Doppelrolle Aus C und E wurde CLE. Das neue Coupé muss jetzt in zwei Segmenten auf Kundenfang gehen. Wie gut die Klassenfusion gelungen ist, zeigt der Test des CLE 300.
Es sieht schlecht aus für Fans sportlich-eleganter Coupés. Viele Hersteller haben die schicke Karosserieform komplett aufs Abstellgleis gestellt, andere streichen das Angebot zusammen. So auch Mercedes-Benz, wo zwar gefühlt jedes SUV-Modell auch als Coupévariante angeboten wird, für echte Coupés mit zwei Türen aber nicht mehr allzu viel Herz vorhanden zu sein scheint. In jüngster Zeit ist das S-Klasse-Coupé genauso aus dem Konfigurator verschwunden wie die jeweiligen Coupéversionen von C- und E-Klasse. Immerhin bieten die Schwaben für diese zwei aber einen gemeinsamen Ersatz an, nämlich den CLE Coupé. Ein ähnliches Auto gab es schon einmal. Es hiess CLK, basierte auf der C-Klasse und machte mit seiner Optik einen auf E-Klasse.
Aussen mehr E als C
Der CLE mixt derweil Designelemente der aktuellen Generationen der C- und E-Klasse und bringt es dabei fertig, durchaus als eigenständiges Modell daherzukommen. So gesehen ist diese Zwangsfusion fürs Auge fast ein Mehrwert, denn speziell von vorne sah man nicht wirklich einen Unterschied zwischen den C- und E-Limousinen und ihren Coupépendants. Der Look des CLE wirkt derweil emanzipiert und gleichzeitig sportlich. Das hat sicher auch mit seiner beachtlichen Länge von 4.85 Metern zu tun, die im Verbund mit der wortwörtlich überschaubaren Höhe von etwas mehr als 1.4 Metern für eine gestreckte Silhouette sorgt.
Zwei Klassen in einem Modell: Das CLE Coupé ersetzt die Coupés der C- und E-Klasse. Und das gelingt nicht nur optisch sehr gut.
Obwohl der CLE rund zehn Zentimeter kürzer ist als eine E-Klasse und nur deren fünf länger als die C-Klasse, sehen wir das Coupé näher am grossen E. Das Auto wirkt wie ein Vertreter der oberen Mittelklasse. Da erscheint der Einstiegspreis für den CLE 200 4Matic Coupé von 66 500 Franken beinahe wie ein Schnäppchen, denn die günstigste E-Klasse-Limousine (E 200, 150 kW/204 PS) kostet mindestens 70 862 Franken und bietet für diesen Preis weder den 4Matic-Allradantrieb noch den exklusiven Coupélook (der bekanntlich immer etwas mehr kostet). Die C-Klasse gibt es zwar schon ab 59 219 Franken, zu diesem Preis aber nur als C 180 mit 125 kW (170 PS) und notabene ebenfalls ohne Allradantrieb.
Innen mehr C als E
Entern wir jetzt aber das Innere unseres Testcoupés in der Variante CLE 300 4Matic, dessen Vierzylinder-Turbobenziner unter der lang gezogenen Motorhaube 190 kW (258 PS) leistet. Hier wird relativ schnell deutlich, dass zumindest der Preisvorteil gegenüber der E-Klasse nicht mit einer neuen Grosszügigkeit von Mercedes-Benz zu tun hat, sondern mit den Genen. Denn der CLE teilt sich die Cockpitlandschaft fast 1:1 mit der C-Klasse. Das bedeutet, vor dem Fahrer gibt es ein freistehendes 12.3-Zoll-Fahrerdisplay und einen teilintegrierten 11.9-Zoll-Zentralbildschirm im Hochformat. Teilintegriert, weil der Bildschirm ab der Mittelkonsole noch bündig verläuft, sich nach oben hin aber leicht vom Armaturenbrett absetzt. In der E-Klasse wirkt alles mehr wie aus einem Guss, aber verglichen mit den achtlos platzierten Screens früherer Mercedes-Modelle darf die Lösung im CLE immer noch als elegant gelten.
Viel Licht, wenig Schatten: Materialien und Verarbeitung können überzeugen, das Gleiche gilt für das Platzangebot und den durchaus praxisgerechten Kofferraum.
