Honda CR-V e:HEV – Weltenbürger

AR-Testteam | 25.01.2024

Japan-SUV Ein Auto für alles und jeden. Der Honda CR-V e:HEV will die ganze Welt
glücklich machen. Ob es ihm gelingt?

Dass man sich verspätet, kann passieren, beliebt macht man sich damit aber nicht. Das gilt an vielen Ecken der Welt, auch in Japan. Der neue Honda CR-V kommt mit ganzen zwei Jahren Verspätung nach Europa. Aber seis drum, jetzt ist da – und wir können ihn testen.

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Klare Kante beweist der Neue und hebt sich dadurch deutlich von seinem knubbeligeren Vorgänger ab. Formensprache und Designlinien lassen das Fahrzeug gänzlich neu erscheinen. Die schmalen Scheinwerfer und die steile Front markieren einen selbstbewussten Auftritt. Die gelben Positionsleuchten an den vorderen Kotflügeln sind wohl noch ein Überbleibsel nordamerikanischer Verkehrsordnung. Besonders gefällig ist die seitliche Bundfalte, die sich über die gesamte Fahrzeuglänge erstreckt. Auch am Heck wurde aufgeräumt, die Sicken und Schnörkel des Vorgängers sind deutlich geglättet. Ob gewollt oder nicht, viele Elemente erinnern an die nüchterne Formensprache skandinavischer Fahrzeughersteller.

Selbstbewusster Auftritt dank neuer ­Formensprache und Designlinien – trotz Verspätung in Europa: Honda CR-V.

Der avantgardistische Stil der Aussenhülle wird im Fahrzeuginneren weitergeführt. Über die gesamte Breite des Cockpits wurde eine Wabenstruktur eingelassen, hinter der sich die Belüftungskanäle verstecken. Positiv ist, dass nicht alles und jede Funktion in die berührungsempfindliche Schaltzentrale gepackt wurde. Die Klimaanlage und Komfortfunktionen lassen sich konventionell mit Tasten und Drehreglern einstellen. In der Mittelkonsole wird die Getriebestufe neu mittels Drucktasten angewählt, in der Ablage davor lässt sich ein Mobiltelefon induktiv oder per Kabel aufladen. Der Innenraum wirkt sehr aufgeräumt und kühl, manchem gar etwas zu uninspiriert. Durch das Glasschiebedach ist der Innenraum lichtdurchflutet, was zusammen mit den grosszügigen Platzverhältnissen für ein angenehmes Raumgefühl sorgt. Auch Reihe zwei profitiert von viel Kopf- und Beinfreiheit, was auch der um rund 20 Zentimeter verschiebbaren Rückbank zuzuschreiben ist. Als störend empfunden wird hingegen die Sitzposition. Honda selbst preist die Sitze als körperstabilisierend an, tatsächlich fühlt es sich an, als sitze man auf einem Gymnastik-Sitzball. Bei dynamischer Fahrt ist dieses seitenhaltlose Beckenbodentraining arg störend.

Was ihn antreibt

Der Honda CR-V e:HEV ist ein Vollhybrid, tankt ausschliesslich Benzin, kann aber konventionell und elektrisch fahren. Die Kraft wird mittels Kardanwelle auch an die Hinterachse abgegeben, der CR-V ist somit ein Allradler.

Grundsätzlich kann man zwischen drei Betriebsarten unterscheiden. Rein elektrisches Fahren geht beispielsweise im Stadtverkehr bei niedrigen Geschwindigkeiten ohne übermässigen Leistungsbedarf sehr gut. Mit der 1.4 kWh kleinen Hybridbatterie können kurze Strecken ohne Verbrenner zurückgelegt werden. Der Hybrid-Modus ist bei mittleren Geschwindigkeiten und im Teillastbereich der Modus der Wahl. Der mechanische Antrieb des Verbrenners wird dabei vollständig entkoppelt, der Motor dient ausschliesslich der Stromerzeugung, da die Räder elektrisch angetrieben werden. Das dritte Arbeitsmodell wird laut Honda nur dann aktiv, wenn die Lastanforderung dem Effizienzbereich des Verbrennermotors auch wirklich entspricht. Also eher bei Überlandtempo und Autobahnetappen ohne starkes Beschleunigen. Oberhalb dieser Effizienzgrenze spannen beide Antriebskonzepte zusammen und geben ihr Maximum.

Um den Bereich, in dem der Verbrenner effizient arbeitet, möglichst gross zu halten, spendierte Honda dem neuen Modell bei der Kraftübertragung eine zweite, zusätzliche Getriebeübersetzung und preist diese als grossen Fortschritt an. Liebe Honda-Ingenieure, so mancher Hersteller verwendet ein Getriebe mit sechs oder mehr Gängen. Eigentlich alle anderen, um genau zu sein.

