Hier kommen die Luxusvans

Dave Schneider | 18.04.2024

VIP-Shuttles Sie dominieren bereits die schillernden Megacitys: Riesige, enorm luxuriös ausgestattete MPV ­haben in Asien den ­Oberklasselimousinen den Rang abgelaufen. 
Nun rollen sie nach und nach auch zu uns.

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Nein, das ist kein Privatjet vor dem Start, sondern der Fond des Lexus LM mit Topausstattung. Fliegen ist auch nicht schöner.

Vans feiern gerade ihr grosses Comeback. Das Segment der so genannten MPV (Multi Purpose Vehicles) galt in unseren Breitengraden bereits als tot, verdrängt von den omnipräsenten SUV. Sogar der europäische Ur-Van Renault Espace wurde inzwischen zum SUV transformiert, andere Modellnamen wie VW Sharan, Ford Galaxy oder Peugeot 807 sind sang- und klanglos verschwunden. Geblieben sind nur die Modelle, die auf einem Nutzfahrzeug basieren, also etwa der VW Transporter, der Ford Transit oder die V-Klasse von Mercedes Benz.

Doch nun regt sich wieder Leben in dieser verloren geglaubten Fahrzeugklasse. Denn aus Asien schwappt ein Trend zu uns herüber, der hier zwar noch kaum wahrnehmbar, in vibrierenden Metropolen wie Shanghai, Tokio, Seoul oder Singapur aber längst nicht mehr zu übersehen ist. Die Luxusvans sind auf dem Vormarsch, und das im grossen Stil. Auch bei uns sind schon einige Modelle erhältlich, weitere stehen in der Pipeline. Dass sich diese neue Fahrzeuggattung in Asien so schnell ausbreitet, ist für Autoforscher Ferdinand Dudenhöffer kein Wunder: «Sessel wie in der First Class von Langstreckenfliegern, Bildschirme grösser als in manch einem Wohnzimmer – da können weder Mercedes und BMW noch Rolls-Royce oder Bentley mithalten.»

Wer chauffiert wird, hats gut

Tatsächlich geht es im Fond dieser Luxusvans teilweise weit komfortabler zu als in mancher Staatslimousine. Durch die viel höhere Karosserie ist deutlich mehr Raum vorhanden, der Zustieg durch die seitliche Schiebetür ist wesentlich bequemer, der Fahrkomfort dank auf die Fondpassagiere ausgerichteter Luftfahrwerke zuweilen enorm hoch. Nicht zuletzt ist auch die Möglichkeit, das Fahrgastabteil durch eine Trennwand vom Chauffeur abzuschotten, besonders für Shuttlefahrzeuge, aber auch für Geschäftsleute attraktiv. Und an Prestige fehlt es diesen riesigen Vehikeln ebenfalls nicht, wie die hier aufgeführten Exemplare eindrücklich zeigen. Dass sie allesamt von asiatischen Herstellern stammen, ist nicht weiter verwunderlich – doch auch die Europäer springen nun auf diesen Zug auf, wie die jüngst überarbeitete V-Klasse im VIP-Set-up beweist (Fahrbericht in AR 12/2024). 

Lexus LM

Mit dem Lexus LM ist bereits ein riesiger Luxusvan aus Asien bei uns offiziell im Handel, über den wir in der AR 42/2023 berichtet haben. Allzu häufig wird man ihn allerdings auf der Strasse nicht antreffen, zumindest noch nicht. Was der erste Van von Toyotas Edeltochter in der viersitzigen VIP-Version auf 5.13 Metern Länge bietet, ist wirklich eindrücklich. Das Passagierabteil im Fond sieht aus wie vom Edeltuner massgefertigt. Zwei feudale First-Class-Fauteuils, die sich elektrisch zum Liegesessel verstellen lassen, stehen in der Mitte des mit weissem Hochflorteppich, hellem Leder und Edelholz ausstaffierten Raums, der durch eine Trennwand vom Chauffeur abgeschottet wird. Die versenkbare Glasscheibe darin wird auf Knopfdruck blickdicht. Darunter spannt sich über fast die volle Breite ein Screen, der über zwei kleine Tablets bedient wird. Luxuriöse Details wie elektrische Jalousien, Klapptische, Massagekissen oder eingebaute Regenschirme sorgen für das Wohlbefinden an Bord. Natürlich darf ein Kühlschrank für den Champagner nicht fehlen. Angetrieben wird der Lexus LM 350h von einer Kombination aus 2.5-Liter-Benzinmotor und zwei E-Motoren mit einer Systemleistung von 184 kW (250 PS). Die Preise der VIP-Version starten bei 169 000 Franken.

