Der Renault-Elektromotor von morgen

Olivier Derard | 24.05.2024

E-MASCHINEN Renault setzt bei seinen Elektroautos auf stromerregte ­Synchronmotoren. Mit dem neuen Motor E7A, der ab 2027 gebaut wird, stösst das Unternehmen in neue Leistungsbereiche vor.

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Wicklung eines 6AM-Motors auf einer Fertigungsstrasse: Der Stator des neuen E7A-Motors wird von Valeo geliefert, der Rotor von Renault hergestellt. Das Ganze wird von Renault zusammengebaut.

Renault ist ein Pionier auf dem Gebiet der Elektromotoren. Die Franzosen bauten schon im Kleinwagen Zoe, der seit 2012 auf dem Markt ist, stromerregte Synchronmotoren ein. EESM – also Electrically Excited Synchronous Motors – erzeugen das Magnetfeld im Rotor durch die Zufuhr von Strom. Das unterscheidet sie von permanenterregten Motoren, bei denen das Magnetfeld durch Dauermagnete im Rotor erzeugt wird. Bislang arbeiteten die EESM von Renault nur bis zu einem Leistungsbereich von 160 kW (im Megane E-Tech). Das wird sich durch den neuen Motor E7A ändern, der ab 2027 in den zukünftigen Elektrofahrzeugen der Marke verbaut wird. Er ersetzt den bewährten 6AM-Motor.

Für die Entwicklung hat sich Renault mit ­einem anderen renommierten französischen Unternehmen zusammengetan, dem Zulieferer Valeo. Logischerweise kennt sich Valeo mit Elektromotoren aus. Valeo war einer der ersten Zulieferer, der Stopp-Start-Systeme und Mild-Hybridantriebsstränge entwickelte. «Wir haben sehr früh begonnen, in der Welt der Nieder- und Hochspannung zu arbeiten. Dazu haben wir sogar ein Joint Venture mit Siemens gegründet, um die Motoren für die Mercedes EQS und EQE sowie die Leistungselektronik für die Volkswagen ID.3 und ID.4 zu entwickeln und zu bauen», sagt Pascal Hervet, Leiter der Forschungs- und Entwicklungsabteilung von Valeo Power.

Vor eineinhalb Jahren wurde dieses Joint Venture vollständig von Valeo übernommen. «Heute entwickeln und produzieren wir alle elektrischen Antriebsstränge, ob Nieder- oder Hochspannung, sowie die Leistungs- und Ladeelektronik für zahlreiche Hersteller», so Hervet. «Wir glauben, dass EESM eine grosse Zukunft haben, und da Renault bei dieser Technik am weitesten fortgeschritten ist, haben wir beschlossen, mit Renault zusammenzuarbeiten», ergänzt er.

Kosten und Effizienz

Dass sich die Permanentmagnet-Synchronmotoren (PSM) in der Automobilindustrie weitgehend durchgesetzt haben, hat einen guten Grund. «In der Welt der Elektromotoren gelten PSM, die aus einem gewickelten Stator und einem Rotor mit feststehenden Magneten bestehen, derzeit als die effizientesten Maschinen», erklärt der Valeo-Direktor. Was sind also die Vorteile der EESM? Sie haben den grossen Vorteil, dass sie ohne Seltene Erden auskommen. «Heute berücksichtigt man nicht mehr nur die Umweltverschmutzung, die ein Fahrzeug während der Fahrt verursacht, sondern auch die Umweltbelastung, die bei der Herstellung und generell während des gesamten Lebenszyklus des Fahrzeugs entsteht. Die Gewinnung Seltener Erden ist ein umweltbelastender Prozess, insbesondere in Bezug auf den CO2-Ausstoss», sagt Hervet. Darüber hinaus schaffen Seltene Erden eine Abhängigkeit von den Ländern, die sie besitzen – zum Beispiel China.

Natürlich haben EESM auch Nachteile, andernfalls wären sie weiter verbreitet. Der erste? «Die Herstellung eines EESM ist komplizierter als die einer Permanentmagnetmaschine», sagt Ma­xime Bayon de Noyer, Direktor für vorgelagerte Technologien und Projekte der Renault-Tochtergesellschaft Ampère. Hier macht sich das Know-how bezahlt, das sich Renault in den vergangenen Jahren erarbeitet hat. Der französische Hersteller hat nach eigenem Bekunden einen komfortablen Vorsprung vor der Konkurrenz, selbst vor der asiatischen. «Die chinesischen Hersteller arbeiten nur an Synchronmaschinen. Man kann bei ihnen nicht feststellen, dass sie eine EES-Maschine besitzen wollen.» Warum ist das so? «Sie haben Seltene Erden im Überfluss», sagt der Renault-Ingenieur. Und die anderen europäischen Hersteller? Die verfügten schlicht nicht über gleich viel Erfahrung.

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Das Werk Cléon der Renault-Gruppe, in dem ab 2027 die E7A-Motoren hergestellt werden sollen.

