Der Preis der Pferdestärken

AR-Testteam | 07.03.2024

Stark Was darf eigentlich als Kompaktsportler gelten? Fällt ein kleines SUV mit fast 430 PS in diese Kategorie? Der neue Volvo EX30 
ist auf jeden Fall eines: unschlagbar günstig.

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Noch nicht allzu lange ist es her, dass völlig klar war, dass teure Sportwagen viel Leistung haben und günstige Kleinwagen wenig. Wer viele PS will, bezahlt auch viel dafür. Mit dem Elektroantrieb hat sich diese Binsenwahrheit in die Geschichtsbücher verabschiedet. Volvos kleinstes SUV, den EX30, gibt es bereits ab 37 850 Franken, in seiner stärksten Variante leistet er 315 kW (428 PS) und beschleunigt laut Werk in 3.6 Sekunden von null auf Tempo 100. Natürlich kostet das etwas mehr. Etwas bedeutet in diesem Fall: nicht einmal 13 000 Franken, den EX30 Twin Motor Performance gibt es nämlich schon für laue 50 700 Franken. Viel günstiger waren Sportwagenfahrleistungen noch selten zu haben, die Käufer darf es freuen.

Der Volvo EX30 betritt den Markt als kompaktes SUV mit überraschend viel Leistung unter der Haube. Oder eben im Heck, denn die Basisvariante kommt mit reinem Hinterradantrieb. 200 kW (272 PS) leistet der permanenterregte Synchronmotor und beschleunigt das mit 1.8 Tonnen vergleichsweise leichte Fahrzeug in flotten 5.3 Sekunden aus dem Stand auf 100 km/h. Und als ob das noch nicht genügend sportlich wäre für ein kleines SUV, gibt es auch noch die eingangs erwähnte Version Twin Motor Performance mit einer zusätzlichen Elektromaschine an der Vorderachse, die noch einmal 115 kW (156 PS) leistet. Damit sind es dann eben die absurd schnellen 3.6 Sekunden von 0 bis 100 km/h. Erstaunlicherweise hält auch das Fahrwerk mit. Trotz seiner komfortablen Abstimmung wirkt das Auto auch bei zügiger Kurvenfahrt nicht überfordert mit der Leistung. Das vermittelt Vertrauen und sorgt für ein sicheres Fahrgefühl. Besonders zu Hause fühlt sich der EX30 dank der kompakten Abmessungen natürlich im städtischen Verkehr.

Bruch mit der Norm

Noch aus einem anderen Grund ist Volvos Kleinster in der Stadt zu Hause. Für die Basisvariante mit 51-kWh-Batterie geben die Schweden eine WLTP-Reichweite von 344 Kilometern an. In der Praxis allerdings erreichte nicht einmal die von uns getestet Extended-Range-Version mit 69-kWh-Batterie diese Reichweite, brachte es auf der sparsam gefahrenen Normrunde mit einer Batterieladung bloss auf 310 Kilometer. Ein Unterschied zwischen den Varianten mit Heck- und mit Allradantrieb zeigt sich nicht, beide schaffen es genau gleich weit. Hier zeigt sich die grosse Stärke von Elektro­autos: Während beim Verbrenner mehr Leistung üblicherweise mit mehr Verbrauch einhergeht, kann ein leistungsstarker Stromer ebenso verbrauchsarm gefahren werden wie ein schwächerer. Geladen wird entweder mit 11 oder 22 kW (Serie bei allen Ultra-Ausstattungslinien) am Wechselstromanschluss oder mit bis zu 150 kW am Schnelllader. Damit ist die Batterie in 26 Minuten wieder auf 80 Prozent geladen.

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Die Bedienung des Fahrzeugs erfolgt fast ausschliesslich über das Infotainment, auch der Tacho wird auf dem zentralen 
Display angezeigt. Das sorgt für Ablenkung vom Verkehr.

