Kia EV9 – Imposanter Aufpasser

AR-Testteam | 18.01.2024

Elektroriese Der Kia EV9 sieht nicht nur gross aus, er ist es auch – aussen wie innen. Im Alltag gibt sich der Koreaner als durchdachter Typ, der den Fahrer gern an der kurzen Leine hält.

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Als Kia vor knapp einem Jahr erste Fotos des EV9 veröffentlichte, zeigten sie das Auto weiss oder blau. Wohl mit gutem Grund: So lackiert wirkt es trotz seiner kantigen Linienführung und der schieren Grösse noch freundlich. Vielleicht wurde aus Marketingsicht eine Chance verpasst, denn wer im Verkehr mit seinem Vehikel gern respekteinflössend wirkt – diesen Wunsch scheinen ja nicht wenige zu hegen –, degradiert mit einem schwarz lackierten EV9 selbst grosse, aggressiv gezeichnete SUV zu lächerlichem Beigemüse. Aber dieser Kia ist kein Auto für Angeber, sondern ein netter Familientyp.

Unser im Ocean Blue genannten Lancierungston lackierter Testwagen machte auf jeden Fall niemandem Angst. Im Gegenteil, es gab sogar den ­einen oder anderen emporgestreckten Daumen. Der EV9 scheint mit seinem markanten Design also gut anzukommen. Und obwohl er wirklich gross ist, sind fünf Meter Länge und knapp zwei Meter Breite für heutige Verhältnisse gar nicht so übertrieben. Dass einem bei der Einfahrt in ein Parkhaus mit dem fast 1.8 Meter hohen EV9 in Anbetracht der ungewohnten Nähe zur Decke kurz das Herz stehen bleibt, passiert nur am Anfang. Und Fahrer grosser Vans lachen da sowieso nur.

Grossraum-SUV

Da der Begriff Van jetzt gefallen ist: Nein, der Kia EV9 ist keiner. Auch wenn er irgendwie so aussieht. Kia bezeichnet ihn als SUV, das auf der Konzernplattform E-GMP aufgebaut ist und dementsprechend auch über die für zügiges Laden geeignete 800-Volt-Technologie verfügt. Im Vergleich mit den Plattformbrüdern wie etwa dem Hyundai Ioniq 5 oder dem Kia EV6 gibt es den Kia EV9 aber mit einem deutlich grösseren Akku, der 99.8 kWh Bruttokapazität aufweist. Netto sind es immerhin 96 kWh. Die werden bei unserem Testwagen mit Allradantrieb laut WLTP in eine Reichweite von 505 Kilometern umgemünzt, wobei die ebenfalls erhältliche Version mit Heckantrieb sogar 563 Kilometer schaffen soll.

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Rundum beeindruckend: Fünf Meter lang, knapp zwei Meter breit und auch fast 1.8 Meter hoch ist der Kia EV9.

Nun sieht es wie so oft bei solchen Zahlen im Alltag etwas anders aus, vor allem bei winterlichen Temperaturen. Da sind Verbrauchswerte um die 30-kWh/100-km-Marke mehr Regel als Ausnahme. Es fällt aber aus drei Gründen schwer, das dem Auto vorzuwerfen. Erstens zeigt es stets eine realistische Restreichweite an, die bei voller Batterie auch bei Minusgraden an der 400-Kilometer-Marke kratzt und weder durch die eine oder andere Vollstrompassage noch auf der Autobahn im Zeitraffer dahinschmilzt. Zweitens hat der EV9 des allradgetriebenen GT-Line eine Systemleistung von 283 kW (385 PS), die dynamisches und souveränes Fahren erlaubt. Und drittens zahlt man für Grösse eben einen Preis, der sich hier in Anbetracht des vorhandenen Raumangebots wenigstens lohnt. Denn Kia hat nicht einfach einen Riesen ohne Nutzwert auf die Räder gestellt – der EV9 ist echt extrem geräumig und echt extrem praktisch.

Mindestens so viel Sein wie Schein

Tatsächlich darf das Raumkonzept des Koreaners als durchweg gelungen bezeichnet werden. Den GT-Line gibt es serienmässig mit sieben Plätzen oder für 950 Franken Aufpreis als Sechssitzer. Werden die Lehnen der beiden Plätze in der dritten Reihe umgeklappt (serienmässig elektrisch), ergibt sich ein grosszügiger Gepäckraum mit ebenem Ladeboden und über 800 Litern Volumen. Da sich auch die Lehnen der mittleren Sitzreihe umklappen lassen (manuell im Verhältnis 60:40), hat der Siebensitzer maximal 2318 Liter Ladevolumen. Der riesige Laderaum bleibt auch dann topfeben.

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Topfebener Laderaum bei umgeklappten Lehnen der dritten Sitzreihe. Wer auch die Lehne der zweiten umklappt, erhält noch mehr Raum mit noch grösserem ebenen Ladeboden.