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Zurzeit besteht der elektrische Motor 6AM aus drei Gehäusen. Der Elektromotor E7A wird kompakter sein, da die Technik in ein einziges Gehäuse integriert wird.

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Zurzeit besteht der elektrische Motor 6AM aus drei Gehäusen. Der Elektromotor E7A wird kompakter sein, da die Technik in ein einziges Gehäuse integriert wird.

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Pascal Hervet ist Leiter für Forschung und Entwicklung bei Valeo Power.

Der zweite Nachteil: Bei gleicher Leistung ist ein EESM grösser als eine permanentmagnetische Synchronmaschine: «Man braucht etwas mehr Platz unter der Motorhaube», bedauert Bayon de Noyer. Die Lösung heisst Integration: «Der alte elektrische Motor 6AM hatte separate Gehäuse für die elektrische Maschine, das Getriebe und den Wechselrichter. Beim E7A ist es unser Ziel, diese drei Elemente in einem einzigen Gehäuse zu vereinen», erklärt der Renault-Ingenieur. Dadurch soll der E7A im Verhältnis zur entwickelten Leistung 30 Prozent kompakter sein als die elektrischen Motoren in den aktuellen Modellen Megane E-Tech Electric und Scenic E-Tech Electric. Da der Rotor und das Getriebe zusammengefasst sind, benötigen sie weniger Platz und können zum Beispiel dasselbe Öl verwenden. Die Leistungselektronik ist vollständig in das Getriebe integriert.

Darüber hinaus lässt sich dieses Problem auch dank des Know-hows lösen, das Valeo durch seine Hairpin-Technologie eingebracht hat. «Der Stator des E7A wird nicht mehr mit einer Wicklung mit rundem Kabelquerschnitt, sondern mit einer Wicklung mit quadratischem Querschnitt ausgestattet sein», sagt Pascal Hervet. Verwendet man für die Wicklung runde Drähte, werden die Zwischenräume zu gross, man verliert an Kupferdichte und damit letztlich an Leistung. Der Vorteil der Verwendung von Drähten mit quadratischem Querschnitt ist, dass man viel weniger Lücken zwischen den Drähten hat. Dadurch gewinnt man deutlich an Leistungsdichte, für die gleiche Leistung benötigt man mit der Hairpin-Wicklung weniger Volumen, das bringt Vorteile beim Packaging des Gesamtfahrzeugs.

Hervorragender Gesamtwirkungsgrad

«Unter dem Gesichtspunkt der Effizienz möchten wir zu den Besten auf dem Markt gehören, wenn nicht sogar der Beste sein, auf jeden Fall bei hohen Geschwindigkeiten auf der Autobahn», erklärt Bayon de Noyer. Da die elektrische Maschine, das Getriebe und der Wechselrichter jeweils ­einen Wirkungsgrad von 98 Prozent haben, hat der E7A eine Gesamteffizienz von 92 Prozent (0.975×
0.975×0.975≈0.92). Das bedeutet, zumindest in der Theorie, dass 92 Prozent der von der Batterie gelieferten Energie auf die Räder übertragen werden.

Wenn der E7A-Motor 2027 auf den Markt kommt, wird er die Bedürfnisse von Fahrzeugen des C-Segments, aber auch von Nutzfahrzeugen abdecken. Die Zeiten, in denen Motoren für Nutzfahrzeuge und Personenwagen unterschiedlich waren, sind damit vorbei. Und das ganz einfach deshalb, weil eine elektrische Maschine in der Lage ist, ihr Drehmoment bereits aus dem Stand zu 100 Prozent zu liefern. Der E7A wird auch dazu beitragen, die Ladezeit der Batterie zu verkürzen, da sie mit 800 Volt betrieben werden kann, während der 6AM derzeit mit 400 Volt arbeitet. Der Stator wird von Valeo geliefert und der Rotor von Renault gebaut. Die Endmontage des E7A wird im Renault-Werk in Cléon (F) erfolgen. Der künftige E7A-Motor wird leistungsstark sein, da er im Bereich von 200 Kilowatt Leistung und 400 Newtonmetern Drehmoment angesiedelt sein wird. «Dieser Bereich wird es uns ermöglichen, etwas grössere Autos zu motorisieren, in denen dieser Motor sowohl vorne als auch hinten eingesetzt werden kann», sagt Maxime Bayon de Noyer. Ausserdem kann er in Elektroautos mit Allradantrieb wie den zukünftigen Alpine-Modellen verwendet werden.

Der neue Motor wird jedoch nicht nur auf Fahrzeuge des Konzerns oder der Allianz mit Nissan beschränkt sein, da der Verkauf dieses Motors an andere Hersteller Teil der Vereinbarung zwischen Renault und Valeo ist. Das ist allerdings nicht neu. So hat Mercedes-Benz diverse Verbrennungs- und Elektromotoren eingesetzt, die von Renault stammen. Der neue E7A-Motor soll da keine Ausnahme sein. 

Fotos: Renault

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