Nebenrolle Der leise Porsche Taycan hat dem brüllenden Panamera den Rang abgelaufen. Die neue Panamera-Generation will wieder Anschluss finden. Wir testen ihr Potenzial dafür.
Seit Porsche den elektrischen Taycan eingeführt hat, geht es mit dem Panamera in der Schweiz stetig bergab. Wurden 2017 laut Statistik der Importeursvereinigung Auto-Schweiz noch 535 Panamera neu zugelassen, waren es drei Jahre später nur noch 162 Fahrzeuge. In jenem Schicksalsjahr 2020 fuhr der Taycan dem Panamera in die Parade und kam direkt auf 523 Neuzulassungen. In der Folge wurden Jahr für Jahr immer deutlich mehr als doppelt so viele Taycan wie Panamera eingelöst. 2021 waren es 539 gegenüber 219, 2022 dann 610 Taycan und wieder 219 Panamera und im vergangenen Jahr belief sich das Verhältnis auf 564 zu 210.
Doch natürlich kommt der Kannibalismus Porsche respektive dem VW-Konzern nicht ganz ungelegen, schliesslich mindert ein hoher Stromeranteil das Potenzial für CO2-Strafen enorm. Trotzdem hat der Panamera noch seine Daseinsberechtigung im Porsche-Portfolio, denn viele Fans bevorzugen es nach wie vor, wenn ein Verbrenneraggregat in einem Sportwagen (als solchen bezeichnet Porsche das Modell trotz der vier Türen ausdrücklich) zum Marsch bläst. Deshalb gibt es jetzt eine ziemlich neue dritte Generation – allerdings nur noch in einer Karosserieform. Der Shooting-Brake-mässige Panamera Sport Turismo wird nicht mehr gebaut, weil die Kunden in den Hauptmärkten China und USA ihn nicht ausreichend goutiert haben. Vor allem die Chinesen mögen statt mehr Kofferraum lieber mehr Platz auf der Rückbank, weshalb es die Executive-Variante mit verlängertem Radstand (3100 statt 2950 mm) weiterhin gibt. Auch in der Schweiz.
Teurer Standard
Zum AR-Test ist nun aber eine 5.05 Meter lange Normalversion vorgefahren (der Executive ist exakt 15 Zentimeter länger), und zwar als Panamera 4, die zweitgünstigste Ausführung im Modellportfolio. Darunter befindet sich nur noch der hinterradangetriebene Panamera mit 260 kW (353 PS) starkem 2.9-Liter-V6-Biturbo. Der Panamera 4 hat den gleichen Motor, verteilt die Kraft aber auf alle vier Räder. Und günstig ist natürlich weder die Variante mit Heck- noch jene mit Allradantrieb. Der Basis-Panamera steht derzeit ab 135 500 Franken in der Preisliste, der Allradler kostet 4900 Franken mehr. Porsche bietet zwar einen tagesaktuellen Währungsausgleich, zum Schnäppchen reicht es aber nie. Umso weniger, weil es selbstverständlich noch ganz viele schöne und teure Dinge gibt, die man bei der Konfiguration dazunehmen kann. Unser Testwagen kam auf 179 000 Franken ...
Die grösste und wichtigste Neuerung der dritten Panamera-Generation ist in diesem Tarif nicht enthalten, nämlich das Active-Ride-Fahrwerk (s. Fahrbericht in AR 49/2023), mit dessen Hilfe sich der Wagen in die Kurve legt sowie beim Bremsen und Beschleunigen für mehr Performance dort anhebt und absenkt, wo sonst genau das Gegenteil passiert. Kostenpunkt: 9870 Franken, beim Panamera 4 aber sowieso nicht verfügbar, man muss schon zum nächsthöheren Panamera 4 E-Hybrid für mindestens 151 200 Franken greifen.
Ganz nach dem Motto «Was nicht da ist, kann man auch nicht beurteilen» konzentrieren wir uns bei unserem Panamera 4 auf die Grundlagen. Und die sind ja auch nicht schlecht. Serienmässig fährt das Auto mit einer adaptiven Luftfederung inklusive aktiver Dämpferregelung vor, die einen sehr schönen Mix aus Sport und Komfort auf einem stets hohen Dynamikniveau findet. Normalerweise automatisch, auf Wunsch aber auch per Knopfdruck. Ob der Panamera also nah und hart auf der Strasse klebt oder für einen Porsche unerwartet kommod durch Kurven eilt (das klappt auch ohne die optionale Hinterachslenkung für 2180 Franken ausgesprochen präzise), ist primär eine Frage des persönlichen Geschmacks. Genauso wie das Lärmniveau der Sportabgasanlage, die für 3760 Franken von dezent sonor bis beängstigend laut alles kann.
