Abarth 500e – Mamma mia, Carlo!

AR-Testteam | 01.02.2024

Nur Strom In der Regel hört man einen Abarth, bevor man ihn sieht. Beim Abarth 500e ist das anders – wenn man will.

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Es mache ihm einfach grossen Spass, teurere Fahrzeuge mit einem bescheidenen Kleinwagen zu demütigen. Mit diesen Worten wird Carlo Abarth gern zitiert. Leider wissen wir nicht, was Carlo Abarth vom neusten Skorpion, dem Abarth 500e, halten würde. Er ist der erste Abarth ohne Auspuff, somit steht er im krassen Gegensatz zur Geschichte der italienischen Marke, wurde diese doch erst durch die Entwicklung und den Verkauf leistungssteigernder und krachender Abgasanlagen bekannt. Abarth beglückte mit seinen Produkten vor allem das bodenständige Volk. Menschen, die sich keine teuren Sportwagen leisten konnten, aber auf Emotionen und Rennsportgefühl nicht verzichten wollten. Aber kann man auch in einem soundbefreiten Abarth Spass haben – oder steht das E des Abarth 500e für emotions- statt emissionslos?

Klein steht der Abarth 500e vor dem Gebäude der Redaktion und ist dennoch kaum zu übersehen, die Farbe, eine giftige Mischung aus Gelb und Grün, wird exklusiv für die Scorpionissima-Version angerührt. Weitere Auffälligkeiten sind eine neugestaltete Front, ein Diffusor am Heck, Abarth-Prägungen am Schweller und neue Skorpion-Embleme. Einen geriffelten, digitalen Skorpion haben sich die Designer als Wiedererkennungsmerkmal für den elektrischen Abarth einfallen lassen. Im Fahrzeuginneren findet man das Spinnentier auf Lenkrad, Sitzen und Pedalerie wieder.

Ansonsten stammt im Inneren vieles vom elektrischen Fiat Cinquecento, neben Hartplastik wurde zusätzlich aber auch Alcantara eingesetzt. Schön für das Auge, geschmeidig unter den Händen und auch bequem zum Sitzen. Etwas zu bequem, denn etwas besser konturierte Sitzflächen hätte der Abarth vertragen können.

Natürlich kann der Abarth 500e das Bollern und Röhren seiner Verbrennerbrüder nicht kopieren, womit dem Fahrzeug beim Thema Emotionalität eine wichtige Komponente versagt bleibt. Der unnachahmliche Klang einer Record-Monza-Abgasanlage ist Musik zum Niederknien, die man weder aufnehmen, konservieren und schon gar nicht durch Lautsprecher pressen kann. Die Abarth-Ingenieure versuchten es dennoch und entwickelten in mehr als 6000 Stunden im Tonstudio einen externen Lautsprecher, welcher vom Fahrzeugboden aus den legendären Sound wiedergeben soll. Zwar klingt der Sound um Welten besser als die arrangierten Raumschiffkonserven, die andere Hersteller ihren Passagieren über interne Lautsprecher zumuten. Aber an das Original kommt das ziemlich laute Gebrüll aus der Box natürlich nicht heran. Es ist ein lustiges Gimmick, doch spätestens am ersten Abend hat man sich daran so sattgehört, dass man die Funktion dauerhaft ausschaltet.

Peperoncino, per favore

Auf der Teststrecke gibt der kleine Skorpion alles, doch die nackten Zahlen sind weniger giftig. Eine Beschleunigung aus dem Stand auf 100 km/h in sieben Sekunden ist auch für einen Zwerg sehr gemütlich. Der zivilisiertere Fiat 500e ist lediglich um zwei Sekunden langsamer. Bei den Zwischenspurts von 50 auf 80 km/h und von 80 auf 120 km/h fällt auf, dass der Abarth 500e zwar willig antritt, doch die Beschleunigung bei einer Geschwindigkeit um die 100 km/h an Schwung verliert. Man könnte es sich mit ­einem Kompromiss von Leistung und Reichweite erklären. Der Antrieb wird vom Konzernbruder Fiat 500e spendiert und für den Abarth von 87 kW (118 PS) auf 114 kW (155 PS) aufgedreht. Doch mit rund 1.4 Tonnen (was für ein Elektroauto wenig ist), müssen sich hier zu wenige PS mit zu viel Gewicht herumplagen. Natürlich könnte man noch mehr Leistung freigeben, doch mehr Leistung würde die Reichweite noch weiter schrumpfen lassen.

