Erfolgstyp Skoda hat seinen elektrischen Bestseller Enyaq aufgefrischt. Im RS steigt die Leistung, dafür sinkt der Verbrauch. Aber der leuchtende Tscheche hat auch wenige dunkle Seiten.
Der Skoda Enyaq war im vergangenen Jahr in der Schweiz der mit Abstand meistverkaufte Stromer des Volkswagen-Konzerns. Auch in den ersten drei Monaten des Jahres 2024 hat er sich schon wieder deutlich an die interne Spitze gesetzt, er ist das einzige EV auf der MEB-Plattform, das es in die Top 15 schafft. Im vergangenen Jahr war der elektrische Skoda hinter dem Tesla Y sogar das zweitmeist verkaufte Auto in der Schweiz, stolze 5159 Exemplare wurden abgesetzt. Heuer läuft es noch nicht ganz so gut (768 Exemplare von Anfang Januar bis Ende März), aber das dürfte auch daran liegen, dass der Tscheche aufgefrischt wurde, die neuen Fahrzeuge langsam in den Markt tröpfeln.
Deutlich geringerer Verbrauch
Aufgefrischt also geht der Skoda Enyaq in den neuen Modelljahrgang. Allerdings fallen die Veränderungen relativ gering aus, optisch sehen die Neuerung nur wahre Markencracks. Am einfachsten zu erkennen sind sie wohl daran, dass die Bezeichnung iV – in der Schweiz ohnehin ein etwas unglücklicher Name – weggefallen ist. Ansonsten künden die Tschechen neue Software und ein neues Infotainmentsystem an. Und natürlich mehr Leistung. Der RS kommt jetzt analog zu den GTX-Modellen von VW auf satte 250 kW (340 PS), der Akku wurde auf 77 kWh Nettokapazität vergrössert, kann mit 175 kW geladen werden und schafft neu eine Reichweite nach WLTP von 537 Kilometer (als Coupé gar 543 Kilometer). Papier gilt im Allgemeinen als geduldig, die darauf gedruckten Angaben des Herstellers kann man natürlich als eher zuversichtlich bezeichnen.
Wobei uns der Skoda bei unserer ausführlichen Testfahrt, die uns unter anderem über deutsche Autobahnen nach München und zurück führte, tatsächlich mit einem deutlich geringeren Verbrauch als auch schon gefiel. Während es früher fast nicht möglich war, unter 22 kWh/100 km zu kommen, schaffte unser Proband die Reise aus dem Emmental zur Bayern-Arena mit einem Schnitt von 18.5 kWh/100 km. Das Fahrpedal wurde zwar bewusst sehr zurückhaltend bedient, und die Klimaanlage war bei 21 Grad Aussentemperatur ausgeschaltet, doch die jeweiligen Höchst- und Richtgeschwindigkeiten wurden zumeist eingehalten, geschlichen sind wir nicht. Vorbildlich ist ein solcher Durchschnitt noch nicht, aber erfreulich viel besser als derjenige früherer MEB-Fahrzeuge. Pinselt man den Skoda durch (Maximaltempo nach Tacho 185 km/h), dann steigt der Stromverbrauch wenig überraschend in absurde Höhen – wie bei allen anderen Stromern auch.
Wunderbarer Reisewagen
Man kann es schnell ausrechnen: 77 kWh geteilt durch 18.5 kWh/100 km ergibt bei einem solchen Streckenprofil eine Reichweite von, vernünftigerweise, gut 400 Kilometern. Auch das ist anständig, damit kann man auf jeden Fall leben, auch ein Benziner würde nicht viel mehr schaffen (ein Octavia-Diesel schon ...). Und der 2.3-Tonner fährt sich gerade auf der Autobahn höchst angenehm, liegt satt auf der Strasse, ist dabei sehr ruhig, keine Windgeräusche dringen in den Innenraum, man hört höchstens die Abrollgeräusche der Reifen, doch auch diese werden bestens weggedämmt. Als Reisewagen ist der Enyaq sehr souverän, nicht zuletzt deshalb, weil seine Fahrwerkauslegung deutlich auf der komfortablen Seite liegt. Es sei hier aber für einmal nicht gejammert über eine zu schwammige Lenkung bei einem Stromer: Sie ist nun deutlich handfester ausgelegt. Das gibt zwar nicht mehr Rückmeldung von der Strasse, aber ein klar besseres Gefühl.
Auch seine übrigen Eigenschaften machen den Enyaq zum idealen Reisewagen. Man sitzt hoch und vor allem ausgezeichnet. Im RS gibt es die sportliche Variante des Gestühls, das sieht nicht nur gut aus, sondern es sitzt sich in ihm auch so, bequem, mit wirklich gutem Seitenhalt. Hinten haben es die Passagiere ebenfalls bequem und auch viel Platz. Vor sich hat man eine Cockpitlandschaft mit edlen Materialien, bestens verarbeitet, haptisch eine Wonne, optisch ein Genuss. Das machen die Tschechen richtig gut (teils sogar besser als ihre Kollegen bei Volkswagen). Was dann wiederum den Erfolg des Enyaq erklärt: Er bietet mehr Raum bei feinerer Verarbeitung zu einem faireren Preis als seine Brüder aus Wolfsburg. Gerade der RS ist in mancher Hinsicht wohl auf dem Niveau von Audi. Darüber gibt es jetzt noch die Version L & K, welche an die Unternehmensgründer Laurin und Klement erinnern will. Man soll es ja nicht vergessen: Einst, lange ist es her, gehörte Skoda zu den nobelsten Marken der Welt.
