Mazda Epic Drive – In die Wüste geschickt

Dave Schneider | 02.05.2024

Offroadromantik Wie viel Geländewagen ist nötig? Beim Mazda Epic Drive 2024 wollten die Japaner beweisen, dass ihr schicker CX-60 mehr kann, als man ihm zutraut. Auf 1250 Kilo­metern ging es durch raues Terrain in der wilden Natur Marokkos.

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Anfang September 2023 erschütterte ein fürchterliches Erdbeben Marokko. Das Epizentrum lag 74 Kilometer südwestlich von Marrakech. Just in diesem Zeitraum plante Mazda seinen jährlich stattfindenden Epic Drive in genau dieser Region im Hohen Atlas – eine abenteuerliche Reise, die gleichermassen die Vorzüge der Mazda-Modelle sowie die malerische Landschaft des nordafrikanischen Landes aufzeigen sollte. Aufgrund der katastrophalen Auswirkungen des schweren Bebens war an das Event natürlich nicht zu denken.

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Start in Marrakech: Die Mazda CX-60 sind serienmässig ausgestattet, GPS-Tracker, WLAN-Router und Funkgerät sind der Tribut an die Wüste.

Ein halbes Jahr später ist die Strasseninfrastruktur im betroffenen Gebiet grösstenteils wieder hergestellt. Und obwohl die verheerende Zerstörung noch immer deutlich sicht- und für die Bevölkerung stark spürbar ist, hat Mazda den Epic Drive in Marokko nachgeholt. Dies geschah in enger Absprache und auf ausdrücklichen Wunsch des marokkanischen Tourismusministeriums – schliesslich leben grosse Teile der Bevölkerung in dieser Region vom Tourismus und sind davon abhängig, dass wieder Reisende ins Land kommen.

Keine Offroader für Europa

Mazda wird mit vielem in Verbindung gebracht – Design, Präzision, Zuverlässigkeit und Fahrvergnügen etwa. Das grosse Abenteuer abseits befestigter Strassen gehört sicher nicht dazu. Zumindest nicht in Europa, wo im Modellportfolio kein Platz für geländegängige Fahrzeuge ist. Im Heimmarkt in Japan, aber auch in anderen Märkten wie in den USA ist das anders, da hat Mazda auch geländegängige Pick-ups im Angebot. Bei uns hingegen sind allradgetriebene SUV wie der CX-60 oder sein soeben vorgestellter grosser Bruder CX-80 (AR 17/2024) das höchste der Gefühle, Modelle also, die den Fokus auf Komfort und Luxus legen. Dass man aber auch mit einem solchen Fahrzeug gut durch raues Geläuf kommt, sollte diese zweitägige Abenteuerfahrt beweisen. Mazda wählte Marokko aber nicht etwa, weil der Maghreb-Staat ein für die Marke relevanter Markt wäre, sondern schlicht aufgrund der einzigartigen Landschaft. Frühere Ausgaben dieses Events fanden auf Island, in Kasachstan und in der Türkei statt.

Durch den Hohen Atlas: Bis auf über 2000 Meter ü. M. steigen die Strassen an. Die spektakulärsten Routen führen durch das Dadestal (l.) oder über den Pass Tizi n’Test (r.).

Die Reise startet in der ehemaligen Hauptstadt Marrakech. Ein blitzblank polierter CX-60 steht für den Trip zur Verfügung, in der Variante e-Skyactiv PHEV mit Plug-in-Hybridantrieb im unveränderten Serientrimm, erweitert nur durch einen GPS-Tracker, einen WLAN-Router und ein Funkgerät. Und mit einem Ersatzrad im Kofferraum, doch dazu später mehr. Die pulsierende Metropole mit ihrem oft chaotischen Verkehr verschwindet nach und nach im Rückspiegel, während sich die Route durch eine überraschend grüne Landschaft aus dem urbanen Gebiet hinauszieht, hinein in das östliche Atlasgebirge. Bis hierhin rollt der CX-60 noch mehrheitlich rein elektrisch, schliesslich ermöglicht eine volle Batterie dem Plug-in-Hybridsystem eine emissionsfreie Normreichweite von bis zu 63 Kilometern nach WLTP. Auf der restlichen Reise wird dann der 2.5-Liter-Vierzylinder-Benziner allein fürs Vorankommen verantwortlich sein – Ladesäulen sucht man in diesem Teil Marokkos vergebens.

In der Folge windet sich die Strecke in unzähligen Serpentinen bergwärts durch viele kleine Dörfer, in denen die zerstörerische Naturgewalt des schweren Bebens tiefe Narben hinterlassen hat. Das enge, aber mehrheitlich gut asphaltierte Strassenband bereitet dem Mazda keinerlei Mühe, das Allradsystem oder gar der Offroad-Fahrmodus wird zu diesem Zeitpunkt noch nicht gebraucht. Durchaus willkommen ist aber schon jetzt die betont komfortable Abstimmung des Fahrwerks. Unzählige Schlaglöcher, Bodenwellen und Temposchwellen am Ein- und Ausgang von Ortschaften verlangen Federung und Dämpfern viel ab, doch sie erledigen ihren Job bravourös.

