Voyah Dream: Der Luxusvan für die Raumfahrernation

Moritz Doka | 25.09.2024

In Asiens verstopften Megacitys haben Luxusvans all die S-Klassen als favorisierte Chauffeursfahrzeuge abgelöst. Funktioniert das Konzept auch auf unseren überfüllten Autobahnen?

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Es ist halb sechs, der Feierabendverkehr steht. Rund eine halbe Stunde Stau zeigt Google Maps an. Perfekt! Wir schwingen uns in den Voyah Dream, reihen uns ein in den langsam mäandernden Blechstrom, lassen uns treiben und geniessen. Sind die da verrückt geworden bei der AUTOMOBIL REVUE? Nein, sind sie nicht. Bloss mitten in einem Experiment, das weniger masochistisch ist, als es scheinen mag.

Zur Erklärung beginnen wir am besten von vorne und ergo mit unserem Probanden, über dessen Namen Sie möglicherweise eben gestolpert sind. Voyah, gegründet 2017, ist die Nobelmarke des chinesischen Autoriesen Dongfeng und in der Schweiz bereits mit dem Elektro-SUV Free präsent. Der Dream ist nun der nächste Streich. Ein über 5.3 Meter langer, elektrischer Luxusvan, der kraft seiner 435 PS der schnellste Van aller Zeiten sein soll. An Selbstvertrauen mangelt es also schon mal nicht. Wobei wir diese Aussage erstens in Zweifel ziehen möchten und es beim Dream zweitens sowieso um etwas ganz anderes geht: maximal entspannt von A nach B zu kommen.

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Mehr als 5.30 Meter Länge, sieben Plätze: Braucht es das überhaupt?

Nobelvans haben in Tokio, Shanghai oder Seoul längst die Rolle einst etablierter Luxuslimousinen übernommen, sind perfekt für Shuttleservices und Geschäftsleute. Denn die Megacitys Asiens bestehen aus Staus. Umfahren geht nicht. Also macht man es sich so komfortabel wie möglich, und das geht am besten mit viel, viel Platz. Dass man mit Kleinwagen den Stau theoretisch halbieren könnte, diesen Gedanken lassen wir einfach mal beiseite.

Mehr Platz bedeutet eben mehr Bewegungsfreiheit, üppigere Sessel, grössere Bildschirme. Chinesische und japanische Hersteller haben in der Regel gleich mehrere Van-Modelle im Angebot. An unseren Gestaden landen sie ebenfalls langsam an, wenn auch noch in homöopathischen Dosen. Nach dem Lexus LM 350h und dem Maxus Mifa 9 ist der Voyah Dream erst der dritte in der Schweiz erhältliche Vertreter dieser Gattung. Die Frage ist: Braucht es diese Autos bei uns überhaupt? Also los, wagen wir uns wieder ans Experiment.

Voyah Dream Schiebetüren

Vorbeischwebender Kasten

Der Zustieg in den Fond gelingt durch die grossen, elektrisch öffnenden Portale ausgesprochen leicht. Als zusätzliche Hilfe fahren die beiden Einzelsessel nach vorne. Dick gepolsterte, elektrisch verstellbare Ledermöbel, beheizt, gekühlt, massiert und mit ausfahrbarer Beinauflage. First-Class-Feeling im Auto, die Voraussetzungen könnten schlechter sein.

Auf dem Weg zum auf der Navikarte tiefrot mahnenden Stück Autobahn fällt auf, wie komfortabel es sich im Dream reist. Vom von E-Autos bekannten Stuckern im Fahrwerk ist nichts zu spüren. Das höhenverstellbare Luftfahrwerk und die grossen Reifenflanken merzen jede noch so kleine Bodenunebenheit aus, belästigen die Insassen nie mit Informationen über den Strassenzustand. Was auffällt, sind die Blicke der Passanten.

Dermassen futuristisch wie einige seiner heimischen Artgenossen wirkt der Chinese zwar nicht, trotz beleuchtetem Markenlogo im Grill. Vielleicht ist es einfach die schiere Erscheinung des leise vorbeischwebenden schwarzen Kastens, dem etwas leicht Triadisches anhaftet.

Voyah Dream innen

Leben auf der Überholspur: Zwischen Karaoke und Jassen

Was man beim Voyah Dream im Vergleich mit anderen Nobelvans vermisst, sind eine Partition zur ersten Reihe hin sowie Fond-Entertainment. Dafür eignet er sich hervorragend als mobiles Büro. Die Smartphone-Taschen in den Sitzen haben eine Induktionsladefunktion, in den soliden Klapptischen in den Vordersitzen lassen sich zum Beispiel Tablets einklemmen. Mittlerweile im Stau angekommen, stellen wir dort den Laptop drauf, hängen ihn an eine der vielen Ladebuchsen und arbeiten eine Weile.Man kann sich aber auch entspannen, während man sich im Stau voranzentimetert.

Bei Bedarf lassen sich die mittleren Sitze nahezu in die Horizontale fahren, sodass sich durch das Glasdach der Himmel draussen beobachten lässt, temperiert und angenehm benebelt von der Dreizonen-Klimaanlage mit Beduftungsfunktion. Ja, so kann man es aushalten, an den asiatischen Way of Life könnte man sich gewöhnen. Zu diesem gehört auch Karaoke, in Asien so fest verankert wie bei uns der Jassabend. Deswegen hält der Dream eine Karaoke-Funktion bereit, inklusive dazugehöriger Innenraumkamera – die man auch deaktivieren kann, Stichwort Datenschutz.

