Montagmorgen: Alfa Romeo C52 «Disco Volante»

Peter Ruch | 26.02.2024

Welch ein aussergewöhnliches Fahrzeug, dieser «Disco Volante». Der eigentlich gar nicht so hiess.

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Ende 1951 zog sich Alfa Romeo offiziellmzurück, überliess das Feld einem gewissen Enzo Ferrari, der viele Jahre für die Mailänder als Rennleiter gewirkt hatte. Ferrari nahm auch gleich viele der besten Mitarbeiter der Rennsportabteilung mit nach Maranello. Doch es gab da ja noch die Mille Miglia, für eine italienische Marke wie Alfa Romeo von ähnlicher Wichtigkeit wie die Formel 1 und die 24 Stunden von Le Mans. Alfa Romeo hatte das seit 1927 durchgeführte Rennen dominiert, zwischen 1928 und 1938 insgesamt 10 Siege einfahren können, auch 1947, bei der ersten Austragung nach dem Krieg, den ersten Rang geschafft. Doch dann kam, eben: Ferrari.

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Wir schreiben: Anfang der 50er Jahre. Was muss das Publikum gestaunt haben, wenn es dieses Auto sah.

Doch Alfa wollte sich nicht einfach so geschlagen geben, obwohl das Geld damals knapp war. Die Mailänder hatten weiterhin einen ausgezeichneten Ruf, und es gab andere italienische Meister ihres Fachs, die mit dem zuweilen etwas gar charismatischen «Commendatore» aus Maranello nicht wollten oder konnten. Und Mailand, das war eine ganz besondere Art von Stolz, es musste etwas geschehen gegen die Emporkömmlinge aus der Emilia Romagna (und gegen Turin sowieso, für immer und ewig). Im Geheimen trafen sich also Carlo Felice Bianchi Anderloni, Chef des Mailänder Meisterdesigners Touring, sein Designer Federico Formenti und als Abgesandter von Alfa Gioacchino Colombo. Colombo hatte seit Mitte der 20er Jahre für Alfa gearbeitet, war mit Vittorio Jano verantwortlich für den legendären P2, hatte in den 30er Jahren (mit Enzo Ferrari als Rennleiter) seine ganz grossen Jahre. Er war Ferrari nach dem 2. Weltkrieg nach Maranello gefolgt, konstruierte dort den 1,5-Liter-V12, der als Colombo-Motor in die Geschichte einging und bei Ferrari 15 Jahre lang in den verschiedensten Versionen für Vortrieb sorgte. Doch er wurde sauer, als Aurelio Lampredi den Auftrag erhielt, für Ferrari einen Formel-1-Motor zu entwickeln, und kehrte deshalb nach Mailand zurück.

Touring konnte Alfa etwas bieten, was sonst niemand hatte: die Superleggera-Bauweise, eine besonders leichte und doch erstaunlich stabile Rohrrahmen-Konstruktion. Der weitere Verlauf der Geschichte liegt im Dunkeln. Während Touring der Überzeugung ist, am 1952 vorgestellten C52 den grössten Anteil zu tragen, behaupten die Geschichtsbücher von Alfa, das Design des Fahrzeugs, das später als «Disco Volante», fliegende Untertasse, berühmt wurde, sei bei Alfa entstanden, in der Verantwortung von Orazio Satta Puliga. Auch die Rolle von Colombo ist nicht ganz klar, denn der wechselte schon Anfang 1953 zu Maserati. 1952 kam aber eine andere Grösse zu Alfa, Carlo Chiti, und ihm wird, zumindest von Alfa Romeo, das Verdienst zugeschrieben, den C52 auf die Strasse gebracht zu haben. Die Wahrheit, nehmen wir an, liegt wohl wieder einmal irgendwo in der Mitte.

Sicher ist, dass Touring die C52 baute. Sicher ist auch, dass Modelle des Fahrzeugs im Windkanal getestet wurden, dass Touring einige Änderungen einbringen konnte, um die Seitenwind-Empfindlichkeit des Fahrzeugs zu verbessern. Nicht sicher ist, wie viele «Disco Volante» 1952 entstanden sind. In den Büchern von Alfa Romeo stehen nur zwei Exemplare, doch Touring meint, es seien sechs gewesen. Sicher hingegen ist, dass zwei Stück mit einem kurzen Radstand (2,22 Meter) gebaut und mit einem 1,9-Liter-Vierzylinder, der erstaunliche 158 PS bei 6500/min schaffte, versehen wurden. Dieser Motor stammte aus der 1900er-Baureihe, erhielt aber einen Leichtmetallkopf, auch wurde die Bohrung von 82,5 auf 85 Millimeter vergrössert. Das offene Fahrzeug, nur gerade 735 Kilo schwer, hatte einen cW-Wert von 0,30 und schaffte eine Höchstgeschwindigkeit von 225 km/h. Bei Rennen eingesetzt wurden die 52er-Exemplare aber nicht.

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1953 sollte dann das grosse Jahr des C52 werden. Wurde es aber nicht. Dem Roadster wurde eine Coupé-Version zur Seite gestellt, man baute ihm die grossen Sechszylinder mit 3,6 Liter Hubraum ein, doch das ist eine andere Geschichte, die wir dann auch noch erzählen wollen. Die wahren «Disco Volante» verschwanden von der Bildfläche, berühmt wurden sie erst später: als Design-Objekte. Der C52 kam übrigens erst nachträglich zu seinem Namen, wahrscheinlich sogar in den USA («Flying Saucer»), wo in den 50er Jahren eine grosse UFO-Hysterie herrschte. Die ursprüngliche Bezeichnung, C52, wurde zwar dem Jahrgang der Konstruktion, aber nicht ihrer Schönheit gerecht.

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