Elegant gelingt auch der Einstieg in den CLE Coupé, zumindest vorne. Die sich weit öffnenden Türen erlauben einen bequemen Zugang zu den ebenfalls sehr bequemen Sitzen unseres Testwagens. Platz gibt es hier mehr als genug, man fühlt sich luxuriös untergebracht und erfreut sich an hübschen Materialien und einer sauberen Verarbeitung. Die in der Ausstattung AMG Line Premium Plus (schlappe 8000 Fr. Aufpreis) enthaltene Ambientebeleuchtung setzt dem ganzen noch das i-Tüpfelchen auf. Aber wie heisst es so schön: Wo Licht ist, ist auch Schatten. Das Bedienpanel für die elektrische Sitzverstellung (Serie) knarzt unschön, und die intuitiv angeordneten Schalter sind jetzt nicht mehr beweglich, sondern reagieren nur noch auf Impulse. Das ist fummelig. Ausserdem kann ein 1.80 Meter grosser Fahrer daran und auch an der Lenkradverstellung herumzwirbeln, wie er will, einen vollständigen Blick aufs Zentraldisplay erhält er nie – der Lenkradkranz verdeckt immer einen Teil des oberen Bildschirmbereichs.
Für ein Coupé sehr geräumig
Zum Glück hat unser Test-CLE aber ein Head-up-Display (bei AMG Line Premium Plus inklusive), das diverse Informationen kontinuierlich sichtbar auf die Windschutzscheibe projiziert. Eigentlich fast zu viele, denn die Gesamtansicht mit Navikarte, Tempolimitanzeige und Routenanweisungen lenkt von den wichtigsten Dingen – der Strasse und der gefahrenen Geschwindigkeit – ab. Letztere lässt sich aber in einem reduzierten Modus einblenden, sodass der Blick nach vorne frei bleibt. Uns graut ein bisschen vor den kommenden Mega-Head-up-Displays, die sich über die ganze Scheibe ziehen. Aber das ist ein ganz anderes Thema und soll nicht vom Aufenthalt im CLE Coupé ablenken.
Das Cockpit stammt in weiten Teilen aus der C-Klasse. Warum das Instrumentendisplay teilweise vom Lenkrad verdeckt sein muss, wissen wir nicht.
Auf den Rücksitzen gestaltet sich dieser ebenfalls sehr angenehm. Zwar ist der Zugang bauartbedingt etwas mühsam und erfordert zumindest leichte Akrobatikfähigkeiten, danach findet man aber unerwartet viel Platz vor. Ja, hier lässt es sich tatsächlich auch auf längeren Strecken gut aushalten, wenn man nicht gerade Basketballprofiformat hat oder unter Klaustrophobie leidet – die sehr schmal geschnittenen Seitenfenster wirken im Fond etwas beengend. Ansonsten aber passt das C-Klasse-Format – mit 2865 Millimetern weisen CLE und C-Klasse den identischen Radstand auf – bestens für vier Personen. Hinter den Rücksitzen ist das Coupé sogar noch ein paar Millimeter länger als die Limousine. Es hat zwar mit 420 Litern Volumen einen um 35 Liter kleineren Kofferraum, aber wir reden hier immer noch von einem Coupé. Und weil die Ladeöffnung durch die grosse Heckklappe relativ breit ist und sich die Rückenlehnen umklappen lassen, eignet sich der CLE Coupé sogar für die eine oder andere kleine Transportaufgabe.
Freude am Cruisen
Solche will man dem CLE Coupé natürlich nicht allzu oft zumuten, schliesslich zelebriert diese Karosserieform mehr den Genuss als die Arbeit. So cruist der Benz elegant und komfortabel durch die Lande und gibt sich dabei dank des im Testwagen verbauten Technikpakets (2255 Fr.) mit Hinterachslenkung und verstellbaren Dämpfern sehr agil. Das Auto fühlt sich deutlich kompakter an als es eigentlich ist, wirkt dabei aber absolut souverän. Genauso wie die Assistenzsysteme, da macht den Schwaben wirklich niemand etwas vor. Es ist zwar gelinde gesagt etwas dreist, in Zeiten (und Preisklassen) wie diesen für einen Abstandstempomaten immer noch mindestens 464 Franken Aufpreis zu verlangen, gleichzeitig muss aber konstatiert werden, das etwas, das so gut funktioniert, halt auch seinen Wert hat. Und immerhin ist der nicht minder hervorragende Sprachassistent MBUX serienmässig an Bord, der mit seinem riesigen Funktionsumfang die fummeligen Slidertasten auf dem Lenkrad teils überflüssig macht.
Der markentypische 4Matic-Allradantrieb ist bei den Schweizer CLE-Versionen immer Serie.
