Hyundai Kona Electric – Leise und doch laut

AR-Testteam | 08.02.2024

Elektro-SUV Obwohl der Hyundai Kona Electric sehr 
komfortabel ist, leidet er unter unangenehmen, ziemlich 
geräuschintensiven Störfaktoren in Form seiner Assistenten.

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Auf der Strasse neigt das komfortable SUV bei dynamischerem Tempo zum Untersteuern.

Als er 2018 auf den Markt kam, war der Kona Electric der ersten Generation bei den kleinen batteriebetriebenen SUV fast allein auf weiter Flur. Seitdem erhöhte sich die Zahl seiner Rivalen, Konkurrenten wie der Opel Mokka-e und der Peugeot e-2008 kamen hinzu. Es war also an der Zeit für Hyundai, das Modell neu aufzulegen. Die Frage ist nun, ob der Kona in neuer Form noch immer ein Vorreiter in seinem Segment ist. Sofern man ihn denn noch zur gleichen Kategorie zählen will, denn seit der Einführung des kleinen Bayon im Jahr 2021 ist der Kona nicht mehr Hyundais Einstiegs-SUV. Daher durfte er wachsen und ist neu 4335 Millimeter lang, 175 Millimeter länger als sein Vorgänger und sogar 255 Millimeter länger als ein Mokka-e.

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Der Radstand ist im Vergleich zum Vorgängermodell um 60 auf 2660 Millimeter verlängert worden, was den Insassen auf den Rücksitzen viel Platz bringt.

Neben dem Verbrennungsmotor (1.6 T-GDi) und dem Hybridantrieb (1.6 GDi) gibt es den Kona auch in zwei Elektrovarianten mit 115 kW (156 PS) oder 160 kW (218 PS). Beide verfügen über 255 Nm. Während der kleinere Antrieb auf eine Batterie mit 48.4 kWh zurückgreift, nutzt die stärkere Motorisierung einen Akku mit einer Nettokapazität von 65.4 kWh. Für diesen Test wurde die letztgenannte Variante gewählt, für die Hyundai eine theoretische Reichweite von 454 Kilometern angibt. Der auf der AR-Normrunde gemessene Verbrauch lag bei 22.7 kWh/100 km, was über dem Schnitt des Segments liegt. Der Kona ist so in der Lage, 300 Kilometer weit zu fahren. Die Batterie wird an einer Schnellladestation mit 100 kW aufgeladen, in rund 40 Minuten kommt sie so von zehn auf 80 Prozent. An einer Elf-Kilowatt-Wallbox dauert es 6:25 Stunden (null auf 100 %).

Den Kabeln gewidmeter Frunk

Der Ladeanschluss des Kona befindet sich an der Vorderseite des Fahrzeugs im Stossfänger. Nicht weit davon entfernt gibt es unter der Motorhaube ein 27-Liter-Fach, in dem die Ladekabel verstaut werden können. Das ist gut durchdacht, auch wenn das Verstauen nicht ganz einfach ist, da man die Motorhaube auf altmodische Weise entriegeln muss (über einen Hebel unter dem Lenkrad und dann über ein mechanisches Schloss unter der Motorhaube), bevor man an den Deckel des Kabelfachs gelangt. Eine Entriegelung über die Fernbedienung wäre sicher bequemer.

Nachdem das SUV aufgeladen ist, ist es höchste Zeit, sich ans Steuer zu setzen. Beim Kona mit Elektroantrieb wird die gesamte Leistung auf die Vorderräder übertragen (nur die Variante mit Verbrennungsmotor hat Allradantrieb). Insgesamt ist die Traktion jedoch gut, auch wenn es manchmal doch ein wenig an ihr mangelt, vor allem in Kurven. Aber das ist nicht weiter tragisch. Die Lenkung ist etwas leichtgängig, vor allem auch aus der Mittellage heraus. Daher ist es nicht so einfach, den richtigen Kurs zu halten, und der Spurhalteassistent kann nur bedingt unterstützen – dazu später mehr. Bei starker Beschleunigung sind die Krafteinflüsse auf die Lenkung deutlich spürbar und zwingen den Fahrer, das Lenkrad fest im Griff zu behalten, wenn er auf Kurs bleiben will. Auch hier wäre eine straffere Lenkung mit besserem Feedback wünschenswert. Das Gewicht von 1795 Kilogramm, das für ein Elektro-SUV dieser Grösse im Mittelfeld liegt, erwies sich als etwas hinderlich, da der Kona in dynamisch gefahrenen Kurven zum Untersteuern neigt. Ansonsten glänzt er durch sein Fahrverhalten. Das Fahrwerk ist komfortabel, die Wank- und Nickbewegungen in Kurven und beim Bremsen und Beschleunigen sind gering. Das SUV ist gut gedämmt und sehr leise. Es bietet eine schöne, kontinuierliche Beschleunigung und einen guten Durchzug. Und die unterschiedlich einstellbaren regenerativen Bremsstufen machen das Fahren in der Stadt zum Vergnügen.

