Mercedes-AMG CLE 53 – Etikettenwahrheit

Peter Forrer | 25.05.2024

Echt Wo AMG draufsteht, ist auch AMG drin. Zumindest beim neuen CLE 53. Das Coupé muss zwar auf einen grossvolumigen V8 verzichten, fährt aber immerhin mit Sechszylinder vor.

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Vor ein paar Jahren wäre es gar keine Diskussion gewesen: Wenn Mercedes-Benz ein neues Coupé lanciert und sich die Tochter AMG dessen annimmt, wird unter der Motorhaube ein V8, gerne freisaugend, eingepflanzt. Heute müssen die Fans aber mit allem rechnen, auch einem Zweiliter-Vierzylinderturbo-Plug-in-Hybrid, wie er im C 63 S E Performance Dienst tut (Test AR 48/2023) – mit gewaltigen 500 kW (680 PS), aber recht emotionslos. Die 300 kW (449 PS) im neuen CLE 53 Coupé muten beinahe bescheiden an, aber immerhin kommen sie aus einem Reihensechszylinder. Zwar aufgeladen, doch allemal emotionaler als ein Vierzylinder.

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Beim Aggregat handelt es sich um einen Dreiliter-Biturbo, der auch im CLE 450 im Einsatz ist, von AMG aber kräftig überarbeitet wurde. Ausserdem gibt es für den neuen Sportler eine eigene Software für die Neunstufen-Automatik und einen vollvariablen Allradantrieb, der die Kraft ausschliesslich an die Hinterräder abgeben kann – im Normalbetrieb, um Treibstoff zu sparen, auf der Rennstrecke, um Drifts auf den Asphalt zu legen.

Von brav bis rabiat

Dieser Drift-Modus gehört zum Fahrmodus ­Race, den es im optionalen AMG-Dynamic-Plus-Paket für 2322 Franken gibt. Serienmässig steht im CLE 53 die Fahrprogrammwahl AMG Dynamic Select zur Verfügung, bei der unter den fünf Fahrmodi Glätte, Comfort, Sport, Sport+ und Individual gewählt werden kann, wobei mit Sport+ das Heck zumindest eine gewisse Lebendigkeit erhält – vor allem dann, wenn bei der integrierten Fahrdynamikregelung AMG Dynamics die Regelstrategie der Stabilitätskontrolle auf Pro gestellt wird. Dieser Modus sorgt auch für den passenden AMG-Sound in diesem Coupé, das sich diesbezüglich im Alltag sonst aber vornehm zurückhält.

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Mehr AMG als auch schon: Der CLE 53 ist nicht ganz so brachial wie manch früheres Modell, bietet aber neben einem brauchbaren Kofferraum (410 l) eine standesgemässe vier­flutige Sportabgasanlage und Hochleistungsbremsen. Und vor allem einen Sechszylinder.

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Mehr AMG als auch schon: Der CLE 53 ist nicht ganz so brachial wie manch früheres Modell, bietet aber neben einem brauchbaren Kofferraum (410 l) eine standesgemässe vier­flutige Sportabgasanlage und Hochleistungsbremsen. Und vor allem einen Sechszylinder.

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Mehr AMG als auch schon: Der CLE 53 ist nicht ganz so brachial wie manch früheres Modell, bietet aber neben einem brauchbaren Kofferraum (410 l) eine standesgemässe vier­flutige Sportabgasanlage und Hochleistungsbremsen. Und vor allem einen Sechszylinder.