Garstige Bedingungen

Entlang der atemberaubenden Bergstrasse geht es hinauf bis zur Passhöhe des Tizi n’Test, wo das 2300 Kilometer lange Massiv auf einer Höhe von 2100 Metern über Meer überquert wird. Danach fällt das Gelände steil ab, während die Strasse in weiteren engen Serpentinen hinunter in Richtung Sahara führt. Weiter gehts zur ehemaligen Berbersiedlung Ouarzazate, die heute eine Stadt mit 70 000 Einwohnern und von internationaler Bekanntheit ist, weil sich in der Region mehrere Filmstudios befinden. Dort wurden epische Werke produziert, darunter «Gladiator» oder auch Teile von «Game of Thrones» und zahlreiche Bibelfilme.

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Auf Geröllpisten geht es durch mondgleiche Landschaften über das Hochplateau. Für das Allradsystem des Mazda ist das keine sonderliche Herausforderung. Für die Reifen schon, wenn man es zu zügig über das scharfkantige Gestein angehen lässt.

Biblisch, ja richtiggehend episch mutet die Landschaft an. Karge Felsen, sandige Ebenen, uralte Siedlungen mit in die Hänge gemeisselten Häusern und dazwischen immer wieder unberührte, spektakuläre Natur, so rau und ursprünglich, wie sie heute nur noch in wenigen Regionen der Erde zu finden ist. Der Staub der Jahrtausende, der auf den Ausläufern der Sahara liegt, lässt die Strasse hinter dem CX-60 in einer dichten Sandwolke verschwinden. Davon ist im Innenraum nichts zu merken, nicht das kleinste Stäubchen lässt die Klimaanlage ins Innere dringen. Der Bordcomputer zeigt 34 Grad, alle Systeme arbeiten zuverlässig, nur die Tankanzeige neigt sich dem Ende zu, doch bis zum Übernachtungsort in der Ouednoujoum Ecolodge, einer selbstversorgenden Unterkunft tief in einem Canyon, wird keine Tankstelle mehr zu finden sein.

Umwerfend schön

Der nächste Tag beginnt früh. Im pastellroten Licht der aufgehenden Sonne geht es hinaus aus der Felsschlucht und hinab nach Ouarzazate. Tankstopp, endlich, mit noch 15 Kilometern Restreichweite auf der Anzeige – das war knapp. Vollgetankt mit Benzin und Kaffee geht es über die flachen Sahara-Ausläufer, bis sich die Landschaft wieder merklich ändert. «Gorges du Dadès» steht auf einem Schild, als sich eine weitere Felsschlucht auftut. Majestätisch, mit einem grünen, fruchtbaren Landstreifen in der Mitte, zieht sich dieser Canyon von der Oasenstadt Boumalne Dadès bis zum 40 Kilometer weiter nördlich liegenden Dorf M’semrir.

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Land und Leute: Die Marokkaner sehen das mit der Anzahl Sitzplätze recht flexibel. Schafe und ihre Hirten haben auf der Strasse zwar nicht automatisch Vortritt, was diese aber herzlich wenig kümmert. Und in der Wüste sind Dromedare immer noch ein sehr beliebtes Transportmittel.

Entlang des Dadestals verläuft die R704 – diese Regionalstrasse muss wohl zu den schönsten der Welt gezählt werden. Sie windet sich spektakulär die Felshänge hoch und hinunter, begleitet dazwischen den fruchtbaren Talboden, führt durch bunte, lebendige Dörfer und eröffnet immer wieder umwerfend schöne Ausblicke über diesen beeindruckenden Canyon. Der CX-60 kommt mit den steilen Strassen spielerisch klar, powert mit seiner Systemleistung von 241 kW (327 PS) sowie einem Systemdrehmoment von 500 Newtonmetern kraftvoll und souverän vorwärts und gefällt in den wiederum unzähligen Serpentinen mit seiner direkten und präzisen Lenkung.

Dann steigt die Strasse konstant an, windet sich höher und höher – und plötzlich verschwindet der Asphalt. Auf holperigen Geröllpisten geht es jetzt durch eine mondgleiche Landschaft über ein Hochplateau, und endlich kann auch das Allradsystem des Japaners zeigen, was es kann. Wer allerdings den Fahrspass auf den Geröllpisten zu intensiv geniesst, wird sogleich jäh gebremst. Das scharfkantige Gestein verursacht einen Plattfuss nach dem anderen, zumindest bei den italienischen Kollegen, die insgesamt fünfmal Reifen wechseln müssen. Unser CX-60 jedoch bleibt davon verschont und zieht die Sache ohne das kleinste Problem bis zuletzt durch, als wir nach 13 Stunden Fahrt müde, aber glücklich wieder in Marrakech eintreffen. Der schicke Japaner mag nicht das erste Modell sein, dass einem für einen solchen Abenteuertrip in den Sinn kommt. Aber das Mazda-SUV kann so etwas durchaus, und das durchwegs souverän. 

Fotos: Mazda

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