Alfa Romeo Giulia Quadrifoglio – Furia rossa

AR-Testteam | 08.02.2024

Facelift Alfa Romeo hat seinen viertürigen Sportwagen überarbeitet. Die Giulia Quadrifoglio erhielt etwas mehr Temperament, eine verbindlichere Agilität und einen neuen Augen­aufschlag, wurde sonst aber nicht gross angefasst. Gott sei Dank.

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Ganz zu Beginn etwas Wichtiges: Dieser Testbericht ist nicht allzu objektiv, wir waren beim Verfassen ziemlich blind vor Liebe. Einmal mehr, denn seit es dieses Auto, diese Traumfrau auf Rädern, gibt, ist man ihm respektive ihr verfallen. Daran können weder ihr Alter – mit einer Bauzeit von acht Jahren gilt sie in der Autowelt schon fast als Seniorin – noch die eine oder andere Schrulligkeit etwas ändern. Wer nackte Zahlen und harte Fakten sehen will, möge die technischen Daten und vor allem die Messwerte konsultieren. Hier, in diesem kleinen Liebesessay, geht es grösstenteils um Gefühle. Fast immer wenigstens. Einige Infos wollen wir unseren Lesern aber natürlich nicht vorenthalten.

Ein bisschen Schönheitschirurgie

Die Giulia Quadrifoglio hat kleine kosmetische Retuschen über sich ergehen lassen müssen. Obwohl sie immer noch wunderbar aussah, geht das halt nicht anders in dieser erbarmungslosen Autowelt, wo etwas heute Neues morgen schon wieder veraltetet ist. Schon vor vier Jahren legten Alfas Schönheitschirurgen Hand an, werteten das Innenleben der Dame etwas auf, für die Quadrifoglio-Version gab es noch neue Farben und abgedunkelte Heckleuchten. Auch bei der jüngsten Überarbeitung kümmerten sich die Designer ums Licht – diesmal speziell vorne. Das Gesicht trägt jetzt die gleiche Augensignatur wie der Tonale, die vom SZ Zagato aus den 1990er-Jahren abgeleitet ist. Die Scheinwerfer sehen nicht nur neu aus, sondern verfügen auch über eine bessere Technik, leuchten statt wie bisher mit Xenonbirnen als adaptive Voll-LED-Matrixeinheiten.

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Der Augenaufschlag zitiert jetzt den Tonale, der wiederum an den SZ Zagato der 1990er erinnert.

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Es gibt viel Karbon, innen schön sichtbar, aussen unter anderem bei der Haube des famosen V6-Biturbomotors zu finden.

Von aussen nicht zu erkennen ist, dass die Motorhaube aus Kohlefaser besteht. Dieser Werkstoff ist dafür umso präsenter im Interieur, zeigt sich nun in roher 3-D-­Sichtoptik auf Armaturentafel, Mitteltunnel und Türverkleidungen. Wie bis anhin glänzende Karbondekoreinsätze hat das Volant. Und auch sonst ist das Interieur ziemlich gleich wie schon bei der Lancierung des Modells anno 2016, sieht man von der obligatorischen Digitalisierung des Cockpits ab. Die ist bei der Giulia analog zum Stelvio (Test AR 4/2024) eher zurückhaltend ausgefallen, lässt einige, aber nicht viele Anpassungsmöglichkeiten zu. Eine vollflächige Darstellung der Navigationskarte ist zum Beispiel nicht im Angebot. Am meisten Einfluss auf die Grafik hat die Wahl des Fahrmodus über das markentypische DNA-Drehrad. Sehr gut ablesbar sind die Informationen aber immer, auch jene auf dem für heutige Verhältnisse sehr bescheiden anmutenden 8.8-Zoll-Touchscreen des Infotainmentsystems.

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Vorne sitzt es sich hervorragend, das Platzangebot hinten ist etwas dürftig, dafür lassen sich die Rücksitzlehnen umklappen.

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Nicht so wichtig bei einem Auto dieses Kalibers ist das Platzangebot. Trotzdem dürfte es für die hinteren Passagiere schon etwas mehr Luft geben, für Grössergewachsene wird es eng. Immer noch. Vorne sitzt es sich derweil exzellent auf bequemem Sportgestühl mit viel Seitenhalt. Immer noch. Verarbeitung und Materialauswahl liegen je nachdem, wohin man blickt, irgendwo zwischen fantastico und etwas mau. Immer noch. Die Komfortausstattung ab Werk inklusive Harman-Kardon-Soundsystem, Lenkradheizung, beheizten und elektrisch verstellbaren Vordersitzen und vielen Infotainmentfunktionen ist immer noch gut. Aber einige Dinge wie etwa belüftete Sitze oder ein Head-up-Display gibt es – immer noch nicht.