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Maxus Mifa 9

Ebenfalls bereits in der Schweiz erhältlich (und von der AR in der Ausgabe 44/2023 getestet) ist der Maxus Mifa 9, seines Zeichens ein 5.27 Meter langer Elektrovan aus China. Sein langgestreckter Radstand von 3.2 Metern verspricht fürstliche Platzverhältnisse im Fond – und diesen nutzt die zum Staatskonzern Saic gehörende Marke aus. In der Topvariante sind in der zweiten Sitzreihe zwei luxuriöse Liegesessel mit allen erdenklichen Komfortfeatures und verschwenderischer Beinfreiheit verbaut, dahinter bietet eine Sitzbank drei weitere Plätze. Schiebetüren und Kofferraumklappe werden natürlich elektrisch betätigt. Fahrer und Beifahrer sitzen ebenfalls sehr komfortabel auf beheizten und belüfteten Ledersitzen mit Massagefunktion. Den Antrieb übernimmt ein Elektromotor mit 180 kW (245 PS) an der Vorderachse, für den nötigen Saft sorgt eine 90 kWh grosse Batterie, die eine WLTP-Reichweite von bis zu 440 Kilometern ermöglicht. Geladen wird mit maximal 120 kW (DC) oder 11 kW (AC). Der Preis für den Maxus Mifa 9 in der komplett ausgestatteten Luxusvariante Premium liegt bei 81 400 Franken.

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Denza D9

Denza, ein Joint Venture von Mercedes-Benz und dem chinesischen Autoriesen BYD, hat mit dem D9 einen riesigen Van im Angebot, den es wie den Lexus LM in einer viersitzigen Luxusvariante gibt. Auch der Chinese hat dann einen abgetrennten Fahrgastraum mit zwei feudalen Einzelsitzen, eine ausladende Bildschirmwand und diverse First-Class-Features. Mit seinem riesigen, beleuchteten Kühlergrill und auffälligen LED-Lanzen am Heck sticht der 5.25 Meter lange D9 selbst in den riesigen asiatischen Metropolen aus der Masse heraus. Im Gegensatz zum Lexus LM ist der D9 allerdings auch als reiner Stromer erhältlich mit einer rund 100 kWh grosse Batterie zwischen den Achsen, die für eine Reichweite von über 600 Kilometern sorgen soll – gemessen allerdings nach dem deutlich weniger strengen chinesischen Normzyklus. Geladen wird mit maximal 160 kW. Alternativ sind auch zwei Plug-in-Hybridvarianten erhältlich. Aktuell wird der Denza D9 noch nicht in Europa angeboten, doch dass der Hersteller zumindest darüber nachdenkt, zeigt die Tatsache, dass er das Modell im vergangenen Herbst an der IAA in München vorgestellt hat.

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Zeekr 009

Noch auffälliger als der Denza D9 ist zweifellos der Zeekr 009. Die Marke gehört zum chinesischen Geely-Konzern, dem unter anderem auch Volvo, Polestar und Lotus sowie die Hälfte an Smart gehören. Der 5.21 Meter lange Zeekr 009 zieht mit seiner geradlinigen, futuristischen Designsprache die Blicke auf sich. Dank des sehr langen Radstands von 3.21 Metern haben die Passagiere im Fond viel Platz – doch so passen auch besonders viele Akkupakete zwischen die Achsen. Verfügbar sind nämlich zwei riesige Batterien mit 116 oder 140 kWh, die maximale Reichweite gibt der Hersteller mit 702 respektive 822 Kilometern an (nach dem chinesischen CLTC-Zyklus). Für reichlich Vortrieb sorgen zwei Elektromotoren, die mit einer Systemleistung von 400 kW (544 PS) den bulligen Luxusvan in nur 4.5 Sekunden von 0 auf 100 km/h beschleunigen sollen. Im Innenraum des 009 finden bis zu sechs Passagiere Platz, wobei in der mittleren Reihe zwei sogenannte Captains Chairs mit Massagefunktion, Klimatisierung und ausfahrbaren Fussstützen für First-Class-Ambiente sorgen. Die Marke Zeekr ist bereits in Schweden und in den Niederlanden gestartet, bis spätestens 2026 soll Westeuropa komplett abgedeckt sein. Ob dann auch der 009 nach Europa kommt, ist allerdings noch unklar.