Motor top, Getriebe nicht immer
Hunde, die bellen, beissen nicht, sagt das Sprichwort. Bei diesem Porsche trifft es nicht zu, denn obwohl wir hier von der schwächsten Motorisierung reden, bietet diese völlig markenkonforme Fahrleistungen. Mit einer gemessenen Sprintzeit von 4.9 Sekunden von 0 auf 100 km/h verfehlt der Panamera 4 die Werksangabe zwar um eine Zehntelsekunde, aber in Anbetracht der beim Test noch montierten Winterreifen ist dieser Wert absolut respektabel. Das Gleiche gilt für den Bremsweg, der auch mit Wintergummis unter der 40-Meter-Marke blieb. Mit Sommerpneus verzögert der Deutsche zweifellos noch besser, mit den Keramikbremsen auch ausdauernder, aber die gibt es erst ab der Version 4S E-Hybrid für mindestens 169 600 Franken (plus rund 10 000 Franken extra).
Alle Panamera-Versionen verfügen derweil ohne Aufpreis über ein Achtgang-Doppelkupplungsgetriebe. In unserem Testwagen hat dieses aber nur bedingt überzeugt. Gangabstufung und Schaltverhalten sind top, doch speziell das Anfahren in Steigungen klappt eher schlecht als recht. Die erste Kupplung greift relativ spät, dann aber umso rabiater. Selbst die Vorhut der maximal 500 Newtonmeter Drehmoment fällt dadurch sehr plötzlich an, was für ein entsprechend sprunghaftes Wesen sorgt. Sind Hindernisse in der Nähe, muss man grausam aufpassen, das Auto nicht in diese zu setzen. Auch beim Rangieren auf ebener Fläche würde ein Automatikgetriebe mit einem klassischen Drehmomentwandler (so wie es etwa der Cayenne hat) viel besser zu diesem Modell passen. Denn bei allem Sportpotenzial ist der Panamera ja auch eine luxuriöse, ja regelrecht erhabene Limousine.
Aufgewertetes Interieur
Abgesehen vom etwas ruppigen Anfahrverhalten geniessen die Passagiere einen sehr angenehmen Aufenthalt im Panamera. Das Interieur wurde jenem des neuen Cayenne angepasst und zeugt von hohem Qualitätsniveau. Die Sitze, die es optional auch mit Belüftungs- und Massagefunktion gibt, sind vorne wie hinten bequem und bieten dabei viel Seitenhalt (auch im Fond, da es sich bei den beiden äusseren um Einzelsitze handelt). Platz gibt es ausser auf dem eher sinnlosen Mittelsitz in unserer 4+1-Konfiguration (1020 Fr.), ebenfalls genug, mit 494 bis 1328 Litern Kofferraumvolumen sogar fürs Gepäck. Stichwort Platz: Der beste ist und bleibt auch in diesem Porsche derjenige hinter dem Lenkrad. Man kann den Panamera also problemlos lieben. Wenn man ihn sich leisten kann.
Testergebnis 81/100
Antrieb 25/30
Der Basis-V6 reicht völlig. Der tiefe Verbrauch auf der AR-Normrunde, wo sehr zurückhaltend gefahren wird, täuscht. Wer viel Gas gibt, tankt bald. Nicht so toll: Das Anfahrverhalten des Doppelkupplungsgetriebes.
Fahrwerk 13/15
Unser Testwagen hatte nur das Standardfahrwerk mit Luftfederung. Das ausgeklügelte und teure Active Ride gibt es nicht für den Panamera 4. Es wurde im Test nicht vermisst. Die Lenkung ist präzise und mitteilsam.
Innenraum 22/25
Viel Platz (für vier), schöne Materialien und gute Verarbeitung stehen auf der Habenseite. Die sonst recht intuitive Bedienung geht bei den elektrischen, über das Zentraldisplay gesteuerten, Lüftungsdüsen zu weit.
Sicherheit 12/15
Wir haben bei Porsche schon besser funktionierende Assistenten erlebt, der Spurhalteassistent etwa hat Mühe, die Mitte zu finden. Aber das Gebotene geht unter dem Strich in Ordnung. Wie auch die Bremsleistung.
Budget 9/15
Es ist halt ein Porsche, wer Schnäppchen sucht, ist hier falsch. Was noch mehr aufwühlt als der hohe Grundpreis ist die ellenlange Optionenliste.
Fotos: Vesa Eskola, Text: Simon Tottoli