VW ID.7 – Passabel, ganz passabel

AR-Testteam | 02.05.2024

Flaggschiff Der ID.7 weckt Hoffnungen und Zuversicht, er soll Volkswagen zu neuem Glück führen. Doch taugt die E-Limousine auch dazu?

VW ID 7 6 auf der Front

Der grösste VW aus der ID-Familie wirkt gestreckt und elegant. An Platz ist kein Mangel in der E-Limousine.

Klein und gross, schnell und langsam, schön und ... – der jüngste Elektro-Volkswagen steckt voller Widersprüche. Er sieht so aus, wie die gesamte VW-ID-Generation daherkommt: recht nüchtern, aber unterkühlt-elegant. Die weisse Farbe unseres Testwagens unterstreicht dies zusätzlich. Auch innen wirkt der ID.7 ausgesprochen sachlich, bietet aber reichlich Raum für die Insassen. Das Instrumentenbrett ist nur noch ein schmaler Schlitz, der sich vor dem Lenkrad von der A-Säule nach rechts bis zu einem die Szene dominierenden Bildschirm spannt. Die Anzeigen, natürlich digital, werden von einem wenige Finger breit darüber an die Frontscheibe projizierten Head-up-Display ergänzt. Gelegentlich wirkt dies, bedingt durch die Nähe der beiden Anzeigen, etwas redundant, beide liegen im direkten Sichtbereich. Dafür kann niemand mehr behaupten, die Tempoanzeige oder ­einen der vielen anderen Warnhinweise, die der ID.7 bereithält, nicht gesehen zu haben. Ein grandioses Feature, wenn wir bereits beim Thema Warnhinweise sind, bilden die als Augmented Reality umgesetzten Navi-Hinweise oder die eingeblendeten Leitlinien, wenn man diesen bei der Fahrt auf der Autobahn zu nahe kommt. Das verleiht der Nähe der beiden Anzeigen letztlich Sinn und geht auch nicht zu Lasten der Sicherheit, weil die ganzen Symbole nur dann eingeblendet werden, wenn es sie braucht.

Die Bedienung des ID.7 folgt den jüngsten Bestrebungen im Volkswagen-Konzern. Die polarisierenden Touchflächen, die für den ID.7 optional auch auf dem Lenkrad erhältlich sind, funktionieren zusätzlich nun auch als Drucktasten für dieselben Aktionen. Zur Wahl der Fahrtrichtung, von Getriebe brauchen wir hier nicht zu schreiben, sitzt rechts hinter dem Lenkrad ein Lenkstockhebel, die Richtungswahl erfolgt ID-like durch Drehen. Die Scheibenwischer werden über ein winziges Schalterchen bedient, das im links angebrachten Blinkerhebel integriert ist. Aber wer trägt heute noch Handschuhe beim Autofahren ...

Rituale sind überflüssig

Wie oft entpuppen sich eingeübte Rituale und Gewohnheiten, von denen uns manche heilig sind, durch den Lauf der Zeit und die fortschreitende Entwicklung als überflüssig? Der ID.7 räumt mit einigen typischen Ritualen rund ums Auto auf. So gibt es keinen Startknopf mehr. Befindet sich der Schlüssel einmal im Auto, braucht man nur noch den Fahrschalter in die gewünschte Richtung zu drehen. Das mag bei einem E-Auto Sinn machen, denn man muss ja keinen Motor starten. Aber es wirkt wie der Besuch in einem Restaurant, wo der Kellner ohne jegliche Begrüssung gleich die Bestellung aufnimmt. Das ist bestimmt zeitsparend, aber irgendwie auch emotionslos. Andererseits passt dies wohl in unsere hektische Zeit: Hinein ins Auto und ohne lange Formalitäten losfahren!

Platzwagen – Reisewagen

Doch in punkto Emotionen tut sich der ID.7 auch anderweitig eher schwer, etwas mehr Witz und Schalk täten dem Wagen gut. Dieses Auto wirkt auf den ersten Blick so ernst wie früher die Zeitansage per Telefon. Doch ist der ID.7 einmal in Fahrt, gefällt er mit seiner Spontaneität bei Geschwindigkeitswechseln, wie sie bei Verbrennern nur bei Motoren mit Einzeldrosselklappen zu finden ist. Diese Bereitschaft zeichnet, typisch für ein Elektroauto, auch den grossen Strom-VW aus.

Nicht so richtig warm wurden wir hingegen mit der Lenkung. Sie kaschiert das Gewicht des Autos in keiner Weise und wirkt in der Mittellage reichlich diffus. Auch die Rückstellkräfte dürften wesentlich ausgeprägter sein, eine saubere Linie zu fahren, wird so zur Herausforderung. Einen Grund für diese eher lusttötende Charakteristik konnten wir nicht feststellen. Beim Fressen von Autobahnkilometern bei Aktivierung aller verfügbarer Assistenten spielt dies kaum eine Rolle, doch wer ­eine kurvige Landstrasse als nette Einladung zu etwas Lustgewinn versteht, liegt mit diesem «Siebner» daneben. Zudem bringt die Federung – aufgrund des Gewichts straff abgestimmt, aber in Bezug auf ein gutes Komfortgefühl und ein geschmeidiges Abrollverhalten etwas zu wenig gedämpft – bei forscherer Fahrt reichlich Unruhe in den Wagen. Er wippt und schaukelt, anders als bei der Lenkung merkt man hier überdeutlich, dass es galt, das Leergewicht von rund 2.2 Tonnen zu kaschieren.

