.5 Millionen). Die verschiedenen Marken von Stellantis bieten derzeit 26 Modelle in diesen beiden Segmenten an. Geplant ist, etwa zwei Millionen Fahrzeuge pro Jahr auf der neuen Plattform zu montieren. Zwei verschiedene Grössen von Batterien passen zwischen die beiden Achsen. Zunächst wird das Standardpaket angeboten, es hat eine Speicherkapazität von 73 Kilowattstunden und erreicht damit eine WLTP-Reichweite von mehr als 500 Kilometern. Das später folgende Performancepaket hat eine Nettokapazität von 98 kWh, die eine Reichweite von über 700 Kilometern ermöglichen werden. Laut Stellantis werden diese Batteriepakete dieselben Abmessungen und auch gleich dimensionierte Kühlsysteme haben.

STLA Medium Platformsideview

Das ist der grosse Vorteil der STLA-Medium-Plattform: Sie wird in einer neuen Version mit Allradantrieb angeboten, bei der ein zweiter Elektromotor an der Hinter­achse montiert wird. Dies dürfte auf dem Schweizer Markt sehr gut ankommen.

Zunächst setzt Stellantis nicht auf ein 800-Volt-System, sondern arbeitet mit einer Systemspannung von 400 Volt. Das ist weniger gut als bei der Konkurrenz, allen voran Hyundai, dennoch sollten die Ladezeiten akzeptabel bleiben. Stellantis schätzt, dass eine Ladung von 20 auf 80 Prozent an einer Gleichstrom-Schnellladestation etwa 27 Minuten dauern wird, was einer Ladung von 2.4 kWh pro Minute entspricht. Darüber hinaus will Stellantis an der Effizienz des Antriebssystems arbeiten. Der Verbrauch, ermittelt nach WLTP, soll unter 14 kWh/100 km sinken. Zwar fällt dieser Wert im Winter auf einer realen Strecke wahrscheinlich höher aus, doch er ist in Anbetracht der aktuellen Marktstandards absolut im Bereich der Konkurrenz.

Auch als 4×4 erhältlich

Unter der Motorhaube der STLA-Medium-Fahrzeuge wird die Leistung der Verbrennungs- und der Elektromotoren zwischen 160 kW (218 PS) und 285 kW (388 PS) variieren. Bei den Elektrovarianten werden drei verschiedene Module für den Antrieb angeboten. Darüber hinaus – und das ist eine gute Nachricht für den Schweizer Markt – werden sie mit Front- oder Allradantrieb erhältlich sein. Ansonsten beinhaltet die neue Plattform eine neue Vorder- und Hinterachse, die laut Herstellerangaben Verbesserungen beim Fahrverhalten bringen werden.

Um die Fahrdynamik zu optimieren, werden leichte und steife Materialien verwendet. Ausserdem haben die Ingenieure daran gearbeitet, den Einbauort für das einschichtige modulare Batteriepaket zu optimieren. Das bringt Vorteile bei der Gestaltung des Innenraums und mehr Platz für Fahrer und Mitfahrer, gleichzeitig wurde der Schwerpunkt des Fahrzeugs so weit wie möglich abgesenkt. Damit die Verbrauchsziele erreicht werden können, wurden nach Angaben des Herstellers das Heiz- und Kühlsystem des Innenraums, die Lenkung, die Bremskraftunterstützung und der Antrieb an sich überarbeitet. Auch bei den Produktionskosten will Stellantis mit der STLA-Medium-Plattform sehr wettbewerbsfähig sein. Die Unternehmenskommunikation vermeldet stolz, die Plattform biete «die besten Kosten für ein Batteriepaket in der Klasse».

Peugeot E 3008 3

Das erste Fahrzeug auf der mittleren Plattform ist der Peugeot e-3008.

Was die drei anderen Plattformen von Stellantis betrifft, so wird die STLA Small für Fahrzeuge der Segmente A (Kleinstwagen) und B (Kleinwagen) verwendet, die eine maximale Reichweite von 500 Kilometern haben sollen. STLA Large ist für mittelgrosse und grosse Fahrzeuge konzipiert. Die Reichweite wird mit maximal 800 Kilometern angegeben. In den USA wird eines der ersten Autos, das auf dieser Technik aufbaut, die Serienversion des Konzeptfahrzeugs Dodge Charger Daytona SRT sein. Als letzte und vierte Plattform des Konzerns ist der STLA Frame ein Chassis, das alle zukünftigen Pick-ups und andere grosse Geländewagen der Marken des Automobilriesen unterstützen wird, etwa den zukünftigen elektrischen Ram.

Skalierbare Plattformen

Die technische Ausstattung, die Fähigkeiten und die Leistung von Fahrzeugen, die auf STLA-Plattformen basieren, können im Laufe der Jahre angepasst und verbessert werden, sagt Stellantis. Dazu zählen Over-the-Air-Software-Upgrades und verbesserte Hardware. Darüber hinaus wurden die Plattformen so konzipiert, dass sie vorbereitet sind für die Entwicklung künftiger Chemiezusammensetzungen insbesondere von nickel- und kobaltfreien Akkus und Festkörperbatterien.

Für den Automobilkonzern Stellantis sind die STLA Medium und die drei dazugehörigen Plattformen ein Beweis dafür, dass die ehemaligen Automobilkonzerne PSA und FCA Hand in Hand arbeiten: «Die STLA-Medium-Plattform zeigt die Stärke der globalen technischen Gemeinschaft von Stellantis, um kundenorientierte Produkte zu entwickeln, die Zukunft der Mobilität zu gestalten und bis 2038 CO2-neutral zu werden», sagte Carlos Tavares, CEO von Stellantis. «Die Entwicklung der neuen Plattformen ist Teil eines 30-Milliarden-Euro-Investitionsplans für Elektrifizierung und Software», erklärte er.

Alle vier Plattformen sind entscheidend für die Erreichung der Ziele des strategischen Plans ­«Dare Forward 2030». Mit diesem setzt sich Stellantis das Ziel, ab 2030 in Europa bei Personenwagen ausschliesslich batterieelektrische Fahrzeuge (BEV) zu verkaufen. In den USA sollen 50 Prozent der Personenwagen und Pick-ups batterieelektrisch sein. Darüber hinaus zielt der Strategieplan darauf ab, die CO2-Emissionen bis 2030 im Vergleich zu 2021 um die Hälfte zu reduzieren und den Konzern bis 2038 komplett CO2-neutral zu machen. Voraussetzung ist, die Kunden folgen diesem Plan. Sollte dies jedoch nicht der Fall sein, kann Stellantis immer noch Verbrennungsblöcke in seine Plattformen einbauen. Das ist der Vorteil von Multi-Energie-Chassis. 

RAM 1500 REV 2

Die künftigen Dodge Charger Daytona SRT und der Pick-up Ram (oben) werden auf den Fahrgestellen STLA Large und STLA Frame gebaut.

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