Für knapp 100 000 Franken (so viel kostet unser Testwagen inklusive Extras beinahe) darf man aber auch einen gewissen Standard erwarten. Der Antrieb erfüllt diese Erwartungen zu grossen Teilen, aber nicht gänzlich. Zwar versprüht der Vierzylinder, der mittels 48-Volt-Mildhybridarchitektur noch 17 kW (23 PS) elektrische Boost-Unterstützung beisteuern kann, einige Spritzigkeit, und untermotorisiert fühlt sich mit diesem Auto niemand. Aber wer sich noch an die seidigen Sechszylinderklänge aus früheren Tagen erinnert, kann die Ohren vor dem leicht angestrengten Klang bei Volllast einfach nicht verschliessen. Dieser und die sehr sanft schaltende Neunstufen-Automatik machen den CLE 300 Coupé vollends zu einem Cruiser, der zwar fraglos sportlich fahren kann, dabei aber etwas von seiner Eleganz einbüsst. Macht nichts: So bleibt der für ein Auto dieser Liga tiefe Verbrauch (nur 6.1 l/100 km auf der AR-Normrunde) auch schön tief. Und wer lieber rast, statt zu cruisen, kann ja zum AMG CLE 53 greifen. Oder wenigstens zum CLE 450 mit Sechszylinder.
Testergebnis 77/100
Antrieb 20/30
Die Fahrleistungen sind wirklich ausreichend, der Verbrauch ist beinahe schon sensationell tief. Aber ein Vierzylinder will einfach nicht so richtig zu diesem Auto passen, die souveräne Neungang-Automatik umso mehr.
Fahrwerk 16/20
Mit den aufpreispflichtigen adaptiven Dämpfern findet der Benz immer eine gute Mischung zwischen Sport und Komfort – Cruisen liegt ihm trotzdem besser als Rasen. Auffällig laute Reifenabrollgeräusche.
Innenraum 17/20
Tatsächlich bietet der CLE Coupé im hübschen Interieur genug Platz für vier Erwachsene. Und auch deren Gepäck, wenn sie es nicht übertreiben.
Sicherheit 12/15
Im Hinblick auf die Funktionalität der Assistenten und die Spurtreue keine Kritik. Die fummeligen Slidertasten auf dem Lenkrad sorgen aber für Abzüge. Der Bremsweg ist dafür in Ordnung.
Budget 12/15
Vier Fünftel der möglichen Punkte für einen Mercedes im Budgetkapitel?! Nun ja, günstig ist der CLE Coupé natürlich nicht, für einen Benz aber fast schon preiswert. Und Allrad ist in der Schweiz immer Serie.
Testfazit
Der Mercedes CLE 300 ist ein Coupé, wie man es sich wünscht. Elegant gezeichnet, einigermassen sportlich und gleichzeitig komfortabel genug für die grosse Fahrt. Das Reisen wird mit den ausgezeichnet funktionierenden Assistenten zum Genuss. Am störendsten ist das teils vorlaute Benehmen des Vierzylindermotors. Und die ellenlange Optionenliste geht schnell ins grosse Geld.
Der CLE ersetzt nicht nur die Coupévarianten von C- und E-Klasse, sondern auch die Cabrios. Mercedes-Benz hat die offenen Varianten mit einer Fahrveranstaltung auf Teneriffa offiziell lanciert und bietet für das Cabrio in der Schweiz die gleichen Antriebsoptionen an wie für das Coupé. Es gibt jeweils mildhybridisierte Vierzylinder mit 150 kW (204 PS) oder 190 kW (256 PS) sowie einen Sechszylinder mit 280 kW (381 PS). Alle Motorisierungen verfügen über die Neunstufen-Automatik und Allradantrieb. Eine AMG-Version folgt später, der für das Coupé geplante Plug-in-Hybrid aber wohl nie. Ansonsten ähnelt der CLE Cabrio dem CLE Coupé, mit Ausnahme natürlich des Stoff-Akustikverdecks, das sich in 20 Sekunden öffnet (bis 60 km/h auch während der Fahrt). Zudem lässt sich das Zentraldisplay in der Neigung verstellen, um die Ablesbarkeit je nach Sonneneinstrahlung zu gewährleisten. Teurer ist das Oben-ohne-Modell natürlich auch: Als CLE 200 4Matic startet das Cabrio bei 74 200 Franken.
Fotos: Vesa Eskola, Mercedes-Benz Text: Simon Tottoli