Pick-up Die
zweite Generation des VW Amarok
ist technisch mit dem Ford Ranger
verwandt. Ist er ein
würdiger Nachfolger seines beliebten Vorfahren?
Die erste Generation des Amarok war ein grossartiges
Fahrzeug. Hervorragende V6-Motoren, guter Allradantrieb, robustes
Fahrwerk und hochwertige Verarbeitung – all das machte den Pick-up, der
vollständig von Volkswagen Nutzfahrzeuge in Hannover (D) entwickelt
wurde, zweifellos zu einem der besten Fahrzeuge in seinem Segment. Das
merkten auch viele Autofahrer: Die erste Generation des Amarok war ein
Verkaufserfolg und wurde weltweit über 830 000-mal gebaut. Trotzdem
entschied sich VW, die Entwicklung und Produktion des Modells der
zweiten Generation vollständig an einen anderen Hersteller zu
delegieren.
Ist das eine schlechte Sache? Für die automobile
Vielfalt ist es zweifellos eine traurige Angelegenheit. Was das Fahrzeug
an sich betrifft, so ist das Urteil differenzierter. Der Amarok hat
zwar an Authentizität verloren, aber zumindest hat er sich in die Hände
eines kompetenten Unternehmens begeben. Wenn es darum geht, einen
Pick-up zusammenzubauen, weiss Ford, was zu tun ist. Genauer gesagt:
Ford Australien, die Tochtergesellschaft, die hinter der Entwicklung des
Ranger und damit auch des Amarok steht.
Obwohl es dem Amarok gelingt, sich durch seinen eigenen
Kühlergrill, die Scheinwerfer und die anders gestaltete Rückseite
ästhetisch vom Ranger zu unterscheiden, übernimmt er zum grössten Teil
die Karosserie von diesem. Ansonsten ist die gesamte Technik
vereinheitlicht, vom Zündschlüssel über das Leiterrahmengestell, das
Getriebe bis zur Aufhängung und sogar den Motoren. Unter der Motorhaube
übernimmt Volkswagen nämlich die Ecoblue-Blöcke von Ford, auch wenn sie
bei VW in der Preisliste als TDI firmieren. Neben einem
Vierzylinder-Diesel mit zwei Litern Hubraum, der 151 kW (205 PS) leistet
und 500 Nm maximales Drehmoment bietet, gibt es die hier getestete
Topausstattung Aventura. Der V6-Diesel hat drei Liter Hubraum, 177 kW
(240 PS) Leistung und 600 Nm Drehmoment.
Leistungsstarker, aber durstiger Motor
Der Sechszylindermotor hängt sehr willig am Gas, aber
es ist vor allem sein phänomenales Drehmoment, das die Redaktion
überzeugt hat. Der Pick-up beschleunigte bei der AR-Messung in zehn
Sekunden von 0 auf 100 km/h, was für ein Fahrzeug dieses Segments sehr
gut ist. Auf der deutschen Autobahn ist der Amarok V6 schnell unterwegs,
sehr schnell sogar. Fahrten mit 160 km/h sind gut möglich, auch über
einen längeren Zeitraum.
Die Kehrseite der Medaille ist der Verbrauch. Leider
ist der V6 aus US-Entwicklung deutlich durstiger als die effizienteren
V6-TDI aus den Regalen des Volkswagen-Konzerns. Während der V6 im alten
Amarok einen kombinierten Verbrauch von 8.4 l/100 km aufwies, verbraucht
die zweite Generation nach offiziellen Werksangaben fast zwei Liter
mehr. Und selbst auf der standardisierten AR-Strecke, die mit moderatem
Tempo gefahren wurde, schafften es die Tester gerade unter 10 l/100 km.
Was die Wandler-Automatik betrifft, muss man zugeben, dass zehn Gänge
mindestens einer oder zwei zu viel sind, im Alltag sucht der Amarok (zu)
oft den richtigen Gang. Der Fahrer wird dadurch dazu angehalten, die
Gänge selbst zu wählen. Allerdings bietet der Amarok keine Schaltwippen
am Lenkrad.
Die erste Generation des Amarok zeichnete sich durch
ein gutes Fahrverhalten und einen hohen Komfort aus. Auch das neue
Modell glänzt auf der Strasse mit einem Charakter, der dem eines grossen
SUV sehr nahe kommt. Seine Lenkung ist für einen Pick-up präzise und
bei langsamer Fahrt leichtgängig, was das Manövrieren zu einer
Fingerübung macht.
Unter dem Aspekt Fahrspass und Fahrkomfort ist das
Ergebnis jedoch gemischt. Der Amarok ist vom Fahrwerk sehr hart
ausgelegt, seine Hinterachse holpert über die Unebenheiten der Strasse.
Die Blattfedern an der Hinterachse sind eher auf Belastung als auf
Komfort ausgelegt. Und dann ist da noch die 21-Zoll-Bereifung. Die
Reifen, die bei der Ausführung Aventura serienmässig sind, halten nicht
viel von Fahrkomfort. Dafür ist der Grip der Goodyear-Pneus phänomenal.