Digitale Augen gibt es auch an anderen Stellen einige. Zum Beispiel eine Dashcam, mit der man auf Knopfdruck Fotos und Videos des vorausfahrenden Verkehrs aufnehmen kann. Oder die Aussenkameras, die ein gestochen scharfes Bild des nahen Umfelds liefern, beim Parkieren oder Abbiegen zum Beispiel. Zu guter Letzt ist da noch das Nachtsichtsystem, das sein monochromes Bild ans Digitalcockpit liefert.

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Der Voyah Dream macht einem das Chauffieren einfach

Ehe sich der Stau lichtet, wollen wir selbst mal ans Steuer. Also nach vorne gehüpft und die Rolle mit dem Fahrer getauscht. Der Dream macht einem das Chauffieren leicht, fährt sich, also ob ein Filter über allem liegen würde. Fahrpedalbefehle werden mit leichter Verzögerung umgesetzt. Unüblich bei Elektroautos, hilfreich, um sanft anzufahren. Im Sportmodus legt sich das, und der Dream legt flott los. Aber der schnellste Van der Welt? Hm.

Dafür gibt es einen Chauffeurs-Bremsmodus, der ruckfreies Verzögern bis zum Stillstand ermöglichen soll. Einen grossen Unterschied haben wir zwar nicht ausmachen können, aber der Wille zählt. Lenkimpulse werden mit Leichtigkeit, aber ohne Hektik umgesetzt. Der kleine Wendekreis erleichtert das Zirkeln durch den Verkehr trotz der 3.20 Meter Radstand. Eine echte Hilfe sind die Fahrassistenten, die den Fahrer tatsächlich unterstützen, anstatt zu nerven. Das kennt man von modernen Autos auch anders, nicht nur von solchen aus China.

Langsam lässt die Verkehrssituation wieder normale Autobahntempi zu. Erst jetzt, hinter dem Lenkrad bei 120 km/h, wird die Ruhe im Innenraum so richtig deutlich. Fünf Millimeter dicke Scheiben und eine besonders umfangreiche Dämmung sorgen dafür, dass kaum auditive Signale von der Aussenwelt hereindringen. Dadurch muss man das Soundsystem weniger laut aufdrehen, das mit seinem dünnen Klang und den faserig wummernden Bässen nur bedingt überzeugen kann.

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Zugespitzter Use Case

Selbstredend kann man den Voyah Dream auch zum Familientransport nutzen. Es gibt einen extra Kindermodus, bei dem im Stand die Klimaanlage läuft, wenn man die Kleinen mal kurz im Auto lassen möchte. Sechs Erwachsene finden problemlos Platz, Kinder sowieso. Bleibt bloss zu hoffen, dass die Kleinen das Herumspielen an all den elektrischen Schaltern und Gadgets früh leid sind, sonst könnte es nervig werden.

Das gute Platzangebot in der dritten Reihe lässt allerdings das Kofferraumvolumen schrumpfen, 423 Liter sind für ein so grosses Auto recht mau. Legt man die dritte Reihe von Hand um, entsteht eine riesige Stufe. Auf der Langstrecke könnte zudem die niedrige Ladeleistung von 125 kW zum Problem werden. 36 Minuten für die Ladung von 20 auf 80 Prozent sind kein Ruhmesblatt.

Als Chauffeursauto oder für Shuttledienste ist der Voyah Dream also besser geeignet. Derart produktiv und entspannt haben wir uns noch selten durch den Verkehr spülen lassen. Unternehmen, die über einen Mercedes EQV zu diesem Zweck nachdenken, sollten ruhig mal einen Blick auf den Chinesen werfen. Hier gibt es mehr Ausstattung, mehr Reichweite, mehr Leistung und noch mehr Platz zum günstigeren Kurs als bei der elektrischen V-Klasse.

Ist die Schweiz also bereit für die asiatischen Raumfahrer? Reissende Absatzzahlen werden ihnen ihr zugespitzter Use Case und das fehlende Prestige nicht bescheren, aber wir sagen: Ja, sie ist bereit.

Technische Daten: Voyah Dream im Test

Voyah Dream

Karosserie

FahrzeugsegmentLuxus-Van (MPV)
Länge5315 mm
Breite1985 mm
Höhe1820 mm
Radstand3200 mm
Sitzplätze7
Leergewicht (mit Fahrer)2692 kg
Gesamtgewicht3384 kg
Kofferraum vorne40 l
Kofferraum hinten452 l – 1137 l
Reifengrösse255/50 R20
Anhängelast gebremst1200 kg
Bodenfreiheit150 mm

Antrieb

Motor hintenPermanenterregter Synchronmotor
Motor vornePermanenterregter Synchronmotor
AntriebAWD
Getriebe1 Gang
Leistung320 kW (436 PS)
Drehmoment620 Nm
Systemspannung400 Volt
Batteriekapazität108.7 kWh (brutto)
BatteriechemieLithium-Ionen NMC
Ladeleistung DC125 kW
Ladezeit DC 20-80 Prozent0:36 h
Ladeleistung AC11 kW
Ladezeit AC 0–100 Prozent11:42 h

Fahrleistungen und Verbrauch

0-100 km/h5.9 s
Höchstgeschwindigkeit200 km/h
Verbrauch 100 km20.0 kWh
Reichweite482 km

Preis

Grundpreis79'900 Franken
Stichtag Preisangaben: 20. September 2024, Herstellerangaben, Verbrauchswerte und Emissionen nach WLTP

Fotos: Kim Hüppin, Voyah

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