Vielleicht waren Sie schon einmal bei McDonald’s essen. Dann haben Sie vermutlich mitbekommen, dass die Mitarbeiter der Fastfood-Kette auf akustische Signale reagieren: Jedes Mal, wenn ein schriller Piepton ertönt, wird eine Handlung vorgegeben, die so schnell wie möglich ausgeführt werden muss, zum Beispiel das Wenden der Burger oder das Herausheben der Pommes frites aus dem Öl. Im Hyundai ist es ähnlich, die Fahrhilfen scheinen von Warntönen nicht genug zu bekommen. Da ist zunächst einmal die nervigste aller Warnungen, diejenige beim Überschreiten der Geschwindigkeitsbegrenzung. Selbst wenn der Fahrer sich nur in den Verkehr einfügt und nahe am Tempolimit fährt, manchmal etwas darüber, manchmal etwas darunter, piepst das System im gesamten Fahrzeuginnenraum. Das Schlimmste ist, dass es manchmal von falschen Limiten ausgeht. Piep, piep, piep. Das zweite Problem betrifft die Kamera, die die Augen des Fahrers beobachtet. Sie ist intolerant und erlaubt es dem Fahrer nicht, auf etwas anderes als die Strasse zu schauen, es ist ihm sogar verboten, einen Blick auf den Bildschirm des Infotainmentsystems zu werfen. Piep, piep, piep. Der dritte Punkt ist der Spurhalteassistent. Das System ist auf Autobahnen nützlich und willkommen, wird aber leider auch auf schmalen Landstrassen aktiviert. Es ist genauso autoritär und glaubt, die Fahrspur besser zu kennen als der Fahrer. In Kurven schlägt es das Lenkrad ein, was nicht erwünscht ist. Und dann ist da noch der Müdigkeitswarner, der manchmal nach nur 20 Minuten Fahrt die Initiative ergreift und 20 Sekunden lang Pieptöne von sich gibt. Das ist aber noch nicht alles. Wenn beim Versuch, aus einer Parklücke herauszufahren, Fahrzeuge in den toten Winkel geraten, vibriert das Lenkrad kontinuierlich, und zwar so lange, wie die Gefahr besteht. Mit anderen Worten: Solange sich Autos nähern, vibriert es. Auch wenn es 20 Autos hintereinander sind.

Selten waren Assistenzsysteme in der Lage, die Nerven der Testpersonen so sehr zu strapazieren. Natürlich lassen sich fast alle ausschalten. Dazu muss man sich aber durch die Menüs und Untermenüs des Infotainmentsystems wühlen. Wenn man weiss, wo man suchen muss, dauert das Ganze nur etwa 30 Sekunden. Das Problem ist jedoch, dass Hyundai aufgrund der EU-Gesetzgebung, die diese Systeme vorschreibt, verpflichtet ist, sie bei jedem Neustart wieder zu aktivieren. Der Autofahrer muss dann während der Fahrt alles wieder deaktivieren, was kontraproduktiv ist.

Reichlich Kunststoff

Im Innenraum wirkt das nüchterne und farblose Armaturenbrett relativ einfach, da Hyundai es mit Kunststoff etwas übertrieben hat. Der Kunststoff ist nicht immer von guter Qualität, zum Beispiel ist er im oberen Teil des Armaturenbretts und der Türverkleidungen hart. Die Verwendung von Polymeren ist so allgegenwärtig, dass man beim Einsteigen ins neue Fahrzeug einen unangenehmen Geruch in der Nase hat. Ansonsten ist das koreanische SUV vollgepackt mit sinnvoller Technologie, einschliesslich eines hochmodernen Kombiin­struments und eines Infotainmentbildschirms, die beide 12.3 Zoll gross sind. Das Infotainmentsystem ist zwar etwas unübersichtlich in der Menüführung, lässt sich aber dank der vielen physischen Tasten, die Hyundai laut eigener Aussage aufgrund von Kundenfeedback eingebaut hat, leicht bedienen. Der Radstand wurde im Vergleich zum Vorgängermodell um 60 auf 2660 Millimeter verlängert, was den Fondpassagieren ein grosszügiges Platzangebot beschert. Das Ladevolumen des Kofferraums beträgt ebenfalls grosszügige 466 Liter und bei umgeklappter Sitzbank 1300 Liter. Preislich startet der Hyundai Kona Electric bei 42 900 Franken. Die getestete Version mit grosser Batterie kostet ab 54 400 Franken. 

Testfazit

Letztlich sind es die Fahrassistenzsysteme und die Art, wie sie das Fahren beeinträchtigen, die einen grossen Teil des schönen Bildes des Hyundai Kona Electric verderben. Wenn die Assistenten ausgeschaltet sind, kann der Fahrer die Qualitäten des SUV geniessen, das leise, komfortabel und technisch ausgereift ist. Besonders erwähnenswert sind die vielen physischen Tasten.

Testergebnis: 73/100

Antrieb: 15/20

Der Antriebsstrang des Hyundai Kona Electric funktioniert sehr gut. Er ist ruckelfrei und bietet variables regeneratives Bremsen, aber kein One-Pedal-Driving.

Fahrwerk: 11/15

Der Kona bietet eine gute Balance zwischen Komfort und Dynamik, auch wenn sein hohes Gewicht ihm eine gewisse Tendenz zum Untersteuern verleiht.

Innenraum: 18/25

Das Interieur ist nüchtern und verwendet viel Kunststoff. Die Ausstattung ist komplett. Zudem gibt es viele willkommene physische Tasten.

Sicherheit: 9/15

Die Fahrhilfen sind zahlreich, aber viel zu aufdringlich. Das Auto bremst weniger gut als seine Konkurrenten.

Budget: 20/25

Der Preis liegt mit knapp über 40 000 Franken für das Einstiegsmodell im mittleren Segment. Da das Auto serienmässig gut ausgestattet ist, müssen nicht viele Optionen hinzugefügt werden.

Fotos: Vesa Eskola, Texte: Olivier Derard

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