Wie er fährt

Fahren wird im Honda CR-V e:HEV zu einer angenehmen Nebensache. Das Zusammenspiel von Verbrenner und Elektroantrieb ist sehr harmonisch, die Insassen vernehmen nur das sonore Brummen des Verbrenners. Sieht man sich die Energieflussanzeige an, so wechseln Antriebsart und auch Stromfluss wild hin und her, der Fahrer bekommt davon aber nichts mit, im Verkehr mitzuschwimmen, funktioniert ausgezeichnet. Auf der Teststrecke konnte die Werksangabe für den Sprint von 0 auf 100 km/h von gemütlichen 9.5 Sekunden bestätigt werden. Wird schnell viel Leistung gefordert, jault der Verbrenner angestrengt und laut auf. Werte auf Sportwagenniveau sollte man trotzdem nicht erwarten, der Honda CR-V e:HEV will nicht gehetzt werden, sondern bevorzugt es ruhig und sicher. Und sicher ist er. Bei Aussentemperaturen von fünf Grad, regennasser Fahrbahn und mit Winterbereifung und einem Gewicht von fast zwei Tonnen fallen Bremswege von unter 38 Metern positiv auf.

Gute Verarbeitung, klares Design und grosszügige Platzverhältnisse auf allen Plätzen. Die Fondtüren lassen sich nahezu rechtwinklig öffnen, was das Einladen und Festzurren zappelnder Kinder vereinfacht.

Das Fahrwerk macht seine Sache bei ruhiger Fahrweise ganz ordentlich. Bei schlechter Strassenoberfläche spürt man hingegen ein Aufschwingen, das Fahrzeug bewegt sich stärker auf und ab, als es müsste. Die Rückmeldungen am Lenkrad werden dadurch getrübt und ausgleichende Kurskorrekturen nötig. Mit etwas weniger Tempo kann man dieser Unruhe aber effizient entgegenwirken.

Der Allradantrieb überzeugt mit guter Traktion auch im Schnee. Doch leider läuft der Allrad auch bei hohen Autobahntempi aktiv mit, statt sich verbrauchsoptimierend auszuschalten. Das mag dazu beigetragen haben, dass der Verbrauch auf Autobahn und Landstrassen fast zweistellig wurde. Auf der Normrunde betrug er mit etwas voraus­schauender Fahrweise 6.9 l/100 km.

Die Basispreise für den beidachsig angetriebenen Vollhybrid beginnen bei 55 990 Franken, für die bessere Ausstattung Advance verlangt Honda noch einmal 3000 Franken mehr. Das ist eine Stange Geld, und gerade bei Familien entscheidet oft das Budget über den Kauf. Im Vergleich zur asiatischen Konkurrenz von Nissan X-Trail oder Kia Sorento liegt der Honda damit etwas höher. Für einen vergleichbar ausgestatteten Europäer muss man jedoch nochmals tiefer in die Tasche greifen. Dafür bietet der Honda CR-V mit dem Allradantrieb eine komfortable SUV-Alternative SUV.

Testfazit

Honda verlangt für den CR-V e:HEV eine stolze Summe, aber mit seiner guten Ausstattung, dem grosszügigen Platzangebot und seiner schnittigen Optik braucht sich der Japaner vor der Konkurrenz nicht zu verstecken. Kleinere Schwächen können den allgemein positiven Gesamteindruck nur wenig trüben.

Testergebnis 70/100

Antrieb 14/20

Harmonische Zusammenarbeit von Verbrenner und E-Motor. Zum Mitschwimmen ausreichend motorisiert. Nur unter Volllast lärmig, ansonsten schön dezent im Hintergrund.

Fahrwerk 11/17

Dynamisch mag es der Honda CR-V nicht sonderlich. Da das Fahrzeug auf schlechtem Untergrund gern mitschunkelt, einfach Tempo herausnehmen. Angenehm komfortable Abstimmung.

Innenraum 20/28

Grosszügige Abmessungen und solide Verarbeitung. Die geteilt verschiebbare Rückbank ist top, das Infotainment etwas klein, die DAB-Senderliste seltsam sortiert und das Navi oft orientierungsloser als der Fahrer.

Sicherheit 11/15

Bremsen verzögern gut. Fahrassistenzsysteme funktionieren gut. Schade, dass die Totwinkelkamera nur beim Rechtsabbiegen in Funktion tritt.

Budget 14/20

Welches Auto ist schon günstig? Auch der Honda CR-V e:HEV ist es nicht wirklich, dennoch ist er eine komfortable und schicke SUV-Alternative.

Fotos: Vesa Eskola, Text: Tristano Gallace

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