Auch Luft nach oben
Doch auch beim neuen Enyaq ist nicht alles nur grossartig. Gerade die Assistenten kranken weiterhin bei der Software. Und das auf einem Niveau, das irgendwie nicht erklärlich ist. Die Geschwindigkeitserkennung ist weiterhin ungenügend, auf der A1 zwischen Bern und Zürich schaffte es der Skoda genau zwei Mal, die vorgegebene Geschwindigkeit richtig einzustellen. Zwar ist das ein schwieriges Unterfangen, weil das Tempo alle 200 Meter ändert, aber es gibt eine ganze Reihe von Konkurrenten, die das deutlich besser können. Sogar solche aus sehr fernen Ländern, China, Korea. Wir staunen wirklich darüber, wie schlecht das der Skoda im Griff hat, da muss es doch unbedingt bessere Lösungen geben.
Peinlich wird die Softwarefrage dann bei der Reise- und Ladeplanung. 50 Kilometer um den Wohn- und Arbeitsort herum kennen wir wohl jede Station, die auch wirklich funktioniert, vernünftige Ladegeschwindigkeiten bietet, also über 150 kW. Der Skoda allerdings nicht, er schickte uns per Navi zu einem 22-kW-Lader, obwohl es 500 Meter weiter einen Schnellader gab. Immerhin kann man jetzt auch händisch vorwärmen, damit der Akku auch richtig Strom saugt. Fährt man nun auf unbekannten Gassen, eben zum Beispiel nach München, dann will man sich umso mehr auf die Auswahl der Software verlassen – und staunt dann wieder. Kurz vor dem Ziel schickte uns der Enyaq in ein zehn Kilometer von der Autobahn entferntes Industriegebiet, wo wir mit maximal 60 kW laden sollten. Markenneutrale Apps fanden aber in der näheren Umgebung, also auch deutlich näher an der Autobahn, Ladestationen, die das viel schneller hätten tun können. Auf der Rückfahrt wird das Erstaunen noch grösser. Insgesamt 30 Kilometer Umweg für eine Amag-Ladestation mit maximal 100 kW, obwohl es direkt an der Autobahn einen fetten Ionity-Lader gab. Der erst noch deutlich günstiger war. Ja, bei der Software gibt es wirklich noch Luft nach oben.
Trotzdem ein Leuchtstern
Dafür kann der Enyaq aber wenig, die Software ist konzernübergreifend. Das ist ein bisschen schade, denn der Tscheche ist und bleibt sicher ein sehr gutes Produkt auf der MEB-Plattform, er sieht gut aus, er bietet ein Mehr an Raum, das man als erfreulich bezeichnen darf – und er kommt zu einem Preis, der seinen Qualitäten gerecht wird. Ein Tesla Model Y kann es bei der Software besser, er ist dazu bei mehr Leistung auch günstiger. Doch wer lieber europäisch elektrisch fährt, für den ist der Enyaq ein Leuchtstern. Was er mit seinem wild beleuchteten Frontgrill auch klar ausdrückt.
Testergebnis 80/100
Antrieb 24/30
Die Überarbeitung des Antriebsstrangs inklusive Beigabe einer grösseren Batterie hat dem Skoda Enyaq RS spürbar gutgetan. Die Fahrleistungen werden dem Sportkürzel gerecht, der Verbrauch hält sich im Rahmen.
Fahrwerk 16/20
Als sportlicher Reisewagen ist der Enyaq RS ideal abgestimmt. Er liegt satt auf der Strasse, ziehe stoisch seine Bahn. Kurven beherrscht er auch ganz gut, doch hier stört das Gewicht bei gar dynamischen Absichten.
Innenraum 18/20
Viel Platz, sehr gute Verarbeitung und eine hübsche Materialauswahl. Vom früheren Billigimage ist Skoda meilenweit weggefahren.
Sicherheit 11/15
Das fein abgestimmte Fahrwerk lässt viel zu, das Auto gibt sich absolut narrensicher. Die Assistenten sind leider zum Teil unzuverlässig. Dafür können die Bremsen trotz Eco-Bereifung überzeugen.
Budget 11/15
Knapp 70 000 Franken kostet der Skoda Enyaq RS in der Grundausstattung. Ein Tesla ist günstiger, die Asiaten ohnehin, die vergleichbare europäische Konkurrenz nicht. Die Neonfarbe ist übrigens aufpreisfrei.
Fotos: Vesa Eskola, Text: Peter Ruch