Immer noch berauschend

Wir haben einen Liebesessay versprochen, jetzt ist es doch fast eine öde Aufzählung verschiedener Basisinformationen geworden. Bislang. Denn jetzt geht es ans Fahren. Und wer sich von der Optik der Giulia Quadrifoglio nicht überzeugen lässt, dürfte spätestens jetzt weiche Knie bekommen. Jedenfalls, wenn nur ein paar Tropfen Benzin in seinem Blut fliessen. Oder in ihrem, denn natürlich kommen auch Pilotinnen mit diesem Auto auf ihre Kosten. Es fährt sich nämlich mit einer Leichtigkeit, die ihresgleichen sucht. Wie eine Ballerina tänzelt es über die Strasse. Wobei tänzeln vielleicht nicht der passende Ausdruck ist, denn hoppelnde Bewegungen kennt es nicht. Nur messerscharfe Präzision. Die Lenkung ist extrem direkt und vermittelt dank ihrer ausgezeichneten Rückmeldung sehr viel Vertrauen, die elektronisch geregelten Dämpfer halten die Fuhre in Verbindung mit dem ausgeklügelten Fahrwerk, das vorne über Doppelquerlenker mit semivirtueller Lenkachse und hinten über eine Multilinkaufhängung verfügt, souverän in der Spur. Standfeste, fein dosierbare Bremsen, ein für diese Klasse heutzutage tiefes Leergewicht von rund 1750 Kilogramm und die dem Optimum recht nahe kommende Gewichtsverteilung von 53:47 erledigen den Rest.

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Rot ist die Farbe der Liebe. Der Giulia Quadrifoglio steht sie gut.

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Der Antrieb ist ebenfalls sehr verbindlich. Das von einem Ferrari-Motor abgeleitete V6-Biturbo-Aggregat mit 2.9 Litern Hubraum hat im Zuge der Modellüberarbeitung zehn Extra-PS bekommen und schickt jetzt 382 kW (520 PS) an die Hinterachse. Gleich geblieben ist das maximale Drehmoment von 600 Nm, das wie anhin bei 2500 Umdrehungen anliegt. Verwaltet werden Leistung und Kraft ebenfalls wie bis anhin von einer ZF-Achtgangautomatik. Was seit 2016 wunderbar funktioniert, klappt auch 2024 einwandfrei: Schaltcharakteristik und Gangabstufung überzeugen auf ganzer Linie. Die aus dem Vollen gefrästen, feststehenden Aluminium-Schaltpaddles lässt man gerne links und rechts stehen. Mit konventioneller Handschaltung gibt es die schnelle Giulia leider schon lange nicht mehr, aber die Automatik erledigt ihren Job wirklich bene. Das gilt auch beim Beschleunigen: Auf der Teststrecke fiel die 100-­
km/h-Marke zwar eine halbe Sekunde später als schon nach den versprochenen 3.9 Sekunden, aber das kann «Julia» mit den winterlichen Bedingungen gut entschuldigen. Die 308 km/h Topspeed glauben wir ihr einfach einmal.

Tückische Geliebte

Uneingeschränktes Liebesglück also? Kommt ganz darauf an, wen die Giulia Quadrifoglio zum Partner bekommt. Gerüchtehalber soll etwa jede dritte Giulia mit Kleeblatt an den Flanken über den Jordan gegangen oder mindestens einmal unfallrepariert worden sein. Die Gerüchteküche betont dabei auch: Sie war nie schuld, immer nur der Fahrer. Wer sich im Grenzbereich nicht auskennt, sollte das Auto auch nicht dorthin führen. Sonst muss er sich nicht wundern, wenn ihm die Teller um die Ohren fliegen – respektive das Heck. Mit Winterbereifung ist das Ausbruchpotenzial naturgemäss nochmals grösser. Nicht dass wir uns falsch verstehen, die Giulia Quadrifoglio hat wirklich sehr viel Geduld, wird erst bei starker Provokation rabiat und lässt sich auch dann noch schnell wieder besänftigen. Aber wer es übertreibt, sich mit Autos dieser Liga nicht auskennt und voller Übermut durch Aktivieren des Fahrmodus Race sämtliche Schutzengel in den Dornröschenschlaf schickt ...

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Den Fahrmodus Race sollte man wirklich nur aktivieren, wenn man sich im Grenzbereich wohlfühlt.

Den Race- und eigentlich auch den Dynamic-Modus braucht es im Alltag im Prinzip ohnehin nicht. Die Giulia fährt sich schon im Natural Mode und sogar im etwas gedrosselten Advanced Efficiency Mode ganz anständig. Der Ton der serienmässigen Auspuffanlage klingt dabei angenehm sonor, wirklich laut wird es selbst bei Vollgas nicht. Dass es für mehr und besseren Lärm (manche mögen das ja) entweder die nur im optionalen Pack Performante erhältliche Akropovic-Auspuffanlage oder, mit den Standardtöpfen, zwingend den Moduswechsel zu Dynamic oder gar Race braucht, ist etwas schade, passt aber zu verschiedenen anderen Extrasalami, die sich die Giulia erlaubt. Vor allem hinsichtlich ihrer Assistenzsysteme.

