Mercedes-AMG GLA 35 – Fast, not furious

AR-Testteam | 07.12.2023

Kompakt-SUV Der frisch überarbeitete GLA will als AMG 35 mit Alltagsnutzen und Performance überzeugen. Das gelingt
ihm mit zivilisierter Souveränität. Mit einer nervösen Ausnahme.

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Empty Nester – diese Zielgruppe haben die Stuttgarter mit dem Mercedes-Benz GLA im Auge. Sobald das letzte Kind die elterlichen vier Wände verlassen hat, hauen die Eltern so richtig auf den Putz und geniessen die wiedererlangte Freiheit in vollen Zügen. Vorbei die Zeiten von Taxi Mama, vorbei die Zeiten von Autovermietung Papa. Jetzt haben beide nicht nur mehr Platz im Haus, auch der Fuhrpark hat eine Umgestaltung verdient, die sich ausschliesslich nach ihren Bedürfnissen richtet.

Der GLA von Mercedes schickt sich an, die Wünsche zu erfüllen. Mama gefallen der hohe Einstieg und die Übersichtlichkeit, Papa hat Spass an den AMG-Versionen. Dabei lässt sich der GLA gar nicht exakt klassifizieren. Für ein SUV ist er zu klein, für eine Schräghecklimousine doch wieder zu korpulent. Ein Kompakt-SUV vielleicht? Wie dem auch sei, er kommt gut an. Und er darf bleiben. Im Zuge der Entry-Luxury-Strategie verkleinert Mercedes sein Einstiegssegment von sieben auf vier Modelle. Doch der GLA ist im Gegensatz zur A-und B-Klasse kein Streichkandidat.

Optisch und technisch überarbeitet

Frisch geliftet fuhr der Mercedes-AMG GLA 35 als kleinere der beiden AMG-Topvarianten zum Test vor. Die neuste Verjüngungskur zeigt sich am offensichtlichsten in neuen Frontscheinwerfern und Heckleuchten. Light-Dots nennt Mercedes die beiden einzelnen, kleinen LED-Elemente im Tagfahrlicht, welche auch in der Lichtsignatur der Heckleuchten thematisiert werden. Die AMG-Varianten tragen an der Front den Panamericana-Grill. Und wer sein Kreuzchen beim Aeropaket gemacht hat, dem schrauben die Stuttgarter einen grossen Heckspoiler aufs Dach. Ob das kleine Kompakt-SUV dieses aerodynamische Anbauteil wirklich benötigt? Ansichtssache

Doch beim Facelift hat man sich nicht nur auf Äusserlichkeiten beschränkt. Der 35er (wie auch alle anderen Benziner mit Ausnahme des AMG 45) ist nun ein Mildhybrid und neu mit einem 48-Volt-Bordnetz für den riemengetriebenen Starter-Generator ausgestattet. Eine der Hauptaufgaben des Generators ist das Anwerfen des Verbrennungsmotors, wenn dieser sich während einer längeren Pause beim Warten vor der Ampel oder im Segelbetrieb abgeschaltet hat. Ferner kann er die Verzögerungsenergie des Fahrzeugs in Strom umwandeln, welcher in eine kleine Batterie fliesst. Leider ist die Rekuperation nicht sonderlich konstant, was bei der Dosierung des Bremspadaldrucks manchmal etwas stört. Der Hersteller nennt keine offiziellen Zahlen, jedoch dürfte die Kapazität der Batterie bei rund einer Kilowattstunde liegen, dies bei einem Gewicht von ungefähr 12.5 Kilogramm. Bei intensiver Beschleunigung hilft der 10 kW (14 PS) starke Generator unterstützend mit.

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Eine Frage des Geschmacks: Das Flügelwerk ist optional, man braucht es auch nicht unbedingt. Und so richtig zur Performance des GLA 35 passt es auch nicht, denn mit seinen 225 kW (306 PS) ist er deutlich schwächer als der 45er (310 kW/421 PS).

Im Inneren dominieren der freistehende Widescreen-Bildschirm, der aus zwei verbundenen 10.25-Zoll-Displays besteht und mit der neusten Generation von Mbux bestückt wurde. Ebenso auffällig ist die fast schon inflationäre Verwendung von Klavierlack – sind ja keine Kinder mehr da, die immer alles anfassen. Die Verarbeitung ist markengerecht, und die Haptik des Lenkrads ist ein Genuss. Was sich von dessen Tasten nicht behaupten lässt: Die Bedienung der Touchslider ist schon im Stand ein Graus, und während der Fahrt wird es nicht zielgenauer. Ein Touch zu viel des Guten. Die beiden drehbaren Satelliten hingegen sind schick und lassen sich perfekt bedienen. Die optionalen Performance-Sitze bieten viel Halt und sind auch für längere Strecken noch sehr bequem. Hinten sitzt es sich weniger sportlich, aber ausreichend komfortabel. Das Kofferraumvolumen ist mit 435 Litern in Ordnung, bei umgelegten Rücksitzen liegt es bei 1430 Litern, nur marginal weniger als beim Mercedes-Benz C-Klasse T-Modell.

Viel Schub, viel Geschalte

Mit einem kleinen Knurren springt der Zweiliter-Turbobenziner an und brummt mit sonorer Stimme vor sich her. In Zeiten, in denen man versucht, Elektroautos lauter zu machen und Verbrennerfahrzeuge leiser, ist man froh, wenn wenigstens 
etwas würdige Motorenkulisse ins Fahrzeuginnere transportiert wird. Generell dreht sich beim GLA AMG 35, wie auch bei seinem grossen Bruder GLA AMG 45, alles um den Motor. Mit 225 kW (306 PS) geht beim 35er alles eine Spur ziviler, weniger radikal zu und her als im 45er mit 310 kW (421 PS). Sanfteres Anfahren und Herunterschalten ohne Auspufffeuerwerk freut die Nachbarschaft bestimmt. Doch man ziehe keine falschen Rückschlüsse, auch der GLA 35 kann flott, wenn er muss. Tempo 100 ist aus dem Stand selbst bei winterlichen Temperaturen und regennasser Fahrbahn in unter sechs Sekunden erreicht. Zwischenspurts von Stadt- auf Landstrassentempo erledigt der AMG in rund zweieinhalb Sekunden. Keine Sportwagen-, aber auf jeden Fall sportliche Werte.