VW ID 7 4

Der ID.7 präsentiert sich nüchtern und sachlich – und weniger als luxuriöses Premiumangebot. Das ist für Volkswagen gewiss der richtige Weg und wirkt solide und seriös. Nur Charme und Witz kommen dabei etwas zu kurz. Die weit vorgezogene, sehr reduziert ausgeführte Armaturentafel verleiht dem Innenraum Luft und Weite. Der mittlere Bildschirm ist dafür fast überdimensioniert. Toll ist die virtuelle Anzeige des Totwinkel- und Abstandswarners. Viele Ablagen und top Sound sind inklusive.

Der ID.7 zielt klar auf den Konkurrenten Tesla Model 3, in Kürze folgt auch eine Kombivariante namens Tourer. Damit der ID.7 und sein Kombipendant als Flottenfahrzeuge zum Erfolg werden, müsste VW allerdings dem aktuell einzig lieferbaren, 286 PS starken Siebner mit 77 kWh nutzbarer Batteriekapazität wohl eine preisgünstigere, etwas weniger potente Variante zur Seite stellen. Der ID.7 startet aktuell bei 65 500 Franken. Nach oben folgen bald mehr kWh (Pro S) und mehr PS (GTX).

Apropos: In derselben Zeile wie der Preis steht in der Liste auch der Hinweis zur Reichweite. Allerdings gehört die Angabe «583 bis 621 Kilometer» ins Reich der Fantasie. Das Auto selbst ist in dieser Hinsicht ehrlicher. Nach einer Komplettladung versprach uns der E-Wagen bei relativ kalter Aprilwitterung auf der Anzeige regelmässig zwischen 420 und 450 Kilometer. Diese Distanzen liessen sich ausnahmslos realisieren und sind auch ganz respektabel. Wer einem normalen Tagesgeschäft nachgeht, kommt so ohne Schnellladung durch (der ID.7 lädt mit bis zu 170 kW DC-Ladeleistung). Damit erfüllt der ID.7 die Anforderungen als Ersatz beispielsweise für einen VW Passat durchaus – selbst für Nutzer, die länger am Lenkrad sitzen als der Durchschnittsautofahrer.

Doch sprechen wir nochmals über den Preis. Aktuell steht der ID.7 also nur in einer Variante in der Preisliste. Dazu gibt es fünf Farben und zwei Exterieur- und zwei Interieurpakete, jeweils in Klein und in Gross, im Bereich zwischen 2500 und 4900 Franken. Beim Testwagen gehörte etwa das Panorama-Glasdach zur grossen Interieur-Option. Zusätzlich erhältlich sind ein Paket mit erweiterten Fahrassistenzsystemen und ein Komfortpaket mit Drei-Zonen-Klimaanlage, Touchfunktionen am Lenkrad und kabelloser Handy-Schnittstelle samt Induktions-Lademöglichkeit. Extra aufgeführt ist zudem eine Heizung per Wärmepumpe. Diese Preispolitik wirkt sehr undeutsch, den Ausstattungsumfang darf man als reichhaltig bezeichnen. Einziger Kritikpunkt bei einem Auto für über 60 000 Franken ist der Aufpreis von 1060 Franken für die Wärmepumpe. In dieser Klasse sollte das eine Selbstverständlichkeit sein. 

Testfazit

Der VW ID.7 erfordert etwas Zeit zur Angewöhnung. Er ist kein Tausendsassa wie ein Polo, Golf oder Passat, in den man sich hineinsetzt und losfährt. Die Lenkung ist eine Enttäuschung. Ansonsten aber wirkt der Wagen ausgeklügelt, die investierte Zeit scheint gut genutzt worden zu sein. Das Raumangebot ist grosszügig, und mit der Bedienung findet man langsam einen passablen Umgang.

Testergebnis 80/100

Antrieb 18/20

Kräftig und E-Auto-typisch stets bereit, loszulegen. Die gebotene Leistung wirkt angemessen und sorgt für eine entspannte Fahrweise.

Fahrwerk 9/17

Relativ straff gefedert, dafür eher lasch gedämpft, ist das Auto stets ­etwas in Bewegung. Die Lenkung ist wenig kommunikationsfreudig.

Innenraum 25/28

Grosszügig und gut gestaltet, wenn auch eher sachlich denn gemütlich. Der Sitzkomfort ist hervorragend, auch hinten lässt es sich gut leben.

Sicherheit 13/15

Wer alle Optionen wählt, erhält ein perfekt funktionierendes Assistenzpaket. Besonders gelungen sind die Augmented-Reality-Funktion des Head-up-Displays und die virtuelle Darstellung des umliegenden Verkehrs.

Budget 15/20

Gemessen an der Grundausstattung ist der VW adäquat eingepreist. Die Aufpreispolitik mit wenigen erhältlichen Paketen ist übersichtlich. Einzig die Wärmepumpe als aufpreispflichtige Option erscheint angesichts des Preisniveaus etwas kleinlich, zumindest in unseren Klimabereichen.

Fotos: Vesa Eskola, Text: Martin Sigrist

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