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Serienmässig fährt der viertürige Sportwagen mit dem Assistentenpaket ADAS+ vor. Dieses beinhaltet neben den üblichen Verdächtigen wie Notbremsassistent, adaptivem Tempomaten und Spurhalteassistent auch einen Autobahnassistenten. Der legt seine Arbeit aber gern immer wieder kurz nieder, moniert schon bei einer rechts vorbeiziehenden Ausfahrt, er sehe keine adäquaten Linien mehr. Stichwort Sehen: Dass der Notbremsassistent bei etwas stärkerem Regen die Quittierung seines Dienstes mitteilt, erschliesst sich dem selbst nur mit durchschnittlichen Augen ausgestatteten Testfahrer nicht ganz. Denn er sieht immer noch genug – ist ja kein Monsun hier. Es gäbe noch von einigen weiteren, kleineren Assistenten-Fails zu berichten – unter anderem davon, dass der Spurhalte­assistent das Auto zwar in der Spur hält, aber eher selten in deren Mitte. Aber sagen wir es einfach so: Die Dame hat halt ihren eigenen Kopf.

Jeden Rappen wert

Immerhin erlaubt sie, verglichen mit anderen neuzeitlichen Automobilen, auch der Person hinter dem Lenkrad eine grosse Selbständigkeit. So darf man beispielsweise dem intelligenten Tempoassistenten eine Toleranz von bis zu zehn Kilometern pro Stunde vorschreiben. Und selbst wenn man den tolerierten Wert überschreitet, warnt er nur ganz kleinlaut. Herrlich, dass es so etwas heute noch zu kaufen gibt. Dass man dafür mindestens 105 900 Franken aufwerfen muss, wäre eigentlich kein Problem, wenn man das Geld hätte. Gut angelegt ist es für jemanden, der Benzin im Blut (und genug Kohle auf dem Konto) hat, auf jeden Fall. Wenn wir von Benzin reden: Davon braucht die Giulia Quadrifoglio reichlich, für das Gebotene geht ihr Durst aber völlig in Ordnung. Auf der AR-Normrunde blieb sie klar unter 10 l/100 km. Der hohe Autobahnverbrauch (s. Messwerte) beruht auf Fahrten in Deutschland ohne Tempolimit.

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Kein neuer, aber immer noch ein schöner Anblick: An der Grundform der Giulia Quadrifoglio hat Alfa Romeo nichts geändert.

Der Verbrauch und auch das Geld spielen keine Rolle? Es gäbe noch das besagte Pack Performante für 10 000 Franken Aufpreis, das neben der Akropovic-Auspuffanlage auch noch ein unlackier­tes Karbondach bietet. Oder gleich die Giulia Quadrifoglio Competizione für 133 900 Franken. Die hat obendrein Kohlefaser-Schalensitze und eine Kohlefaser-Keramik-Bremsanlage. Keinen einzigen Franken extra kostet übrigens die Lackierung Rosso Alfa unseres Testwagens. Rot ist ja auch die Farbe der Liebe, und die sollte schliesslich immer gratis sein, wenn sie echt sein soll. 

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Unser Testwagen hatte die Standardbremsen montiert. Optional gibt es Kohlefaser-Keramik-Stopper.

Testfazit

Wer Autos mag, wird die Giulia Quadrifoglio lieben. Sie ist auch nach dem Facelift beileibe nicht perfekt, hat aber so viele begeisternde Seiten an sich, dass man ihr fast zwangsläufig verfällt. Angefangen beim Antrieb mit einer Sinfonie aus V6-Biturbo, perfekt abgestimmter Automatik und selbst mit dem Serienauspuff tollem Sound. Auch das Fahrverhalten ist top, solange man weiss, was man tut.

Testergebnis 84/100


Antrieb 28/30

Das, worauf es bei einem Sportwagen (und nichts anderes ist dieses Auto trotz seiner vier Türen) mit am meisten ankommt, ist schlicht famos. Kraft und Leistung sind im Überfluss vorhanden, spontan abrufbar und hervorragend verwaltet von der ZF-Achtstufenautomatik.

Fahrwerk 17/20

Es braucht viel, bis sie kommt. Aber wenn sie kommt, dann heftig. Wer genug Respekt hat und sich im Grenzbereich auskennt, hat viel Spass. Das mechanische Sperrdifferenzial ist das i-Tüpfelchen. Lenkung? Spitze!

Innenraum 15/20

Platz so lala, Materialauswahl und Verarbeitung teils ebenfalls, teils aber auch sehr schick. Hübsch sieht indes alles aus. Vorne sitzt man perfekt.

Sicherheit 12/15

Die Standardbremsen sind gut, für die Rennstrecke ist die teurere Giulia Quadrifoglio Competizione mit Kohlefaser-Keramik-Anlage besser. Die Fahrassistenten spielen eine Art italienisches Jazzkonzert. Sie beherrschen viele Instrumente, aber so richtig durchdacht wirkt wenig.

Budget 12/15

Über 100 000 Franken sind sehr viel Geld. Trotzdem: ein Schnäppchen.

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Die Limousine trägt, wie das SUV Stelvio, Heckleuchten in Rauchglasoptik. Die Karbon-Abrisskante ist Serie.

Viele hübsche Details werten den Innenraum auf. Verarbeitung und Materialauswahl sind teils sehr gut, teils Durchschnitt.

Fotos: Vesa Eskola, Text: Simon Tottoli

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