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Die Bedienung des Fahrzeugs erfolgt fast ausschliesslich über das Infotainment, auch der Tacho wird auf dem zentralen 
Display angezeigt. Das sorgt für Ablenkung vom Verkehr.

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Die Sitze des Volvo EX30 sind komfortabel, die Kopffreiheit ist vorne wie hinten ausreichend. Für Erwachsene fällt allerdings die Kniefreiheit auf den Rücksitzen des kompakten SUV knapp aus.

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Die Sitze des Volvo EX30 sind komfortabel, die Kopffreiheit ist vorne wie hinten ausreichend. Für Erwachsene fällt allerdings die Kniefreiheit auf den Rücksitzen des kompakten SUV knapp aus.

Der Volvo EX30 präsentiert sich als faszinierende Mischung aus Innovation und Eigenwilligkeit und bietet ein beeindruckendes Fahrerlebnis. Ist das für alle das Richtige? Wohl nicht. Für viele aber offensichtlich schon, schliesslich avancierte Volvos neuster Stromer nicht grundlos in kurzer Zeit zum aktuell meistverkauften Modell der Schweden und schaffte es unter die sieben Finalisten von Car of the ­Year 2024. Die Eigenwilligkeit beginnt bereits beim dem Einsteigen: Der Schlüssel bricht mit der Norm und weist ein minimalistisches Design auf – komplett ohne Tasten. Der EX30 entriegelt sich, wie heute üblich, selbst, wenn man sich ihm nähert. Funktioniert dies einmal nicht, hält man wie bei Tesla den Schlüssel an die B-Säule oder öffnet das Auto über die App.

Alles digital

Im Innenraum fällt sofort die charakteristische Konzentration auf eine reduzierte Gestaltung auf. Es scheint fast, als habe sich Volvo Inspiration bei Ikea geholt. Die nüchterne Schlichtheit erinnert an Billy- und Kallax-Möbel. Während dies für einige ein Gefühl von Wohnlichkeit hervorrufen mag, finden es andere möglicherweise etwas zu reduziert für das Interieur eines Autos. Auf jeden Fall aber ist alles, von den zahlreichen Ablagefächern bis hin zu den zwei induktiven Ladeschalen für Mobiltelefone, funktional. Komplett wegrationalisiert wurden jegliche Knöpfe, die Bedienung erfolgt ausschliesslich über den zentralen Touchscreen.

Hier kann so ziemlich alles nach Belieben konfiguriert werden, vom Geschwindigkeitswarner über den Spurassistenten bis hin zum Abstand zum Vordermann, den der adaptive Tempomat einhält. Dass dieser aber bei jedem Neustart des Fahrzeugs aufwändig wieder neu gewählt werden muss, ist nur eine der eigenwilligen Entscheidungen der Interface-Designer. Auch der Mechanismus zur Spiegelverstellung ist zum Beispiel eine Quelle der Frustration. Die Einstellung erfolgt ebenfalls in den Menüs des Infotainments. Bloss sind diese nicht mehr aufrufbar, sobald der Rückwärtsgang eingelegt und damit das Kamerabild aktiv ist. Wer also zum Einparkieren den Spiegel absenken will, um den Randstein im Blick zu haben, muss entweder vorher daran denken – oder auf gut Glück hoffen, dass er die schönen Felgen nicht verkratzt.

Der Blick auf den Tacho

Relevante Anzeigen wie Geschwindigkeit, Tempomat- und Assistenzsystemstatus befinden sich in der Mitte – auch hier lässt Tesla grüssen – und erfordern eine vorübergehende Abwendung vom Verkehrsgeschehen. Es ist eine Designentscheidung, die für Fahrer, die an traditionellere Layouts gewöhnt sind, ungewohnt wirkt. Und die auch aus Sicherheitsgründen nicht ideal ist – was das Auto dank der Fahrerüberwachung auch gleich erkennt. Das führt zu der absurden Situation, dass ein längerer Blick auf den Tacho das Auto bereits dazu veranlasst, den Fahrer daran zu erinnern, er möge doch die Aufmerksamkeit auf die Strasse richten.

