Könnte das Genf sein?

Ramon Egger | 09.11.2023

Gims Die Absagen der grossen Marken 
für den Autosalon Genf häufen sich. Ist das 
Ende von Genf damit besiegelt? Andere 
Messen zeigen, dass es nicht so sein muss.

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Zum Verwechseln ähnlich sieht die Gims Katar dem Genfer Autosalon. Ganz so wird es 2024 in Genf aber mit ­Sicherheit nicht aussehen – alle deutschen Marken (wie VW im Hintergrund) haben bereits abgesagt.

Genf soll endlich wieder stattfinden. Nach inzwischen vier Ausfällen, ist die Durchführung des Autosalons Genf Anfang März 2024 fest geplant. Trotz weniger Zusagen und sehr vieler Absagen. So hat einzig Renault bereits verlauten lassen, dass man im nächsten Jahr nicht nur in Genf und Paris teilnehmen werde, sondern auch an allen anderen grossen Automessen in den Regionen, in denen man aktiv sei. Die deutschen Marken hingegen liessen lange offen, ob sie nach Genf kämen oder nicht. Inzwischen ist klar: Sie kommen nicht. BMW, Mercedes und alle grossen Marken des Volkswagen-Konzerns haben dem Genfer Salon bereits eine Absage erteilt. Von den Koreanern und Japanern gibt es noch keine Informationen. Auch die Stellantis-Gruppe mit ihren elf europäischen Marken wird wohl fehlen.

Im Umfeld der Geneva International Motor Show (Gims) ist man dennoch zuversichtlich, dass die Messe von 26. Februar bis 3. März 2024 planmässig durchgeführt werden kann. Vor allem weil man die freigewordenen Flächen ganz einfach mit chinesischen Marken auffüllen will. Man sei mit diversen Herstellern im Gespräch, die grosses Interesse bekundeten, heisst es von Seiten der Gims. Konkrete Marken sind noch keine bekannt, aber es überrascht nicht, dass die Chinesen gerne in die Bresche sprängen, schliesslich ist deren Vertretung in Europa je länger, je wichtiger. Die Gims betrachtet die Ausgabe 2024 vor allem als Versuchsballon. Sollten die Chinesen nicht kommen – oder die Besucher ausbleiben –, dürfte die Messe in Genf ein für alle Mal zu den Akten gelegt werden.

Eine Untervertretung der etablierten Marken dürfte sich denn auch in den Besucherzahlen niederschlagen, wie man am Autosalon Paris gesehen hat. Da waren ausser der Renault-Gruppe mit all ihren Marken und ausgewählten Modellen der Stellantis-Gruppe grösstenteils chinesische Hersteller präsent. Die Folge: leerstehende Hallen und kaum Besucher.

Gims in Katar

Aber Paris ist nicht der Massstab, an dem sich die Gims messen muss – der ist die Gims selbst. Und zwar in Katar. Da hatten die Organisatoren von Genf im Oktober 2023 unter demselben Namen über eine Partnerschaft eine neue Automobilmesse auf die Beine gestellt. Das sorgte nicht nur für Zufriedenheit. Man lasse Genf sterben und missbrauche den guten Namen, hiess es. Die Relevanz der Gims Katar für den Autosalon Genf und für Schweizer Automobilenthusiasten war gering. Auch traten nur wenige europäische Journalisten die Reise nach Doha an, um von der Messe zu berichten – offenbar weitaus weniger als sonst üblich an grossen, internationalen Messen.

Trotzdem ist das Komitee um Gims-Direktor Sandro Mesquita zufrieden mit dem Autosalon von Katar. Man werden im November 2025 zurückkehren. Die Messe als Konzept scheint alles andere als tot zu sein, rund 180 000 Besucher sollen es gewesen sein, das Feedback von Ausstellern und Besuchern durchaus positiv. Wieso können also andere, was Genf nicht kann? Oder besser: Wieso schafft die Gims in Doha etwas, das sie in Genf nicht schafft? Schliesslich sind es dieselben verantwortlichen Köpfe hinter beiden Messen. Böse Zungen mögen behaupten, dem Team um Mesquita habe Katar auch als Beweis gedient, die Gründe für das Debakel von Genf nicht bei sich selbst suchen zu müssen.

Die Frage ist: Lässt sich eine Luxusshow wie Katar überhaupt mit Genf vergleichen? In einigen Punkten wohl schon – aber wohl weniger bei den politischen Rahmenbedingungen. So sei die Stimmung in Doha ganz anders als in Genf. Man sei dort mit offenen Armen empfangen worden, heisst es aus dem Umfeld der Organisatoren. So habe man auch andere Möglichkeiten gehabt für spannende Aktivitäten im Rahmen der Messe. Beispielsweise konnten sich Interessierte für Probefahren auf der Rennstrecke anmelden. Ausserdem wurde der Lusail Boulevard, eine riesige Hauptstrasse vor dem Messezentrum von Doha, auf einer Länge von einem Kilometer für den Verkehr gesperrt und für die Parade of Excellence genutzt, ein Schaulaufen von Luxuskarossen, Sportwagen und Supercars.