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Das optionale Performance-Lenkrad begeistert mit toller Haptik, die ebenfalls optionalen Performance-Sitze mit viel Seitenhalt. Etwas für Präzisionsschützen sind die Slidertasten am Lenkrad.

Die Bremswege, im Mittel 42.5 Meter von 100 km/h bis zum Stillstand, sind ausreichend und hätten bei weniger widrigeren Messbedingungen sicher besser ausgesehen. Beim Slalom oder bei Kreisfahrt zeigt der GLA zwar eine gute Lenkung, jedoch auch leichte Schwächen, denn sein höherer Schwerpunkt ruft die Regelsysteme rascher auf den Plan. Sind diese deaktiviert, durchfährt man den Slalomparcours nicht viel schneller, denn wenn auf der mitantreibenden Vorderachse fast zwei Drittel des Gesamtgewichtes liegen und diese dann noch ums Eck lenken soll, können am Ende nicht viel mehr als jammernde Reifen und Untersteuern herauskommen. Das Fahrwerk wurde sportlich abgestimmt, schliesslich hat man es mit einem AMG zu tun. Wer hofft, dass sich der GLA im Comfort-Modus in eine königliche Sänfte verwandelt, wird enttäuscht. Wer es hingegen härter mag, dem stehen in dieser Richtung noch zwei weitere Stufen zur Auswahl.

Er wäre bestimmt gerne leichter geworden, der GLA AMG 35. Doch die verbaute Technik fällt nun einmal ins Gewicht – und summiert sich auf 1.8 Tonnen. Immerhin ist auch die Liste der verfügbaren Assistenzsysteme umfangreich, und deren Funktion steht manchen weit teureren Markenkollegen in nichts nach. Besonders im Feierabendstau vermag der GLA seinen Fahrer maximal zu entlasten, indem er Lenkrad- und Temposteuerung übernimmt. Man kommt deswegen nicht schneller an, aber definitiv entspannter.

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Im Heck verbirgt sich ein Kofferraum, der die Bezeichnung verdient: 435 Liter Volumen sind für diese Klasse gut.

Was leider gar nicht zum Fahrzeug passen mag, ist der übermotivierte Arbeitseinsatz des Doppelkupplungsgetriebes. Das Turboloch veranlasst die Schaltzentrale, schon bei kleinen Gaspedalveränderungen gleich einen neuen Gang einzulegen. Besonders bei längeren Autobahnetappen schaltet der GLA übereifrig zwischen siebtem und achtem Gang hin und her – bei nur unwesentlich veränderter Reisegeschwindigkeit. Das macht er leider auch im Comfort-Modus.

Wenn schon, denn schon

Mercedes spricht die Empty Nester mit dem GLA AMG 35 sicherlich an. Ein flottes Auto mit guter Leistung, feiner Technik und einem passablen Platzangebot ohne überbordende SUV-Masse. Wer mehr auf Understatement setzt, lässt das Kreuz beim Aeropaket weg. Wer aber trotz des teuren Studiums der nun ausgeflogenen Kinder noch etwas Münz übrig hat, sollte auch einen Blick auf den 45er werfen, frei nach dem Motto: Wenn schon, denn schon. Denn vielleicht dauert es nicht so lange und man wird wieder zum Chauffeur – für die Enkel. Aber keine Bange, alle GLA haben Isofix für Kindersitze. 

Testergebnis

Gesamtnote 75.0/100

Antrieb

Getriebe mit nervösem Arbeitseifer. Der GLA kann sparsam und auch flott. Dann braucht es aber Drehzahlen. Die Rekuperation ins 48-Volt-Bordnetz ist nicht sonderlich konstant.

Fahrwerk

Keine falschen Hoffnungen bei den Fahrmodi! Im Comfort-Modus wird der GLA zum Sportwagen mit Restkomfort. Im Race-Modus mutiert er zum brettharten Kompakt-SUV. Steht ja nicht umsonst AMG drauf!

Innenraum

Mbux gehört zu den Besten verfügbaren Sprachsteuerungen. Die Verarbeitung ist top, die Lenkradtasten erfordern oft Fummelarbeit. Vorne viel, hinten ausreichend Platz. Auch der Kofferraum ist ausreichend gross.

Sicherheit

Assistenzsysteme sind zahlreich vorhanden und funktionieren sehr gut, wenn es darauf ankommt. Aber für zwei läppische Sidebags hinten einen Aufpreis?! Bremsweg für Witterungsverhältnisse in Ordnung.

Budget

Mercedes hat beides: gute Ingenieure und gute Betriebswirtschafter. Alles, was man wirklich braucht, ist im Grundpreis dabei. Alles, was Spass macht, bezahlt man extra. Immerhin ist die Leistung serienmässig.

Fazit

Natürlich ist der GLA 35 nicht nur etwas für die von Mercedes anvisierten Empty Nester. Alle, die mit einem kompakten SUV glücklich werden, Freude an Performance haben und bereit sind, dafür tief genug in die Tasche zu greifen, sind gut bedient. Das nervöse Getriebe ist ein Störfaktor.

Fotos: Vesa Eskola, Text: Tristano Gallace

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