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Volvo EM90

Auf der gleichen technischen Basis wie der Zeekr 009 baut Volvo mit dem EM90 nun ebenfalls einen Luxusvan. Auch der EM90 ist 5.21 Meter lang, hat einen mit 145 LED beleuchteten Grill in der Front und ist im Fond mit zwei First-Class-Fauteuils in der zweiten Reihe sowie einer Sitzbank in der dritten Reihe bestuhlt. Der Antrieb ist derselbe wie im Zeekr 009, genauso die 140-kWh-Batterie, mit der auch der Volvo-Van gemäss chinesischem Zyklus über 800 Kilometer weit kommen soll. Die schwedische Marke hat verkündet, dass der in China produzierte EM90 auch ausschliesslich für den chinesischen Markt gedacht sei. Falls jedoch die anderen Luxusvans auf dem alten Kontinent richtig Fuss fassen, dürfte diese Strategie wohl sehr rasch überdacht werden.

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Voyah Dream

Voyah, eine Tochtermarke des chinesischen Autogiganten Dongfeng, ist mit dem Free bereits in Europa und auch in der Schweiz gestartet. Der martialische Offroader M-Hero 1 steht ebenfalls schon in den Startlöchern. Und bald schon wird mit dem Dream ein weiteres Modell nachgeschoben. Der 5.32 Meter lange Luxusvan wird in China auch mit Plug-in-­Hybridantrieb angeboten, nach Europa kommt er jedoch ausschliesslich als reiner Stromer. Zwei E-Motoren, je einer pro Achse, erzeugen gemeinsam eine Systemleistung von 320 kW (435 PS) und ermöglichen eine Beschleunigung von 0 auf 100 km/h in 5.8 Sekunden. Es stehen zwei Batteriegrössen (82 oder 109 kWh) zur Wahl, mit denen 475 respektive 605 Kilometer Reichweite möglich sein sollen (CLTC-Zyklus). In der luxuriösen Topvariante hat der Dream ebenfalls zwei feudale Einzelsitze in der zweiten Reihe, die beheiz- und kühlbar sind, eine Massagefunktion bieten und in eine fast liegende Position verstellt werden können. Wann und zu welchen Preisen der Voyah Dream in die Schweiz kommt, ist nicht bekannt.

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Diverse weitere Modelle

Es gibt noch viele andere Luxusvans aus Asien, in erster Linie kommen sie aus China. Der junge Elektroautohersteller Xpeng etwa hat mit dem X9 einen 5.29 Meter langen, luxuriösen Siebensitzer lanciert. Hongqi, der stolze Hersteller der chinesischen Staatslimousinen L7 und L9, hat mit dem 5.22 Meter langen HQ9 ebenfalls ein solches Modell im Angebot, genau wie Trumpchi mit dem M8. Auch die Japaner setzen verstärkt auf Luxusvans: Die Lexus-Mutter Toyota, die mit dem Alphard diesen Trend erst so richtig in Schwung brachte, bietet mit Vellfire, Granvia, Sienna oder Granace gleich mehrere Luxusvans an. Und dass auch Nissan zumindest mit dem Gedanken spielt, die lange Van-Tradition mit einer Luxusvariante zu krönen, zeigt die im vergangenen Herbst vorgestellte Studie Hyper Tourer. Südkorea gehört natürlich genauso zu Asiens Autonationen – und ist ebenfalls auf den Luxusvan-Zug aufgesprungen, etwa mit dem Kia Carnival. Der war früher ein günstiger Familienvan, heute eher ein VIP-Shuttle. In Europa wird das Modell allerdings nicht (mehr) angeboten. Ob sich das ändert, hängt bestimmt davon ab, ob die europäischen Kunden ähnlich viel Gefallen an der wiederbelebten Fahrzeuggattung finden wie die asiatischen.

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Fotos: Denza, Kia, Lexus, Maxus, Nissan, Volvo, Voyah, Zeekr

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