Porsche Cayenne S E-Hybrid: Sehr schick, sehr hybrid

Test Team RA | 27.06.2024

GROSSES SUV Mit seiner Lackierung in Javagrünmetallic ­dürfte der Cayenne-Testwagen vor allem den jüngeren Familien­mitgliedern gefallen. Dabei ist er ein sehr erwachsenes Auto.

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Der Cayenne wurde im letzten Jahr überarbeitet. Neu sind die Stossfänger vorne und die Scheinwerfer.

Der Erfolg des Cayenne ist ungebrochen. Mehr noch, das SUV wurde 2023, anlässlich seines 20. Geburtstags, zum meistverkauften Porsche des Jahres gekürt. Mit 87 553 verkauften Exemplaren beendete der Cayenne das Jahr vor Macan (87 355), 911 (50 146), Taycan (40 629), Panamera (34 020) und 718 (20 518). Nicht wenige Cayenne wurden in China verkauft. Das erklärt auch, warum die Zuffenhausener die Shanghai Motor Show als Ort für die Enthüllung des Facelifts der dritten Generation gewählt haben. Trotz des für 2026 Gerüchten zufolge geplanten Elektro-Cayenne will Porsche seine zahlreichen Kunden weiterhin mit einem Produkt versorgen, das auf dem neusten Stand der Technik ist. Es gibt mittlerweile nicht weniger als drei Hybridversionen des Wagens, also genau so viele Modelle mit elektrischer Unterstützung wie mit purem Verbrennungsmotor. Am unteren Ende der Palette steht der Cayenne E-Hybrid (Test AR 50/2023) mit 346 kW (470 PS) und 650 Nm. Ganz oben steht der Turbo-E-Hybrid, der mit 544 kW (739 PS) und 800 Nm aufwarten kann. Dazwischen liegt der Antriebsstrang des Cayenne S E-Hybrid, die Version, die für diesen Test ausgewählt wurde, mit 382 kW (519 PS) und 750 Nm.

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Hinten ist das Nummernschild in den Stossfänger gewandert.

Wie der E-Hybrid wird auch der S E-Hybrid von einem V6-Motor mit 2995 Kubikzentimetern Hubraum angetrieben. Der Unterschied ist, dass er knapp 50 PS mehr leistet und auf 260 kW (353 PS) kommt. Die Leistung des Elektromotors ist jedoch bei beiden Modellen gleich. Allerdings ist sie mit 129 kW (176 PS) immerhin 40 PS stärker als im Modell vor dem Facelift. Kurzum, der Hybridantrieb ist beim neuen Modell stärker vertreten. Auch deshalb, weil der Cayenne S E-Hybrid dem Markttrend folgt und sich eine grössere Batterie mit 25.9 kWh Nutzinhalt gönnt, im Vergleich zu den 17.9 kWh, die er vorher hatte. Daraus ergibt sich eine elektrische Reichweite von 71 bis 78 Kilometern nach WLTP-Zyklus. Der Treibstoffverbrauch wird mit 1.4 bis 1.7 l/100 km und der Stromverbrauch mit 28.6 bis 30.8 kWh/100 km angegeben. Wie weit ist das von der Realität entfernt?

Nicht sehr weit, denn in der Praxis erwies sich das SUV als relativ sparsam. Die Tester ermittelten auf der AR-Normrunde einen Verbrauch von 4.5 l/100 km, zu dem noch der Stromverbrauch hinzugerechnet werden muss. Die Reichweite des grossen SUV hielt im reinen Elektrobetrieb mit 75 Kilometern, was sie versprach. Allerdings ist diese Reichweite etwas niedriger als bei der Konkurrenz, etwa dem Mercedes-Benz GLE Hybrid mit 96 Kilometern, um nur einen zu nennen.

Ausgewogenes Fahrverhalten

Der Cayenne punktet im Vergleich zur Konkurrenz mit seinem hervorragenden Fahrverhalten. Trotz seines hohen Leergewichts von 2570 Kilogramm – damit ist er 150 Kilogramm leichter als der Mercedes-Benz GLE Hybrid – bietet das Porsche-SUV ein gutes Fahrverhalten, das durch die mitlenkende Hinterachse optimiert wird. So bleibt der Cayenne bei wechselnden Fahrbahnverhältnissen relativ neutral, ohne dass es zu Wank- oder Nick­bewegungen kommt. Ausserdem überträgt die Lenkung Unebenheiten auf dem Asphalt angesichts der Grösse des Fahrzeugs erstaunlich präzise. Natürlich ist das SUV keine Ballerina. Es fühlt sich auf breiten Autobahnen deutlich wohler als auf den Serpentinen eines Bergpasses. Dennoch ist die Brillanz, mit der es den Ingenieuren in Zuffenhausen gelungen ist, das Übergewicht des Autos vergessen zu machen, respekteinflössend.

Leider ist der Antriebsstrang nicht so scharf wie das Fahrwerk, und auf Bergpässen reicht die elektrische Leistung nicht immer aus. Der Grund dafür ist, dass die Leistung durch einen Wechselrichter begrenzt wird, der gelegentlich heiss läuft, wenn die Leistungsanforderung lange und intensiv ist. Dann muss der V6 wieder einspringen – und klingt dabei nicht wirklich schön. Er ist auch weit entfernt von der Noblesse, die der V8 zu bieten hat. Hinzu kommt, dass das Ein- und Ausschalten des Verbrennungsmotors zu stark spürbar ist, vor allem bei sportlicher Fahrweise unter hoher Belastung. Apropos sportliches Fahren: Der Cayenne passt den Ladezustand seiner Batterie an den gewählten Modus an, um sicherzustellen, dass die volle Leistung zur Verfügung steht, wenn der Fahrer sie benötigt. So sorgt der V6 dafür, dass der Ladezustand im Modus Sport bei mindestens 20 Prozent und im Modus Sport Plus über 30 Prozent liegt. Das ist deutlich weniger als früher mit 80 Prozent im Sport-Plus-Modus, aber es reicht dennoch aus, um zu verhindern, dass man die Batterie leerfährt und unverhofft ohne elektrische Unterstützung dasteht.