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Komfort wird gross geschrieben im kleinen Schweden: Die Sitze sind bequem, das Fahrwerk ist sauber abgestimmt und auch mit den 428 PS der Performance-Variante nicht überfordert. Das vermittelt Sicherheit.

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Komfort wird gross geschrieben im kleinen Schweden: Die Sitze sind bequem, das Fahrwerk ist sauber abgestimmt und auch mit den 428 PS der Performance-Variante nicht überfordert. Das vermittelt Sicherheit.

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Komfort wird gross geschrieben im kleinen Schweden: Die Sitze sind bequem, das Fahrwerk ist sauber abgestimmt und auch mit den 428 PS der Performance-Variante nicht überfordert. Das vermittelt Sicherheit.

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Komfort wird gross geschrieben im kleinen Schweden: Die Sitze sind bequem, das Fahrwerk ist sauber abgestimmt und auch mit den 428 PS der Performance-Variante nicht überfordert. Das vermittelt Sicherheit.

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Das Interieur erinnert an typisch skandinavisches Design: Alles ist aufs Minimum reduziert. Wem das gefällt, der wird auch an Volvos kleinstem SUV Gefallen finden.

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Das Interieur erinnert an typisch skandinavisches Design: Alles ist aufs Minimum reduziert. Wem das gefällt, der wird auch an Volvos kleinstem SUV Gefallen finden.

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Das Interieur erinnert an typisch skandinavisches Design: Alles ist aufs Minimum reduziert. Wem das gefällt, der wird auch an Volvos kleinstem SUV Gefallen finden.

Auch verzichtet der EX30 auf ein Head-up-Display, das das Fehlen der traditionellen In­strumentierung ausgleichen könnte, der Fahrer ist also auf das zentrale Display für wichtige Informationen angewiesen. Auch hier haben sich die Schweden etwas zu sehr von Tesla inspirieren lassen, das ja nicht eben als Vorbild für gelungene Ergonomie gilt. Der Smart #1 als direkter Konkurrent löst das besser, verzichtet zwar auch auf ein Kombiinstrument, bietet aber ein Head-up-Display und projiziert die wichtigsten Informationen ins Blickfeld des Fahrers.

Komfortabel

Der Komfort des Fahrzeugs ist ausgezeichnet, nicht nur dank des Fahrwerks, sondern auch aufgrund der komfortablen Sitze sowohl vorne als auch hinten. Der EX30 erfüllt den Slogan «Der kleinste Volvo bisher» auf eine überzeugende Weise, wobei der Vorteil der kompakten Abmessungen sich im Gegenzug im wenig geräumigen Innenraum widerspiegelt. So ist die Kniefreiheit auf der Rücksitzbank für Erwachsene beziehungsweise der Platz für Kindersitze sehr begrenzt, und auch der Kofferraum ist mit 320 Litern relativ klein. Zusätzlich gibt es ein Fach unter der vorderen Haube, den sogenannten «Frunk», das praktisch ist für die Aufbewahrung der Ladekabel.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass der Volvo EX30 eine Mischung aus Komfort, Innovation und fragwürdigen Entscheidungen der Software-Designer ist. Während Fahrer mit traditionellen Bedürfnissen wohl schnell einmal mit der Bedienung des Schweden überfordert sind, werden seine unkonventionellen Merkmale mit Sicherheit viele Fans ansprechen, die sich mit der eigenwilligen Bedienung anfreunden können – und sich dennoch über kommende Updates freuen werden. Ganz wie man das auch von den Tesla-Fans gewohnt ist. Und dann ist da natürlich auch noch die schier unglaubliche Leistung zu einem schier unschlagbaren Preis, die den einen oder anderen Kunden ebenfalls über das eine oder andere Problem bei der Bedienung hinwegsehen lassen wird. 