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Der Abarth 500e ist nichts für Reichweiten-Phobiker. Vor der Abfahrt sollte man schon die nächste, gern auch die übernächste Ladesäule ausgemacht haben. Aber der Stromzwerg macht viel Spass, und die kleine Batterie ist auch rasch wieder gefüllt.

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Der Abarth 500e ist nichts für Reichweiten-Phobiker. Vor der Abfahrt sollte man schon die nächste, gern auch die übernächste Ladesäule ausgemacht haben. Aber der Stromzwerg macht viel Spass, und die kleine Batterie ist auch rasch wieder gefüllt.

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Statt sich bei den hauseigenen Abarth-Modellen zu bedienen, wurde der Innenraum des elektrischen Fiat 500 übernommen.

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Statt sich bei den hauseigenen Abarth-Modellen zu bedienen, wurde der Innenraum des elektrischen Fiat 500 übernommen.

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Statt sich bei den hauseigenen Abarth-Modellen zu bedienen, wurde der Innenraum des elektrischen Fiat 500 übernommen.

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Der Blitz soll die Elektrifizierung des kleinen Abarth 500e verdeutlichen, doch der Skorpion sieht dadurch aufgespiesst aus.

La dolce vita

Der Abarth 500e und eine leere Landstrasse ergeben eine hundertprozentige Fahrspassgarantie. Auf winkeligen Strassen haben Auto und Fahrer viel Freude miteinander. Der Abarth liegt sehr straff, federt allerdings auch noch ein bisschen, was fast als komfortabel durchgehen kann. Der tiefe Schwerpunkt bekommt dem Fahrwerk ausgezeichnet und erstickt jegliches Wanken im Keim. Stets zu empfehlen ist der mittlere, Scorpion Street genannte Fahrmodus, denn dieser deaktiviert im Gegensatz zum Modus Scorpionissima Track die Rekuperation nicht. Das kostet zwar etwas Gefühl auf dem Bremspedal, doch das Fahrzeug lenkt dadurch williger ein. Durch diese konstante Rekupera­tionsverzögerung lässt sich die Bremse in Kurven früher lösen, und an der Vorderachse können so Lenkkräfte präziser auf den Asphalt übertragen werden. Der kammsche Kreis lässt lieb grüssen. Zudem wirkt sich die Rekuperation stabilisierend auf das Fahrwerk aus. Dass nebenbei die Bremse entlastet und auch etwas Energie in die Batterie zurückgesteckt wird, sind positive Nebeneffekte. Beim Kurvenausgang wird ganz E-typisch mit viel Drehmoment wieder ansatzlos her­ausbeschleunigt. Dabei zerren bei allen frontgetriebenen Abarth, also den Verbrennern wie beim Elektromodell, die Antriebseinflüsse deutlich spürbar an der Lenkung. Je nach Untergrund oder Witterung stösst die Traktion schnell an ihre Grenzen. Die Traktionskontrolle des elektrischen Abarth jedoch kann die Leistung an der Vorderachse um ein Vielfaches dosierter und reaktionsschneller an die Räder abgeben als seine thermisch motorisierten Brüder. Ein grosser Vorteil aller Steckerfahrzeuge.

Doch die flotte Hatz hat auch ihre Grenzen, denn die Batterie ist mit einer Kapazität von 42 Kilowattstunden nicht gerade üppig dimensioniert. Sie lässt sich zwar vergleichsweise schnell laden, ist bei fröhlicher Fahrweise aber auch schnell wieder leer. Am Schnelllader kann mit maximalen 85 Kilowatt Strom gezogen werden, an einer Wechselstromstation mit elf Kilowatt. Bei grösseren Ausfahrten sollte der Fahrer schon vorausschauend nach möglichen Ladestationen suchen, um nicht auf der Strecke in Reichweitenpanik zu verfallen. Auf der AR-Normrunde verbrauchte der Abarth 20.5 kWh/100 km, was einer Reichweite von 200 Kilometern entspricht. Bei sportlicher Fahrweise muss man hingegen mit einem Verbrauch von rund 30 kWh rechnen.