Keine DC-Ladung möglich

Die andere Möglichkeit, den Akku aufzuladen, führt nur über eine Wallbox. Hier hat das verbaute Ladegerät an Ladeleistung zugelegt, denn der Strom fliesst mit bis zu 11 kW, vorher waren es maximal 7.2 kW. Damit kann die Batterie in 2:39 Stunden auf 100 Prozent geladen werden, wenn sie komplett leer war. Der Cayenne bietet jedoch weiterhin keine Gleichstromaufladung an DC-Säulen, wie sie nicht nur beim Mercedes-Benz möglich ist, der in 20 Minuten mit 60 kW aufgeladen werden kann, sondern auch bei den Kompakt- und Mittelklassemodellen aus dem Volkswagen-Konzern.

Dynamisch kann das Porsche-SUV mit ausgezeichneten Werten aufwarten. Die Beschleunigung von 0 auf 100 km/h passiert in 4.8 Sekunden, die Höchstgeschwindigkeit wird mit 263 km/h angegeben. Das Auto bremst auch viel besser als seine Konkurrenten, der Bremsweg von 100 auf 0 km/h beträgt nur 34 Meter. Optisch bietet der Cayenne S E-Hybrid wie die anderen Modelle einen neuen Stossfänger und neu gestaltete Scheinwerfer, die nun mit Matrix-LED ausgestattet sind. Hinten wandert das Kennzeichen von der Heckklappe in den Stossfänger, im Innenraum der Schalthebel vom Mitteltunnel ins Armaturenbrett. Ein zusätzlicher 10.9-Zoll-Bildschirm befindet sich vor dem Beifahrer und ermöglicht es diesem, auf langen Fahrten Filme anzuschauen. Der Fahrer sieht davon nichts, denn für ihn verdunkelt sich der Bildschirm, wenn das Auto fährt. Steht das Auto, kann auch der Fahrer den zusätzlichen Bildschirm nutzen.

Der gesamte Innenraum ist sehr gut verarbeitet, und die Materialien sind erstklassig. Man könnte anmerken, dass Porsche es mit dem Kunststoff etwas übertrieben hat, der überall im Innenraum bis hin zur Mitte des Lenkrads zu finden ist. Aber immerhin ist dieser von guter Qualität. Mit Blick auf Familien, die das SUV zum Reisen nutzen, hat Porsche die Variabilität gut durchdacht und bietet unter anderem eine verschiebbare und dreigeteilt umklappbare Rückbank. Auch das Raumangebot ist gut, vorne und hinten sind die Ellenbogenbreite und die Kopffreiheit hervorragend. Das Kofferraumvolumen reicht von 545 Litern in der Normalkonfiguration bis zu 1563 Litern bei umgeklappten Sitzen. Allerdings liegen diese Werte immer noch deutlich unter denen des Cayenne ohne Hybridtechnik mit reinem Verbrennerantrieb (698/1708 l).

Der Cayenne wird im VW-Werk in der slowakischen Hauptstadt Bratislava zusammengebaut. Die Preise sind markentypisch und können wegen der langen Liste von Sonderausstattungen in die Höhe schnellen. Der Grundpreis für den S E-Hybrid liegt bei 143 200 Franken, der Testwagen kostet aufgrund der Konfiguration (unter anderem Exklusivlackierung für 11 820 Fr.) 187 320 Franken. Und dennoch bekommt man für diesen Preis nur die mittlere Leistungsstufe des Cayenne. 

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Testfazit

Mit dem Cayenne S E-Hybrid bietet Porsche eine ­Zwischenlösung an, die mit ihrem V6 leider näher an der Einstiegsversion liegt als die schicke Variante mit V8. Dennoch ist dieser Cayenne ein ausgezeichnetes Familien-SUV mit vielen Qualitäten, angefangen bei der Leistung und dem Verbrauch, vor allem aber, was Geräumigkeit und Variabilität angeht.

Testergebnis 77/100

Antrieb 12/17

Der V6 bietet nicht die Noblesse und den Sound eines V8, aber es besteht kein Zweifel, dass er ausreichend Leistung hat. Sein Verbrauch hält sich in Grenzen. Allerdings gibt es ein paar Ruckler im Antriebsstrang.

Fahrwerk 16/20

Das Luftfahrwerk bietet diesem 2.5 Tonnen schweren SUV eine hervor­ragende Karosseriestütze. Es ist in der Lage, Kurven mit hoher Geschwindigkeit zu durchfahren, auch dank der lenkbaren Hinterachse.

Innenraum 26/33

Der Innenraum ist gut verarbeitet und geräumig. Er ist flexibel und verfügt über eine verschiebbare Sitzbank.

Sicherheit 15/18

Die zahlreichen Fahrhilfen funktionieren gut und behindern nie das Fahren. Die Bremsen sind erstklassig.

Budget 8/12

Porsche-Fahren hat seinen Preis. Das deutsche SUV startet bereits mit ­einem ­hohen Grundpreis, der durch die vielen Optionen, die man ankreuzen kann, noch weiter ansteigt.

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