Porsche Macan - Softwarebestimmt

Ramon Egger | 21.12.2023

Neuaufbau Mit der nächsten Generation des Macan
 lanciert Porsche auch die neue Elektroplattform PPE. Die Hauptrolle dabei spielt aber die Software.

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Die Fahrdynamik des elektrischen Macan ist auf der ersten Mitfahrt beeindruckend.

Das Software Defined Vehicle ist ein ziemlich rotes Tuch im Volkswagen-Konzern. Einst war das Auto, das um die Software herum gebaut ist, zur Konzernräson erhoben und die Software-Abteilung Cariad 2019 mit hochtrabenden Ankündigungen aus der Taufe gehoben worden. Den Durchbruch schaffte Cariad bis heute nicht, neue Modelle scheiterten an der Software. Tausende fertige ID 3 standen herum, weil Cariad die Software nicht auf die Reihe bekam. Audis next big thing, der vollelektrische Q6 E-Tron, wurde auf die lange Bank geschoben, weil die Software für die neue Premium Plattform Electric (PPE) keine Fortschritte machte. Nach etlichen Restrukturierungen will man den Misserfolg endlich überwinden und hat für Cariad vergangene Woche erneut eine Restrukturierung und Sparrunden angekündigt.

Bei Porsche hat man aber keine Berührungsängste, obwohl man auch die Lancierung des neuen, rein elektrischen Macans mehrfach verschieben musste. Inzwischen ist Porsche aber zuversichtlich, die Serienversion im Frühling 2024 vorstellen zu können. Als erstes Auto auf der neuen PPE (eigentlich sollte das der Q6 E-Tron sein). Den Macan präsentiert man stolz als Software Defined Vehicle mit neuen digitalen Möglichkeiten. Nicht etwa, weil die Hardware verstecken werden soll – oder müsste. Im Werk in Leipzig (D) nimmt man die Journalisten mit auf die hauseigene Teststrecke, eine eindrückliche Kombination der legendärsten Abschnitte verschiedener Rennstrecken von der Corkscrew von Laguna Seca (USA) bis zum Karussell der Nordschleife.

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Premium elektrisch

Die Fahrdynamik ist beeindruckend für ein Elektro-SUV, dessen Batterie allein 570 Kilogramm wiegt. Active Ride wie beim neuen Panamera (AR 50/2023) gibt es nicht für den Macan, aber die Luftfederung gehört zur Serienausstattung. Man sitzt spürbar näher an der Strasse als im bisherigen Verbrenner, obwohl es, anders als beim Taycan, keine Fussmulden in der Batterie gibt. Die schon fast sportwagenähnliche Dynamik ist aber auch dem Antrieb geschuldet, dessen permanenterregte Synchronmotoren mit effizienter Hairpin-Windung an Vorder- und Hinterachse in der Spitze bis zu 450 kW (612 PS) leisten und ein Drehmoment von bis zu 1000 Nm ermöglichen. Im Macan Turbo soll das dann vollständig ausgenutzt werden.

Die PPE ist total neu, die Batterie ebenfalls, auch wenn diese auf den ersten Blick an den Taycan erinnert: 800-Volt-Architektur, bis zu 270 kW Ladeleistung, dank der 100 Kilometer Reichweite in vier Minuten nachgeladen werden können. Wie Stephan Hess, Sachgebietsleiter Ladefunktionen, erklärt, hat man aber auf den HV-Booster verzichtet, der im Taycan das schnelle Laden ermöglicht. Zu teuer und zu gross sei er. Stattdessen trennt Bank-Charging die Batterie während des Ladevorgangs in zwei Teile von je 400 Volt, das Ladegerät lädt also zwei kleinere Batterien parallel. An den hohen Strömen, die die Ladestation bereitstellen muss, ändert sich dadurch nichts, aber das Batteriemanagement wird vereinfacht.

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Premium Platform Electric heisst die neue Basis, auf der der Macan aufbaut. Auch bei Audi kommt sie in Kürze bei A6 und Q6 zum Einsatz.

Für den Macan soll es nur eine Batteriegrösse geben: zwölf Module mit prismatischen Zellen und einer Gesamtkapazität von 100 kWh im Unterschied zu den teureren Pouchzellen des Taycan. Durch den Wegfall von Fussmulden ist der Innenraum höher angesetzt als in der J1-Plattform des Taycan. Die PPE ist vor allem für Hochbodenfahrzeuge wie SUV und Crossover geeignet. Aber auch der kommende Audi A6 E-Tron wird – sowohl als Limousine wie auch als Kombi – die PPE nutzen. Für den angekündigten elektrischen 718, den Nachfolger des aktuellen Duos Boxster und Cayman, arbeitet Porsche aber an einer neuen Plattform, die eigens für Sportwagen entwickelt wird.