Testfazit – Volvo EX30 Single Motor

Der Volvo EX30 Single Motor beeindruckt mit seinem überraschend komfortablen Fahrerlebnis. Die unkonventionelle Bedienung wird für einige Fahrer zu viel des Neuen sein, aber die Fans innovativer Technologie werden sich vom Volvo EX30 begeistern lassen. Sein stärkstes Argument jedoch ist der Preis, der bereits bei 37 850 Franken beginnt.

Testergebnis Volvo EX30 Single Motor 71/100 

Antrieb 12/20

Bereits in der schwächeren Variante mit Heckantrieb bietet der Volvo EX30 ordentlich viel Power und eine harmonische Leistungsentfaltung. Seine Schwäche sind der hohe Verbrauch und die dadurch begrenzte Reichweite.

Fahrwerk 11/15

Das Fahrwerk ist komfortabel abgestimmt, lässt sich aber auch bei ­zügiger Fahrt nicht aus der Ruhe bringen. Das vermittelt ein Gefühl von Sicherheit – für das Volvo ja steht.

Innenraum 16/25

Die kompakten Abmessungen von Volvos kleinstem SUV sind praktisch in der Stadt. Aber das Platzangebot auf der Rückbank und im Kofferraum ist dadurch sehr knapp. Unter der vorderen Haube gibt es im EX30 Single Motor ein praktisches Fach für die Ladekabel.

Sicherheit 11/15

Die zahlreichen Assistenz- und Sicherheitssysteme funktionieren zuverlässig und lassen sich nach Belieben konfigurieren. Aber die ausschliessliche Bedienung über das zentrale Display lenkt vom Verkehr ab.

Budget 21/25

Der Preis ist mit Sicherheit das stärkste Argument des EX30. Mit einem Basistarif von 37 850 Franken ist der kleinste Volvo zugleich auch der günstigste – und steht auch im Konkurrenzvergleich mehr als gut da.

Testfazit – Volvo EX30 Twin Motor

In der Performance-Variante leistet der Volvo EX30 beeindruckende 315 kW (428 PS). Die Reichweite ist wie auch das Platzangebot etwas beschränkt. Selbst voll ausgestattet liegt der Preis bloss bei maximal knapp über 50 000 Franken. Für weniger Geld gibt es bei der Konkurrenz kaum mehr Leistung.

Testergebnis Volvo EX30 Twin Motor 73/100

Antrieb 13/20

Mit 428 PS und 0 bis 100 km/h in 3.6 Sekunden bietet der Volvo EX30 Twin Motor Performance überragende Fahrleistungen, die einst Sportwagen vorbehalten waren. Minuspunkte gibt es für die knappe Reichweite.

Fahrwerk 11/15

Das Fahrwerk ist zwar komfortabel abgestimmt, kommt aber auch mit der hohen Leistung problemlos zurecht. Das vermittelt ein Gefühl von ­Sicherheit – für das Volvo ja steht.

Innenraum 16/25

Die kompakten Abmessungen von Volvos kleinstem SUV sind praktisch in der Stadt. Aber das Platzangebot auf der Rückbank und im Kofferraum ist dadurch sehr knapp. In der Allradvariante entfällt das vordere Staufach.

Sicherheit 11/15

Die zahlreichen Assistenz- und Sicherheitssysteme funktionieren zuverlässig und lassen sich nach Belieben konfigurieren. Aber die ausschliessliche Bedienung über das zentrale Display lenkt vom Verkehr ab.

Budget 21/25

Für bereits rund 50 000 Franken bietet der Volvo EX30 Twin Motor Performance ein durchdachtes Auto und vor allem beeindruckend viel Leistung. Mehr Power für weniger Geld gibt es kaum auf dem Markt.

Fotos: Vesa Eskola, Text: Ramon Egger

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