Sie verleihen dem Pick-up eine hervorragende Traktion. Mit 240 PS
würden die meisten Pick-ups beim Beschleunigen aus einer Kurve heraus in
Schräglage geraten. Nicht so der Amarok, der dank seiner
Traktionshilfen immer auf der Strasse bleibt.
Auf Asphalt ist diese Bereifung hervorragend, aber für
Offroadfahrten ist sie natürlich nicht geeignet. Das ist schade, denn
der Amarok ist auch ein echter Geländewagen. Dank seines zuschaltbaren
Allradantriebs mit Differenzialsperre und einer breiten Palette an
4×4-Attributen wie einem Getriebe mit wahlweise langen oder kurzen
Gängen, einer Bergabfahrhilfe und sechs Fahrmodi kann der Amarok
buchstäblich überall hinfahren. Dazu tragen auch grössere Böschungs-
(30 ° vorne, 23 ° hinten) und Rampenwinkel (21 °) sowie die verbesserte
Watfähigkeit (80 statt 50 cm) bei.
Technischer Innenraum
Im Innenraum hebt sich der Amarok von der Konkurrenz
ab, weil er mit der Technologie eines Personenwagens ausgestattet ist.
Das Armaturenbrett wird von einem digitalen Kombiinstrument und einem
grossen, hochformatigen Bildschirm dominiert. Der Bildschirm wurde vom
Ranger übernommen, aber Volkswagen hat für ihn eine eigene Bedieneinheit
entwickelt. Leider ist diese deutlich unpraktischer als die vom Ranger
bekannten klassischen Drehregler. Dennoch ist es einfach, auf dem
grossen Bildschirm durch die Menüs und Untermenüs zu navigieren. Dazu
gibt es zahlreiche Ablagen, darunter ein doppeltes Handschuhfach und ein
Fach in der Mittelkonsole.
Das Interieur bietet zwar elektrisch verstellbare und beheizbare
Ledersitze sowie Kunstlederbezüge an Armaturenbrett und Türen, aber
ansonsten sind die Materialien aus Hartplastik. Und auch die
Verarbeitungsqualität lässt manchmal zu wünschen übrig, wie beim oberen
Handschuhfach, das zwischen seiner Öffnungsklappe und der Mittelkonsole
unterschiedlich grosse Lücken aufweist. Das alles ist jedoch bei einem
Nutzfahrzeug nicht weiter tragisch. Im Fond ist die Rückenlehne der
Sitzbank etwas zu gerade. Die Beinfreiheit ist jedoch ausreichend gross.
Leider wird die Fahrt nie komfortabel, da die Blattfederung an der
Hinterachse sehr straff eingestellt ist.
Immerhin kann die sehr breite Ladefläche bis zu 1200 Kilogramm Ladung
aufnehmen. Der Amarok kann auch eine Dachlast von 210 Kilogramm tragen.
Das ist ideal, um einen Dachträger oder sogar ein Dachzelt zu
montieren. Darüber hinaus verfügt der Amarok serienmässig über eine
Anhängerkupplung und darf dank einer Anhängelast von 3.5 Tonnen auch
schwere Lasten ziehen.
Der Amarok wird in Südafrika im Ford-Werk Silverton zusammen mit dem
Ranger montiert und ist ab 50 544 Franken erhältlich. Die Ausstattung
Aventura beginnt bei 72 999 Franken. Das ist zwar etwas mehr als für den
Ranger, aber angesichts des grossen Motors, des Getriebes, der
Kraftübertragung und des guten Fahrwerks handelt es sich um einen
vernünftigen Preis. Und da die Liste der Optionen extrem kurz ist (zum
Beispiel eine elektrische Laderaumabdeckung), wird der Preis nicht in
die Höhe schnellen. Das ist die gute Nachricht.
Testergebnis
Gesamtnote 79.5/100
Antrieb
Der Motor ist kräftig und ermöglicht eine gute
Beschleunigung, aber
er verbraucht leider viel Treibstoff. Das Getriebe
leidet unter zu vielen Gängen und sucht häufig nach der richtigen
Übersetzung.
Fahrwerk
Die Lenkung ist präzise, und das Auto fährt sich so
leicht wie ein
grosses SUV. Der Komfort ist jedoch aufgrund der
Blattfederung hinten eingeschränkt.
Innenraum
Das Raumangebot ist gut, aber die Verarbeitung könnte noch besser sein.
Sicherheit
Die Fahrhilfen sind fast so zahlreich wie in einem Personenwagen, aber der Amarok bremst weniger gut als seine Konkurrenten.
Budget
Angesichts des grossen Motors, des Getriebes, des
gepflegten Fahrwerks und der hervorragenden Transportmöglichkeiten ist
der Amarok preiswert, vor allem im Vergleich zu einem grossen SUV.
Fazit
Obwohl er eine exakte Kopie des Ford Ranger ist, ist
der Amarok der zweiten Generation ein würdiger Erbe seines Vorfahren.
Mit seinem leistungsstarken V6-Dieselmotor, Allradantrieb, hoher
Nutzlast und der Fähigkeit, 3.5 Tonnen zu ziehen, ist er der ideale
Begleiter für Handwerker und Offroadexpeditionen.
Fotos: Vesa Eskola, Text: Olivier Derard