Neue Kombination Der Schweizer BMW-Topseller erhält eine Topmotorisierung. Auf dem Papier ist der X1 M35 zwar kein richtiges M-Modell, verhält sich in vielen Situationen aber so.
Vier Zylinder und zwei Liter Hubraum dürften wohl die nur die wenigsten Autoenthusiasten vom Hocker reissen. Klar, die mögliche Leistungsausbeute ist beeindruckend, man denke beispielsweise an Mercedes-AMG. Auch für andere ist die 300-PS-Grenze keine grosse Hürde mehr und die Menge der Athleten darüber gross. Was aber meist fehlt im Vergleich zu den grösseren Maschinen sind die Souveränität und der Klang. Auch der BMW X1 M35i zeigt nach aussen nur sanft an, dass er die 300-PS-Hürde gerade so überspringt.
Grund zum Jubeln gäbe es genug, immerhin waren in der Vorgängergeneration 231 PS das höchste der Gefühle. Das Erstlingswerk gab es überdies mit einem Dreiliter-Reihensechszylinder und 306 PS, jedoch nur in Amerika. Über den Erfolg, hierzulande seit Längerem der beliebteste BMW zu sein, und die Tatsache, mit einem Sportmodell ohne jegliche E-Unterstützung belohnt zu werden, freut sich der X1 innerlich. Die künstliche Geräuschkulisse sorgt für ein authentisches, aber auch übertriebenes Klangerlebnis. Wird der Iconic Sound deaktiviert, herrscht weitgehend Ruhe.
Fahren auf Sportwagenniveau
Grosser Vorteil der Vierzylinder-Turbomotoren ist ihre
sehr grosse Bandbreite an Leistung. Allein bei BMW gibt es den B48-Motor
in einer Leistungsspanne von 156 bis 306 PS. So verrichtet er seine
Arbeit unterschiedlich stark schon in mehr als zehn verschiedenen
Baureihen. Im X1 M35i kombiniert er einen Twinscroll-Turbolader mit
variabler Ventilsteuerung und Direkteinspritzung. Nebst den 300 PS steht
ein Drehmoment von 400 Nm im Datenblatt. Die Drehzahlbereiche indes, in
denen die Maximalwerte anliegen, könnten unterschiedlicher nicht
ausfallen. Das grösste Drehmoment liegt gemäss Hersteller zwischen 2000
und 4500 U/min an, was ein sanftes und schaltarmes Fahren ermöglicht.
Ohnehin ist vom Siebengang-Doppelkupplungsgetriebe kaum etwas zu
vernehmen. Ausser wenn es bei plötzlicher Leistungsabfrage etwas lange
zum Hinunterschalten braucht und dann lange im gleichen Gang verweilt.
Vier Endrohre markieren das X1-Topmodell M35.
Die Maximalleistung wiederum steht erst bei rund 6000
Touren an. Der X1 M35i will also hochgedreht werden, auch weil zunächst
ein massives Turboloch überwunden werden muss. Unter 2000 Touren ist
nicht viel zu machen, und erst wenn ab 3000 U/min ausreichend Ladedruck
zur Verfügung steht, fühlt sich der kleine M richtig wohl. Diese
ausgeprägte Zuspitzung der Leistungsentfaltung sorgt für einen
aufgeweckten, aber eigenwilligen und deshalb unverkennbaren Charakter.
Wer will, kann mit dem M35i ordentlich Spass haben. Zumal das Fahrwerk
der Leistung einigermassen standhält. Klar, da sind 1.7 Tonnen, ein
höherer Schwerpunkt und die Tatsache, dass der M35i kein echter M ist,
ihm die Sportlichkeit also nicht in allerletzter Konsequenz anerzogen
wurde.
Im Komfort-Modus macht sich ein leichtes Aufschaukeln in alle
Richtungen bemerkbar, wenn auch nicht übermässig. Der X1 M35i fährt
durch die Stadt oder auf der Langstrecke so, wie man es von einem
Kompakt-SUV erwarten darf: gemütlich, leichtgängig, vorhersehbar. Auch
der Verbrauch geht mit etwas über 7 l/100 km mehr als in Ordnung. Die
Lenkung ist leichtgängig, aber präzise, Bodenwellen schluckt das Chassis
gekonnt, Windgeräusche bleiben dem Premiumlabel entsprechend draussen.
Der dynamisch abgestimmte Allradantrieb hat mit der Leistung indes keine
Probleme. Souverän übermittelt er die Kraft in jeder Lebenslage an alle
vier Räder, Untersteuern tritt erst auf, wenn man wirklich zu schnell
in eine Kurve fährt. BMW-typisches Übersteuern hingegen ist keines zu
bemerken, auch wenn sich das Heck agil anfühlt.
Der druckvolle Vierzylinder fühlt sich erst oberhalb von 3000 U/min richtig wohl.