Der erste elektrische Abarth

Der Abarth 500e geht in vielen Bereichen den Weg in die richtige Richtung. Besonders der oft beklagten Emotionslosigkeit von Elektrofahrzeugen setzt er ein Zeichen entgegen. Das Konzept des sportlichen Kleinwagens geht auf, doch es könnte definitiv noch mehr Leistung vertragen. Das Fahrwerk und die Lenkung hingegen sind herausragend, und die Abwesenheit piepsender Fahrassistenten erinnert einen fast schon an nostalgische Fahrten vor sehr langer Zeit.

Preislich startet der Abarth 500e bei 38 000 Franken, die besser ausgestattete Scorpionissima-Version bei rund 43 000 Franken. Wer ein Cabriomodell möchte, muss nochmals weitere 3000 Franken locker machen. Insgesamt verlangt Abarth ­eine grosse Summe für ein kleines Auto. Doch wird er seinen Käufern, die hoffentlich einen direkten Zugang zu einer Ladestation besitzen, sicherlich Freude bereiten. 

Sommer gegen Winter

Mit dem Abarth 500e hatten wir die Möglichkeit, den Unterschied von Sommer- und Wintertests zu untersuchen. Bereits im vergangenen Sommer luden wir das Fahrzeug zu einem Speed-Date auf der Teststrecke ein. Wohlwissend, dass wir dasselbe Testprogramm im Winter noch einmal wiederholen würden. Beste Chancen also, Äpfel mit Äpfeln zu vergleichen.

Was ist gleich? Das Fahrzeuggewicht des Abarth 500e ist identisch, und auch der Testfahrer wiegt nach wie vor 75 Kilogramm. Beide Male wurde das Fahrzeug vor dem Testtag in der Garage 18 Stunden vorkonditioniert, die Antriebsbatterie vollgeladen und eine Strecke von exakt elf Kilometern bis zum Testgelände zurückgelegt, was nebenbei den identischen Ladezustand bei Messbeginn zur Folge hatte. Der Ablauf des Messprogramms war identisch, ebenso die Dimension der Reifen. Die Liste der Unterschiede ist dagegen kurz: Temperatur, saisonale Bereifung und Witterungsbedingungen.

Bei den Beschleunigungstests lagen die Abweichungen innerhalb einer Zehntelsekunde. Der Abarth 500e beschleunigt bei trockener wie auch nasser Fahrbahn ohne Schlupf nahezu gleich. Bei den Bremswegen hingegen konnte eine Abweichung von maximal 15 Prozent festgestellt werden. Der Bridgestone Potenza Sport ist als Sommerreifen für seine hohe Traktion bekannt, steht bereits nach rund 34 Metern. Der Winterreifen von Michelin trotzt den widrigen Temperaturen, konnte aber bei den nassen Witterungsbedingungen natürlich nicht das identische Griplevel aufbauen. 

Tristano Gallace

Testfazit

Der Abarth 500e geht in vielen Bereichen den richtigen Weg. Aber leider nicht konsequent bis zum Ende, vor allem nicht, was den Antrieb angeht. Mehr Leistung könnte der Kleine mit dem guten Fahrwerk problemlos verkraften, das hätte wohl aber auch eine noch geringere Reichweite zur Folge. So bleibt der Elektro-Abarth ein reiner Stadtflitzer mit tollen Überlandfähigkeiten.

Testergebnis 71/100

Antrieb 18/25

Bitte mehr Leistung, Carlo, möchte man sagen. Gut für einen Fiat 500e, aber schwach, wenn man einen Abarth erwartet. Toller Antritt, doch dann geht ihm die Luft aus. Die geringe Reichweite ist eine Schwachstelle.

Fahrwerk 17/20

Super Fahrverhalten mit Restkomfort. Nur auf der Autobahn oder auf schlechtem Untergrund nervös. Die präzise Lenkung macht grosse Freude, besonders am Kurveneingang.

Innenraum 10/17

Für einen Kleinwagen recht ordentliche Platzverhältnisse. Viel Hartplastik, aber auch schönes Alcantara.

Sicherheit 9/15

Bremsen sind o. k., die Liste der abwesenden Fahrsicherheitsassistenten jedoch lang. Nicht, dass wir diesen nachtrauern, doch ein kamerabasiertes System wiegt und kostet wenig und macht die NCAP-Prüfer glücklich.

Budget 17/23

Abarth möchte eine grosse Summe für ein kleines Auto, doch einen 500e kauft man auch nicht aus Versehen. Der Abarth 500e bietet für ein ­E-Auto auch Emotionen und wird seinen Käufern sicher Freude bereiten.

Fotos: Vesa Eskola, Text: Tristano Gallace

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