Mercedes G-Klasse im Test: Was kann die elektrische Variante besser als der V8?

Moritz Doka | 19.12.2025

Seit dem Facelift gibt es für die Mercedes G-Klasse erstmals eine vollelektrische Variante, den Mercedes G580 mit EQ-Technologie. Er muss sich am Verbrenner-Topmodell Mercedes-AMG G63 messen. Was kann der Stromer im Gelände besser, wo punktet der Verbrenner?

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Nennen Sie ihn bloss nicht EQG. Nein, die erste, serienmässig vollelektrische G-Klasse heisst «Mercedes-Benz G 580 mit EQ-Technologie». Kein sehr griffiger Modellname, und niemand, der nicht beim Daimler arbeitet, wird das Auto jemals so nennen.

Doch die sperrige Namenswahl hat einen Grund: Das ist nicht einfach ein Elektroauto in Form einer G-Klasse, das ist eine echte G-Klasse mit elektrischem Antrieb. Ein nicht zu unterschätzender Unterschied.

Denn wie jede andere G-Klasse auch muss der G 580 das ganze Programm an Torturen über sich ergehen lassen, das die Schwaben allen «G» antun. Fünf Kilometer und 700 Höhenmeter über Fels und Stein den Schöckl hoch – und dann den ganzen Weg wieder runter. Erst dann darf die Plakette «Schöckl Approved» in der B-Säule prangen und die G-Klasse in den Verkauf.

Ganz so fies sind wir heute nicht zum G 580, aber viel leichter wird das Programm nicht. Im «G-Class Experience Center» im österreichischen Graz, wo die Geländewagenikone gebaut wird, hat Mercedes einen Offroadspielplatz in Sichtweite des besagten Berges eingerichtet. Und wir dürfen uns mit dem bestromten Klotz nach Lust und Laune austoben.

Gegenüber seinen Brüdern mit Verbrenner hat der G 580 einige Vorteile. Erstens mehr Bodenfreiheit, 251 statt 240 Millimeter. Der Grund liegt in den fehlenden Sperrdifferenzialen, von denen der konventionelle G drei Stück mitbringt. Der G 580 besitzt dafür vier Elektromotoren, sodass an jedem Rad 108 kW (147 PS) und 291 Nm anliegen. So kann jedes Rad in Echtzeit automatisch beschleunigt und abgebremst werden.

Es ist schier furchteinflössend, wie mühelos der 3.1 Tonnen schwere Panzer die sandigen Steigungen mit tiefen Löchern darin emporkraxelt. Die Computer suchen ständig den optimalen Grip für jedes Rad. Der Fahrer muss nur noch mit den Lenkradpaddeln eine von drei gewünschten Geschwindigkeiten einstellen, die das Auto halten soll.

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Wenn es nötig ist, kann der Mercedes G580 auf der Stelle drehen

Ist eine Kurve zu eng, gibt es den «G-Turn». Dann wird das kurveninnere Hinterrad abgebremst und das äussere beschleunigt, wodurch der G 580 fast im rechten Winkel abbiegt. Dann drehen die äusseren beiden Räder jeweils in die Gegenrichtung, und das Auto dreht sich auf der Stelle. Keine wirklich nützliche Funktion, aber eine spektakuläre und auf grippigem Untergrund maximal materialmordende.

Ein weiterer Vorteil der Elektroversion ist die um 150 Millimeter grössere Wattiefe (850 Millimeter), weil kein Verbrenner Luft ansaugen muss. Tiefer darf man nur nicht, weil das Auto sonst aufschwimmen würde.

Über Felsformationen kraxelt der G 580 mühelos drüber, die Verschränkung der Achsen ist enorm. Sollte man mal mit dem Unterboden aufsetzen, ist die Batterie zwischen den Holmen des Leiterrahmens durch eine dicke Carbonplatte geschützt. Dank des tiefen Schwerpunkts sind auch Kippwinkel von bis zu 35 Prozent überhaupt kein Problem.

Zum Vergleich fahren wir all die Hindernisse auch mit einem G 450d. Hier wollen die drei Sperren eigenhändig aktiviert werden. Bis sie einrasten, vergeht manchmal eine kleine Weile. Weniger fähig ist die G-Klasse deswegen nicht im Geringsten.

Man bekommt im Gegenteil sogar etwas mehr Feedback vom Auto und spürt, was die Komponenten machen. Wer sich mit dem Auto stärker verbunden fühlen und selbst Herr des Geschehens sein will, ist in einem der Verbrenner besser aufgehoben. Zumal man beim G 580 nicht einfach Spritkanister aufs Dach schnallen und wochenlang in der Wüste verschwinden kann.

Auf Asphalt macht der G 580 eine genauso gute Figur. Die unheimliche, stille Kraft passt enorm gut zum Fahrzeugkonzept der G-Klasse. Ganz still muss es dabei nicht sein, wenn man den künstlichen und ziemlich gut gemachten Antriebsklang eingeschaltet hat. Man spürt die rund 300 Kilogramm Zusatzgewicht schon, vor allem in dynamisch gefahrenen Kurven. Aber beim gemütlichen Cruisen machen ihm seine Brüder nichts vor.