Das Gefühlt sagt allerdings auch, dass der X1 M35i die
angegebenen Leistungswerte locker erreichen sollte. Von 0 auf 100 km/h
soll es in 5.4 Sekunden gehen, maximal sind 250 km/h drin. Obwohl die
Messbedingungen beinahe optimal waren, benötigte der BMW aber
0.4 Sekunden mehr für den Paradesprint. Trotzdem kaschiert die Art und
Weise, wie der B48 seine Leistung entfaltet, dieses Manko relativ gut,
weil man oberhalb von 3000 U/min regelrecht von der Leistung überfallen
wird.
Ebenfalls überraschend, im positiven Sinn, ist der
Bremsweg. So gut die Pirelli-P-Zero-Reifen schon in Kurven für Halt
sorgen, noch besser unterstützen sie bei der Verzögerung. 32 Meter von
100 bis 0 km/h sind ein hervorragender Wert auf Sportwagenniveau. Der
Aufpreis von 1000 Franken für die Sportbremsanlage mit gelochten
Bremsscheiben ist damit sehr gut investiert.
Veritables Raumwunder
Auch die Optik des M35i wurde mit einigen spezifischen
Teilen aufgepeppt. So sind der Frontsplitter, die Niere mit den
Doppelstäben, der Dachkantenspoiler und die Aussenspiegel im sportlichen
M-Design gehalten. Zudem hat der X1 eine vierflutige Abgasanlage und
steht optional auf exklusiven 20-Zoll-Felgen. Damit markiert er eine
gewisse Präsenz auf der Strasse. Derzeit gehört der X1 wohl zu den am
stimmigsten gezeichneten SUV auf dem Markt.
Bedienung und Anzeigen gestalten sich volldigital und modern.
Und auch zu jenen, die sich als Platzwunder entpuppen.
Zwar ist der X1 der neuen Generation nur minimal gewachsen, dennoch ist
das Fassungsvermögen bei einem Radstand von nur 2692 Millimetern üppig.
540 bis 1600 Liter passen in den Kofferraum. Zum Vergleich: Der X3 ist
mehr als 20 Zentimeter länger, hat einen Radstand von 2864 Millimetern
und bietet zuhinterst 550 bis 1600 Liter. Der Clou im X1: Die Fondsitze
lassen sich in der Länge getrennt voneinander um 130 Millimeter
verschieben, was den individuellen Platzbedürfnissen Rechnung trägt.
Auch für den Kopf gibt es im X1 ein ausreichendes Raumangebot.
Den grössten Sprung macht der X1 im Cockpit. Das Curved
Display dominiert den Auftritt und überzeugt mit einer etwas
vollgepackten, aber gelungenen Software. Einziges Manko ist, dass BMW
bei den kleinen Modellen auf den iDrive-Schalter verzichtet, womit nur
die Touchbedienung bleibt. Der M35i wartet mit einem Lederlenkrad,
grossen Schaltpaddles und wunderbaren, optionalen Sportsitzen mit
hinterleuchtetem M-Logo auf. Die Flächen im sichtbaren Bereich sind
unterschäumt, die allgemeine Material- und Verarbeitungsqualität wirkt
stimmig. Ob die Kombination aus Kompakt-SUV, Vierzylinderturbo und
Premiumlabel zum Testwagenpreis von 91 840 Franken passt, muss jeder
selbst entscheiden – definitiv, wenn man nur die Zulassungszahlen
betrachtet.
Testfazit
Der X1 ist das BMW-Spitzenmodell in der Schweiz und vielen weiteren europäischen Ländern. Nur richtig also, dass man dem X1 nun endlich einen aufgeweckten Antriebsstrang zur Seite gestellt hat, der es mit der wachsenden Konkurrenz kompakter Sport-SUV aufnehmen kann. Dadurch kombiniert der M35i gute Fahrwerte mit dem nach wie vor sehr hohen Alltagsnutzen.
Für die Beschleunigungsmessung ist das ausgeprägte Turboloch nicht sehr förderlich, für das Fahrgefühl allerdings schon. Das Getriebe dürfte etwas spontaner arbeiten. Der Verbrauch hält sich im Rahmen.
Fahrwerk 11/15
Fehlende Traktion ist nie ein Thema. Weich wird der M35i nie, relativ soft kann er sich aber durchaus geben. Auf der letzten Rille fehlt ihm die letzte Konsequenz – ausser bei den famosen Bremsen. Insgesamt eine ausgewogene und angenehme Kombination.
Innenraum 20/25
Die verwendeten Materialien sorgen für einen erhabenen Aufenthalt. Das Infotainment überzeugt. Rückbank und Kofferraum sind sehr variabel.
Sicherheit 14/15
Auch wenn es im Haupttext nicht erwähnt wird: Im X1 ist alles mit an Bord, was BMW zu bieten hat. Und das funktioniert grösstenteils hervorragend. Auch bei Euro-NCAP gab es fünf von fünf Sternen für den X1.
Budget 16/25
Mindestens 74 800 Franken für die Basisversion und 91 940 Franken für den Testwagen sind eine echte Hausnummer.