- Gebaut von 1971 bis 1989
- Es entstanden 237'000 Exemplare
- Stabile Preise, Tendenz nach oben
Angebot der Woche: Mercedes 280 SL
Peter Ruch | 27.02.2024
Zu Beginn ihrer Karriere wurde die R107-Baureihe kritisiert - heute gehört sie zu den Stil-Ikonen von Mercedes-Benz.
Unter den ganz grossen Designern gehört Friederich Geiger sicher zu den unbekanntesten. Gelernt hatte er Wagner, nach der Lehre studierte er Fahrzeugbau – und trat 1933 in die Abteilung Sonderwagenbau der Daimler-Benz AG in Sindelfingen ein, zu Beginn der 50er Jahre wurde er dann zum Chefdesigner ernannt. Und machte sich mit den 300 SL als «Flügeltürer» sowie Roadster gleich unsterblich. Unter anderem auch deshalb, weil er den Stern prominent in die Front verarbeitete (und gleich noch als Lufeinlass nutzte). Bis 1973 zeichnete Geiger für alle Mercedes verantwortlich, und es waren viele Meisterwerke darunter, die Pagode, der Strich/8, der 600er. Als Geiger 1973 in Pension ging, wartete Daimler aus Respekt zwei Jahre, bis Bruno Sacco zu seinem Nachfolger ernannt wurde.
Mit den ersten SL (W198, 1954 bis 1963) hatte Geiger ein Meisterwerk geschaffen; SL steht übrigens zweifelsfrei für «super-leicht», alle anderen Deutungen sind falsch. Der Nachfolger, der von 1963 bis 1971 gebaute W113, unterschied sich technisch und optisch deutlich vom W198, war eigentlich mehr das Erbe des kleineren W121 BII (besser bekannt als 190 SL) – und wurde berühmt als «Pagode». Knapp 50’000 Exemplare wurden gebaut, das war ein grossartiger Erfolg für einen Roadster, der nichts anderes sein wollte als reines Vergnügen. In den 60er Jahren waren diese erfreulich kompakten Fahrzeuge (4.28 Meter lang, 1.76 Meter breit, mit Dach 1.32 Meter hoch) mit ihren bis zu 170 PS ja noch ausreichend motorisiert, doch spätestens in den 70er Jahren musste mehr Leistung her, zumal die Pagode ja auch nicht mehr «super-leicht» war.
Mit dem nun grösseren R107 (LxBxH 4.39×1.79×1.33 Meter) schuf Geiger wieder eine Ikone. Und dies, obwohl es eine Fülle von Anforderungen zu beachten galt: Mercedes wollte unbedingt Achtzylinder- und vor allem auch einen Kreiskolben-Motor einbauen, was einen entsprechend grossen Motorraum voraussetzte. Und weil vor allem in den USA die Sicherheitsanforderungen im strenger wurden, musste zum Beispiel der Tank in eine crashsichere Zone über der Hinterachse verbaut werden, was Auswirkungen auf die Proportionen des Wagens hatte. Auffallend gegenüber dem Vorgänger sind die starke Betonung horizontaler Gestaltungselemente – und die in der Gesamtheit klareren Linien.
Heute mag es etwas erstaunlich wirken, doch gerade das Design des R107 wurde nicht gut aufgenommen. Paul Frère, immer wieder er, meinte 1971: «Nachdem Daimler-Benz mit dem C 111 gezeigt hat, was es zu bieten imstande ist, hätte ich auf vielen Gebieten mehr erwartet. Schon rein optisch lässt der Wagen seinen Vorgänger nicht vergessen.» Und Reinhard Seifert schrieb in «auto, motor und sport» mit für ein deutsches Fachblatt ungewohnt scharfen Worten: «Von einem Fortschritt der Karosserie-Stilistik kann in diesem Fall nicht die Rede sein. Den 350 SL kann man wohl kaum als schöner bezeichnen als den ruhiger und klarer gestalteten 280 SL. Die stark gewölbte Haube stört auch von innen. Da die Gürtellinie sehr hoch liegt und nach hinten ansteigt, ergeben sich Sichtverhältnisse, die man höchstens genügend bezeichnen kann. Der Innenraum wirkt enger und dunkler, als man von modernen Sportwagen gewohnt ist.» Dem Erfolg des R107 tat all dies keinen Abbruch, hinter der ewigen G-Klasse ist diese Baureihe mit einer Bauzeit von stolzen 18 Jahren das am längsten produzierte Mercedes-Modell. Mit mehr als 237’000 verkauften Exemplaren wurde diese Baureihe auch zum mit Abstand erfolgreichsten offenen Fahrzeug von Mercedes, seine Nachfolger R129/ C126 (1989-2001), R230 (20012011) und R231 (2012-2020) konnten da nicht mehr mithalten.
Zu Beginn seiner Karriere gab es den R107 nur mit Achtzylinder-Motoren, damals entsprachen die Bezeichnungen bei Mercedes noch dem Hubraum und folgten also einer gewissen Logik, der 350 SL hatte folglich 3.5 Liter Hubraum (und 200 PS), der450 SL 4.5 Liter Hubraum (und 225 PS). ?ber die vielen Jahre kamen immer mehr und auch andere Maschinen dazu, gegen unten kam 1974 der 280 SL mit nur sechs Zylindern, gegen oben der 380 SL als Nachfolger des 350 SL, der 500 SL (und für gewisse Märkte der 560 SL) anstelle des 450 SL. Besonders wild trieben es diese Antriebe nie, die 245 PS im 500 SL blieben das höchste der Gefühle, gegen unten waren die 155 Ponys im amerikanischen 380 SL so etwas wie der tiefste denkbare Wert. Ach ja, neben dem R107 gab es dann auch noch den C107, das Sportcoupé mit einem um 36 Zentimeter verlängerten Radstand.
Wir zeigen hier einen R107 als 280 SL aus dem Jahre 1975. Das war damals das Einstiegsmodell, 2,7-Liter-Sechszylinder, 185 PS. Nein, zum Sportwagen taugte dieser Benz nicht, aber für das entspannte Cruisen ist er heute noch so gut wie damals. Günstiger werden diese R107 ganz sicher nicht mehr, das ganz grosse Potenzial nach oben haben sie aber auch nicht, dafür gibt es einfach zu viele. Schön ist aber, dass sie im heutigen Design-Einheitsbrei immer schöner werden. Dieses Exemplar mit 113'000 Kilometern wird am 23. März von der Oldtimer Galerie Toffen versteigert, einen Schätzpreis gibt es noch nicht.
In der monatlich erscheinenden Klassik-Beilage der AUTOMOBIL REVUE finden Sie immer schöne Old- und Youngtimer. Abos gibt es: hier. Die «Angebote der Woche» haben wir in einer Sammlung zusammengefasst, da gibt es lesenswerte Stories, hier.
Kommentare
Keine Kommentare