La finition «GT-Line» dispose de série de sept places assises – à noter qu’une version à six places est disponible en option, contre 950 francs de plus. Si l’on rabat les dossiers de la troisième rangée (électriquement de série), on obtient un coffre généreux, pourvu d’un plancher de chargement plat et d’un volume de plus de 800 litres! Comme les dossiers des sièges de la rangée du milieu peuvent également être rabattus (manuellement, selon un rapport 60:40), la sept-places dispose d’un volume de chargement maximal de 2318 litres. Même dans ce cas, l’immense espace de chargement reste plat. Si les sept places sont utilisées, les 333 litres restants sont du niveau d’une citadine.

Adultes confortables à l’arrière

Même s’ils sont sept adultes, les passagers n’ont pas à se demander où ils doivent s’asseoir. Comme la rangée de sièges du milieu peut être déplacée, les personnes de grande taille peuvent prendre place correctement sur la troisième rangée. Si la banquette coulisse complètement vers l’arrière, l’espace est certes restreint pour les occupants du coffre, mais il est d’autant plus royal au centre. Il y a beaucoup d’espace dans toutes les directions et le confort est tout simplement excellent. En relevant son repose-jambes (de série sur tous les EV9), le conducteur se croirait dans la classe affaires d’un avion de ligne. Certes, il ne doit bien sûr pas exagérer avec cette position de détente, car une tâche importante l’attend, malgré de nombreux assistants qui fonctionnent (trop) bien.

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Die imposanten Abmessungen haben die Koreaner bei ihrem markant gestalteten Stromer für ein geräumiges Interieur genutzt.

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Wer am Steuer eines grossen Autos nicht nervös wird, dürfte grösstenteils begeistert sein.

Das kann ziemlich nerven, aber der EV9 wirkt mit seinem Gesamtkonzept so beruhigend, dass man die Warnungen als Fahrer bald gänzlich ignoriert. Irgendwo im Hintergrund mahnt etwas, aber hey, ich fahre gerade auf Wolke sieben, was kümmerts mich. Das kann zwar nicht der Sinn dieser Assistenten sein, aber wer dauernd reklamiert, dem hört man halt irgendwann nicht mehr zu. Vor allem nicht, wenn er so viel Sicherheit vermittelt. Der EV9 ist fast so wie ein grosser, starker Freund, mit dem man vor nichts und niemandem Angst hat.

Angst könnte höchstens ein Blick auf die Preisliste bereiten: Mindestens 75 950 Franken kostet der EV9, der GT-Line startet bei 83 950 Franken und lässt sich mit Kreuzchen bei allen Optionen auf über 90 000  Franken bringen. Er ist aber auch ohne diese sehr gut ausgestattet, hervorragend verarbeitet und wirkt trotz der grossflächig aus Recycle-Kunststoff bestehenden Intarsien nicht billig. Bei einem vergleichbaren Deutschen würde niemand etwas sagen. Kia scheint jetzt auch preislich dieses Niveau zu erreichen. 

Testfazit

Kia – quo vadis? Die Zeiten, in denen die Koreaner als Billigmarke dastanden, sind definitiv vorbei. Der EV9 ist trotz fehlender Naturmaterialien (auf Leder oder Holz wird der Umwelt zuliebe komplett verzichtet, stattdessen gibt es viel rezykliertes Plastik) ein Luxusbomber. Dabei ist nicht nur sein Design selbstbewusst, sondern auch der Preis. Seine Eigenschaften rechtfertigen den Tarif.

Testergebnis 84/100


Antrieb 13/17

Dank 385 PS und 700 Nm Drehmoment ist der Vortrieb souverän. Der Kia EV9 ist schneller, als es seine Optik vermuten lässt. Der Verbrauch ist aber etwas hoch – wie es seine Grösse vermuten lässt.

Fahrwerk 17/20

Von den 2.7 Tonnen Leergewicht merkt man beim Fahren wenig. Der EV9 fühlt sich mehr wie ein Zweitönner an. Also schon schwer, aber nicht schwerfällig. Der Federungskomfort ist top, die Lenkung genug präzise.

Innenraum 29/33

Wer viel Platz braucht und diesen möglichst variabel nutzen will, wird mit diesem Auto glücklich. Riesiges, flexibel justierbares Raumangebot.

Sicherheit 15/18

An den Messwerten gibt es nichts zu mäkeln (gute Bremsen!), an den Assistenten schon. Die helfenden funktionieren top, die warnenden nerven derart, dass man sie bald ignoriert oder gleich deaktiviert.

Budget 10/12

Kurze Optionenliste, aber saftige Grundpreise. Wer den Kia sieht, findet den Preis vielleicht zu hoch. Wer das Auto sieht und das Segment, in dem es antritt, wird feststellen, dass es woanders noch weit teurer geht.

Trotz viel Kunststoff (auf echtes Leder verzichtet Kia komplett) wirkt der Innenraum des EV9 hochwertig. Das Raumkonzept scheint von A bis Z durchdacht. 

The Car of the Year 2024

Der Kia EV9 ist einer der sieben Finalisten für den 
Car of the Year Award, den die AUTOMOBIL REVUE mitorganisiert. Der Gewinner wird Ende Februar 
2024 verkündet.

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