Zum Facelift hielten ein neues Infotainment mit zusätzlichen Funktionen und verbesserter Connectivity Einzug. Die kann man auf bis zu 468 Kilometern (WLTP) am Stück geniessen, ehe man den Akku mit bis zu 200 kW wieder aufladen muss.

In Sachen Luxus ist die G-Klasse mehr denn je in ihrem Element. Man kann seinen G auch verstärkt in Richtung Offroad bürsten, wenn man sich Dachträger, grobstollige Reifen und Gitter vor den Scheinwerfern bestellt.

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Emotionen pur: Vierliter-Biturbo mit 585 PS im Mercedes-AMG G63

Oder man dreht den Hahn in die andere Richtung auf und kauft den G 63 AMG. Nachdem der G 500 nun ein Dreiliter-Reihensechszylinder geworden ist – wie alle anderen Verbrenner auch mildhybridisiert –, ist der AMG nun das einzige Modell mit V8.

Der Vierliter-Biturbo mit 430 kW (585 PS) wird unterstützt von einem Startergenerator mit 15 kW. Dieser stopft Turbolöcher effektiv und nachhaltig. Launch Control mit diesem Brummer ist ein echtes Erlebnis. Die Hinterachse knickt ein und der Bug hebt sich, ehe der Vielkant mit Bass und Gewalt nach vorne stürmt. Dabei sollte man das Lenkrad gut festhalten, um das Schlingern parieren zu können.

Nicht gefährlich, bloss eine Unterstreichung der schieren Gewalt und zum Schreien lustig. Es ist einfach immer wieder aufs Neue eindrücklich, wie easy der V8 die Masse niederringt. Er stampft, er schnaubt, er schiebt – eine Show, bei der der G580 nicht mithalten kann, Tank Turn hin oder her.

Zur Modellpflege spendierte man dem G 63 ein aktives Fahrwerk. Es sorgt stets für optimalen Kontakt zwischen Reifen und Fahrbahn und ermöglicht höhere Kurvengeschwindigkeiten. Leichtfüssig wäre übertrieben, aber das Einlenkverhalten hat profitiert.

In der Schweiz wird erneut der G 63 den Löwenanteil bei den Verkäufen ausmachen. Dass der G mit EQ direkt riesigen Absatz finden wird, glaubt Mercedes derweil nicht. Aber wann, wenn nicht jetzt war es an der Zeit für dieses Auto. Seine Fähigkeiten überzeugen sowohl im Gelände als auch auf dem Asphalt, und am wichtigsten: Der G 580 liefert uneingeschränktes G-Feeling. Das sind doch gute Nachrichten für die Zukunft.

Bildgalerie Mercedes G-Klasse

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Technische Daten
Mercedes G 580 mit EQ-Technologie

Karosserie Geländewagen, 5 Türen, 5 Plätze, Leiterrahmen, Einzelradaufhängung vorne, Starrachse hinten, Scheibenbremsen rundum (innen belüftet), Reifen 265/60 R18
Abmessungen und Gewicht Länge 4.62 m, Breite 1.93 m, Höhe 1.98 m, Radstand 2.89 m, Kofferraum 620–1990 l, Leergewicht 3085 kg, Gesamtgewicht 3500 kg, Böschungswinkel vorne/hinten 32°/30.7°, Rampenwinkel 20.3°, Bodenfreiheit 251 mm, Wattiefe 850 mm, Steigung maximal 100 %
Motor ein Elektromotor pro Rad, Leistung 108 kW (147 PS), Drehmoment 291 Nm, Systemleistung 432 kW (588 PS), Drehmoment 1164 Nm, Lithium-Ionen-Batterie, 116 kWh (netto), Ladeleistung AC 11 kW, Ladeleistung DC 200 kW
Antrieb Allradantrieb, simulierte Untersetzung und Sperren
Fahrleistungen 0–100 km/h in 4.7 s, Höchstgeschwindigkeit 180 km/h, Normverbrauch 28 kWh/100 km (WLTP), Energieeffizienz A
Preis ab 162’900 Franken

Technische Daten
Mercedes-AMG G 63

Karosserie Geländewagen, Leiterrahmen, Einzelradaufhängung vorne, Starrachse hinten, Reifen 275/50 R20
Abmessungen und Gewicht Länge 4.87 m, Breite 1.98 m, Höhe 1.98 m, Radstand 2.89 m, Kofferraum 640–2010 l, Leergewicht 2640 kg, Gesamtgewicht 3200 kg, Böschungswinkel vorne/hinten 27.2°/29.9 °, Rampenwinkel 25.3°, Wattiefe 700 mm, Bodenfreiheit 244 mm, Steigung maximal 100 %
Motor V8-Biturbo-Mildhybrid, 3982 cm3, Bohrung 83 mm, Hub 92 mm, Verdichtung 10.5 : 1, DOHC, 4 Ventile pro Zylinder, Leistung 430 kW (585 PS) bei 6000 U/min, Drehmoment 850 Nm bei 2500 U/min, Leistung Elektromotor 15 kW (20 PS), Drehmoment Elektromotor 200 Nm
Antrieb Allradantrieb, Automatik mit neun Gängen
Fahrleistungen 0–100 km/h in 4.4 s, Höchstgeschwindigkeit 250 km/h, Normverbrauch 9.3 l/100 km, 211 g CO2/km (WLTP), Energieeffizienz G
Preis ab 234’900 Franken

Fotos: Moritz Doka

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