Erfolg für neue Konzepte

Auch ein Blick auf kleinere Anlässe legt nahe, dass es heute mehr braucht, um Besucher anzulocken – und auch Aussteller. Der Auto Zürich verlieh Organisator Karl Bieri bereits vor zwei Jahren mit der Lancierung der Oldtimerhalle frischen Aufwind. Auch die Möglichkeit für Testfahrten wird mit Begeisterung genutzt. Inzwischen waren es bereits 22 verschiedene Modelle, die vor den Messehallen für Testfahrten zur Verfügung standen. Die Slots waren erneut ausgebucht, obwohl ausschliesslich Elektroautos gefahren werden konnten, vom brandneuen Kia EV9 bis zum seltenen Fisker Ocean.

Auch die IAA in München (D) tritt seit zwei Ausgaben mit einem neuen Konzept auf, bei dem die Besucher nicht in die Messe, sondern die Messe zu den Besuchern kommt. Die Messestände der Aussteller sind auf gut frequentierte Orte im Stadtzentrum verteilt, sodass man näher beim Publikum ist. Nach der ersten Durchführung gab es durchaus Kritik am Konzept, dieses Jahr hat sich aber gezeigt, dass es wohl der richtige Weg war. Die Aussteller liessen sich ihre pompösen Auftritte ordentlich etwas kosten und wurden mit Besuchern belohnt. Mehr als eine halbe Million Menschen habe die IAA Mobility besucht, so die Organisatoren.

In Norditalien findet bereits seit 2021 jeweils im Juni die Mimo statt, die Milano Monza Motor Show. In den vergangenen Jahren kombinierte diese jeweils die beiden Standorte von Mailand und Monza. Während in der Innenstadt von Mailand verschiedene Familien-, Sport- und Luxuswagen ausgestellt werden, öffentlich und frei zugänglich, werden in Monza Testfahrten angeboten, auf der Rennstrecke und auf der Strasse. Dieses Jahr konzentrierten sich die Organisatoren auf die Location im Autodromo di Monza, wo ein grosses Schaulaufen exklusiver Hypercars auf der Rennstrecke die Besucher begeisterte, das Start-up Aehra seine neue Limousine enthüllte oder der chinesische Hersteller BYD Testfahrten mit seinen neuen Elektroautos anbot. Gemäss den Organisatoren sollen mehr als 60 000 Besucher nach Monza geströmt sein.

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So sehen erfolgreiche Automessen aus: An der Auto Zürich feierte der Kia EV9 Premiere und stand sogar bereits für Testfahrten zur Verfügung, …

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… in Monza bestaunten und testeten 60 000 Zuschauer Sportwagen und Alltagsautos.

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Ein Schau­laufen exklusiver Fahrzeuge lockte in Doha Besucher an.

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An der IAA in München kommen die Autos zum Publikum.

Und was tut sich in Genf?

Wieso gibt es keine solch innovative Konzepte für den Autosalon Genf, wie sie andere Messen zeigen oder wie sie auch die Gims-Organisatoren selbst in Katar umsetzen? Diesbezüglich kann (ausnahmsweise) Sandro Mesquita und seinem Team kaum ein Vorwurf gemacht werden. Dezentrale Konzepte oder öffentliche Schaufahrten, wie man sie in Doha auf dem Lusail Boulevard sah, sind in Genf unvorstellbar. Solche Ideen sind auf politisches Wohlwollen angewiesen. Dass dieses in Genf nicht vorhanden ist, hat sich bereits in der Vergangenheit bewiesen. So zeigte sich die Genfer Regierung in den vergangenen Jahren wenig hilfsbereit, der strauchelnden Messe unter die Arme zu greifen, die Absagen wurden jeweils mit Gleichgültigkeit aufgenommen. Der damalige Stiftungsratspräsident des Autosalons, Maurice Turettini, fand bereits nach der Absage 2022 klare Worte: «Die Politiker von Stadt und Kanton Genf haben eine linke Mehrheit und sind wenig autofreundlich. Sie wollen am liebsten nur Velos oder, wenn es sein muss, Carsharing. Diese Leute haben keine Lust, uns zu helfen.» Das hat sich leider bis heute nicht geändert.

Kleine Messen wie Zürich, die Mimo oder eben auch Katar haben noch einen weiteren Vorteil. Bei vielen Marken sind die Importeure die Aussteller, nicht die Hersteller selbst. In Genf, wo ein Auftritt schnell in die Millionen geht, ist das nicht möglich. Ob die chinesischen Hersteller bereit sind, diese Kosten aufzuwenden und ob sie dann auch Besucher und Journalisten anlocken werden, wird sich bald zeigen. Sonst heisst es ein weiteres Mal – und dann wohl endgültig: Lichterlöschen in Genf. 

Fotos: GIMS, IAA Mobility, MiMo, Vesa Eskola

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