GWM Wey 03 – Umdenken auf Chinesisch

Peter Ruch | 11.01.2024

SUV Für einmal kommt eine neue chinesische Marke nicht rein elektrisch nach Europa, sondern mit zwei 
Plug-in-Hybriden. Aber auch da werden Rekorde gebrochen.

Wey 03 19

Natürlich fällt die Übersicht über all die (vermeintlich) neuen chinesischen Marken, die unterdessen nach Europa drängen, einigermassen schwer. Doch Great Wall Motor gehört zu den grössten chinesischen Herstellern – und auch noch zu den ältesten, schon in den 1980er-Jahren wurden im damaligen Kleinstädtchen Baoding (heute 8 Millionen Einwohner) Automobile gebaut. Bislang bestand ­Great Wall aus den fünf Marken Ora, Wey, Haval, Tank und Poer, in Europa wurden die Aktivitäten per Jahresbeginn 2024 zu GWM zusammengefasst, die lustigen Namen wie Ora Funky Cat und Wey Coffee werden durch brave Nummern ersetzt. Im vergangenen Jahr verkaufte ­Great Wall weltweit etwas mehr als eine Million Autos, in Europa waren es überschaubare 6500 Exemplare.

Rekord-Reichweite

2024 wollen die Chinesen nun richtig durchstarten. Zu den bisherigen fünf europäischen Märkten kommen einige mehr dazu, darunter auch die Schweiz. Und das neu GWM Wey 03 genannte SUV soll diesen Erfolg bringen, es ist wie sein grösserer Bruder, der GWM Wey 05, interessanterweise ein Plug-in-Hybrid. Noch vor Kurzem waren wir überzeugt, dass diese PHEV mit wenigen Ausnahmen (Toyota Prius) mit dem Ende der Subventionen in vielen Ländern aussterben würden, doch wir werden derzeit eines Besseren belehrt, gerade die deutschen Premiumhersteller rüsten intensiv auf. Und machen dabei ihre PHEV mit rein elektrischen Reichweiten von mehr als 100 Kilometern deutlich sinnvoller.

Über 100 Kilometer nur mit Strom fahren Wey 03 und 05 selbstverständlich auch, sie wollen gar «Best in class» sein mit 139 und 144 Kilometern. Unterstützung erhalten die E-Motoren von einem Zweiliter-Vierylinder-Turbo mit 150 kW (204 PS), den GWM selber entwickelt hat und der von einem Neungang-Doppelkupplungsgetriebe unterstützt wird. Am Schnelllader passiert ebenfalls viel, der Wey 03 kann mit bis zu 50 kW geladen werden, das ist ein PHEV-Spitzenwert.

Ganz entspannt

Vom Wey 03 werden zwei Versionen erhältlich sein, einmal ein Fronttriebler mit 270 kW (367 PS) und 500 Nm maximalem Drehmoment, dazu der für die Schweiz interessantere Allradler mit stolzen 325 kW (442 PS) und 685 Nm. Der Strom wird in einem 34 kWh grossen Akku gespeichert, was auch die hohe rein elektrische Reichweite erklärt. Die stärkere Variante rennt in 5.3 Sekunden von 0 auf 100 km/h, beide Versionen kommen auf 230 km/h Höchstgeschwindigkeit.

Es ist mit dem GWM Wey 03 wie mit vielen chinesischen Produkten: Er ist ausgesprochen komfortabel. Man hört den Verbrenner kaum, die Ruhe ist entspannend. Und so fährt er sich auch: entspannt. Für den Trackday würden wir ein anderes Fahrzeug wählen, eines, das sich weniger in die Kurven neigt, eine gefühlvollere Lenkung hat und bei dem die Bremsen besser dosierbar sind. Aber dieses zufriedene Einherrollen, das kann der Wey gut – man fragt sich bloss, weshalb man dafür über 400 PS benötigt. Aber diese überdimensionierte Leistung hat anscheinend keinen Einfluss auf den Verbrauch: 15 Gramm CO2 pro Kilometer, 0.5 Liter Benzin auf 100 Kilometer. Auch wenn man weiss, was von den WLTP-Angaben zu halten ist.

Guter erster Eindruck

Innen ist alles ganz nett und in etwa da, wo sich GWM mit den Wey-Modellen selber sieht: Upper Mainstream. Es gibt gleich drei Bildschirme. Die Klimatisierung hat ihren eigenen, dazu findet sich ein kleines Display vor den Augen des Fahrers. Head-up-Display gibt es auch noch, und dann ist da noch der grosse Touchscreen über der Mittelkonsole mit seinen etwa 176 Menüpunkten. Das ist, wie es ist, und ganz o. k., aber weder aufregend noch besonders schön. Was auch für die verwendeten Materialien gilt, die angenehm weich in der Berührung, aber halt nicht besonders edel oder ein Sonnenschein für die Augen sind. Die Verarbeitung macht einen guten ersten Eindruck. Und trotzdem – es ist halt nichts Besonderes. Was das Problem des GWM Wey 03 auch beim Design ist, der Blick bleibt nun wirklich nicht hängen an diesem SUV. Hat man alles schon gesehen, so oder ähnlich.

Was man aber bisher noch nicht gehört hat, ist, wie intensiv und nervtötend ein Automobil piepsen und plappern kann. Fährt man nur einen Kilometer pro Stunde zu schnell, sagt eine Dame: «Sie haben die Höchstgeschwindigkeit überschritten.» Oft liegt sie übrigens falsch, weil die Verkehrszeichen-Erkennung halt mehr so lala funktioniert. Richtet man die Augen kurz auf den Gegenverkehr, tönts: «Bitte widmen Sie Ihre Aufmerksamkeit ganz auf den Verkehr» – der Blick auf die gegenüberliegende Seite des Fussgängerstreifens scheint nicht zum sicheren Fahren zu gehören.

Fünf Sterne

Dazu drängt der Spurhalteassistent richtig aggressiv weg von weissen Linien, es ist geradezu beängstigend – oder dann richtig lustig, wenn man zu schnell fährt, eine weisse Linie streift und gleichzeitig auch noch kurz zur Seite schaut. Dann kommt die Dame im Sprachmodul in Stress und verhaspelt sich bei all den vielen Warnungen, die sie aussprechen muss.

Ja, man kann das alles auch ausschalten. Wenn man denn in den Untermenüs findet, wo. Man sollte es sich allerdings merken, denn man macht das bei jedem Neustart von Neuem. Und nein, während der Fahrt sollte man es nicht versuchen, da dreht die Ruferin durch. Andererseits: Der Wey 03 ist eines der wenigen Fahrzeuge, das 2023 mit fünf Sternen des Euro-NCAP ausgezeichnet wurde. 

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