Neues Cockpit

Das Cockpit orientiert sich am Taycan, man kennt es aber auch bereits aus dem Cayenne. Neu ist das Head-up-Display mit Augmented-Reality-Funktionen, das Informationen der Assistenzsysteme und des Navis ins Blickfeld projiziert. Es ist Teil der neuen Software- und Connectivity-Funktionen, über die Porsche gerne spricht. Vor allem im Bereich des Infotainments will man grosse Fortschritte erzielt haben. Das System basiert auf ­Google Auto, sieht aber nicht nach ­Google aus, Apps wie Spotify und Youtube Music können nativ dargestellt werden.

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Die Software bestimmt das Auto – dort wo es der Kunde nicht sieht, aber auch dort, wo man es sieht. So hat Porsche Augmented Reality für das Head-up-Display eingeführt …

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… und das Navi verbessert, aber ins Internet ausgelagert.

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Auch Apps wie Spotify oder Youtube Music sind verfügbar.

Stolz ist Porsche vor allem auf die neue Routenplanung mit verbesserter Kalkulation von Ladestopps. Alles gehe viel schneller als bisher, weil es nicht mehr lokal auf dem Rechner des Fahrzeuges geschehe, sondern auf zentralen Servern, erklärt Miriam Mohamad, Projektleiterin für UI/UX bei Porsche. Dasselbe gilt für die neue Sprachbedienung, die viel mehr Befehle – nicht nur vom Fahrer, sondern von allen Insassen – verstehen und sie den jeweiligen Personen zuordnen können soll. Auch das geschieht auf den Servern von Porsche. Diese Funktionen benötigen natürlich eine aktive Datenverbindung des Autos über mobiles Internet.

Software im Zentrum

Der Begriff des Software Defined Vehicles, wie es jetzt der Macan werden soll, kam in der Automobilentwicklung vor einigen Jahren auf. Dahinter steht die Idee, dass man der Software in einem Auto höchsten Stellenwert einräumt. Als Vorbild dient Tesla, das den berühmt-berüchtigten «Computer auf Rädern» schuf. Im Zentrum stehen die digitalen Funktionen, die Assistenzsysteme oder Update-Möglichkeiten. Mechanische Komponenten wie Chassis oder Fahrwerk werden darum herumgebaut. Software Defined Vehicles müssen nicht zwingend elektrisch sein, auch Verbrenner oder Hybride sind möglich. Aber sie sind ein neuer Entwicklungsansatz und deshalb nur in neuen Plattformen zu finden – und die werden meist auf Elektroantrieb ausgelegt.

Das Software Defined Vehicle steht für den Wandel des Autos weg von der mechanischen Maschine, die es während mehr als hundert Jahren war, hin zu hochentwickelten, elektronischen Geräten, ähnlich einem Mobiltelefon. Auch da ist die Hardware wie Kamera, Bildschirm und Akku wichtig. Viel wichtiger für die Funktionalität aber sind das Betriebssystem, das alles steuert, und die Apps, die die Nutzung erst möglich machen und die kontinuierlich weiterentwickelt, verbessert und upgedatet werden. Das Software Defined Vehicle ist auch Grundlage für autonome Fahrzeuge. 

Fotos: Porsche

Kein Verbrenner-Aus für den Macan in der Schweiz

Weil der neue Macan rein elektrisch ist und ein Grossteil der Porsche-Kunden auf den Verbrennungsmotor steht, wird der aktuelle Macan noch weiter angeboten. Etwas überraschend hat Porsche jetzt mitgeteilt, dass man den Macan in Europa ab Juli 2024 aus dem Verkauf nehmen werde. Hintergrund ist eine neue EU-Regulation zur Cybersicherheit bei Autos, der das Modell nicht mehr gerecht wird.

Die Schweiz ist vom Verkaufsstopp aber nicht betroffen, wie Inga Konen, Pressesprecherin von Porsche Schweiz, auf Anfrage erklärt: «In Regionen ausserhalb Europas und auch im Schweizer Markt kann der Macan mit Verbrenner weiterhin verkauft und zugelassen werden.» Andere Modelle seien auch nicht betroffen: «Beim 911, dem Panamera und dem Cayenne sind die Anpassungen an die kommenden Gesetze und neuen Emissionsstandards bereits eingeplant.»

Grund für den Verkaufsstopp ist massgeblich die EU-Strassensicherheitsrichtlinie (General Safety Regulation, GSR), die auch die Cybersicherheit betrifft. Fahrzeuge, die deren Anforderungen nicht erfüllen, werden in der EU ab 1. Juli 2024 nicht mehr neu zugelassen. Das gelte für alle Modelle aller Hersteller und unabhängig davon, ob es sich um ein Elektrofahrzeug oder eines mit Verbrennungsmotor handle, sagt Inga Konen. «Daher wird der Verkauf des Macan mit Verbrenner in der EU voraussichtlich im Laufe des Frühjahres eingestellt, sodass sichergestellt ist, dass die Fahrzeuge bis zum Stichtag an Kunden ausgeliefert und zugelassen werden können.» RE

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