Überhaupt ist der CLE 53 trotz der sportlichen Anlagen mehr auf sportlichen Gentleman als auf extrovertierten Haudegen getrimmt. Die elegante Coupélinie wurde zwar etwas in die Breite gezogen, braucht im Vergleich mit dem Standard-CLE durch die breitere Spur (vorne 58 mm, hinten 75 mm) ein wenig mehr Strasse, aber verglichen mit manch anderem AMG-Vertreter behält der CLE 53 einiges an Understatement bei. Und auch eine gewisse Handlichkeit, denn das 4.85 Meter lange Coupé hat serienmässig eine Hinterachslenkung. In der Stadt schlagen die Hinterräder um bis zu 2.5 Grad entgegengesetzt zu den Vorderrädern ein, um den Radstand (2875 mm) virtuell zu verkürzen. Bei höheren Tempi lenken sie abhängig vom Fahrmodus für eine höhere Fahrstabilität um bis zu maximal 0.7 Grad parallel mit.

AMG-Feeling fürs Interieur

Die Wahl des Fahrmodus wirkt sich übrigens auch auf die Lenkungskennlinie aus. Genau wie auf die Dämpfercharakteristik, denn der CLE 53 verfügt ab Werk über das AMG-Ride-Control-Fahrwerk. Dabei handelt es sich um eine konventionelle Stahlfederung mit adaptiven Dämpfern, die in den drei Stufen Comfort, Sport und Sport+ justiert werden können. So etwas gibt es auch bei den anderen CLE-Modellen – je nach Version optional oder serienmässig –, im CLE 53 erscheint die Spreizung aber viel deutlicher. So ist die AMG-Version auf Wunsch tatsächlich so komfortabel wie der kürzlich von uns getestete CLE 300.

Das Interieur gibt sich alltagstauglich, selbst die optionalen AMG-Performance-Sitze bieten bei allem Seitenhalt noch viel Komfort. Speziell im AMG ist das unten abgeflachte Lenkrad mit Tasten für das schnelle Set-up. Armaturen, 12.3-Zoll-Fahrerdisplay und 11.9-Zoll-Zentraltouchscreen teilt sich der CLE 53 mit seinen zivileren Brüdern.

Auch die Sitze können diesbezüglich überzeugen. Serienmässig sind bequeme Sportsitze verbaut, für mindestens 2496 Franken Aufpreis gibt es vorne AMG-Performance-Gestühl mit deutlich mehr Seitenhalt, aber immer noch sehr viel Restkomfort. Neben den Sitzen hat der CLE 53 noch weitere AMG-spezifische Gimmicks im Interieur zu bieten, etwa das unten abgeflachte AMG-Performance-Lenkrad oder den Anzeigemodus Supersport im leider auch hier nicht immer voll einsehbaren 12.3-Zoll-Fahrerdisplay. Der 11.9 Zoll grosse Mbux-Infotainmentbildschirm im Hochformat punktet derweil mit einer hervorragenden Ablesbarkeit und dem Mercedes-typischen, sehr guten Multimediasystem. Allgemein orientiert sich der CLE 53 an den praktischen Tugenden, die uns auch bereits im Test des sonst eher braven CLE 300 überzeugten: schöne Materialien, gute Verarbeitung, genug Platz für vier Erwachsene und ein passabler Kofferraum mit 410 Litern Volumen.

Gelungener Spagat

Die grosse Frage aus Sicht des leidenschaftlichen Autofahrers lautet beim CLE 53 letztlich: Fährt er sich trotz des fast schon zivilisierten Aufritts so, wie man es von einem AMG erwartet? Wir finden, eindeutig Ja. Der Wagen liegt unabhängig vom gewählten Fahrmodus satt auf der Strasse, beschleunigt souverän, und auch die Bremsen packen standesgemäss zu. Dafür sorgt eine Hochleistungs-Bremsanlage mit 370 Millimeter grossen Scheiben und Vier-Kolben-Festsätteln vorne sowie 360-Millimeter-Scheiben mit Ein-Kolben-Faustsätteln hinten. Fading respektive ein Nachlassen der Leistung zeigte sie bei unserer Ausfahrt auf Teneriffa (E) trotz intensiver Beanspruchung auf dem kurvigen Geläuf nicht, sie scheint für die zwei Tonnen Leergewicht ausreichend dimensioniert zu sein.

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Die Silhouette des 4.85 Meter langen CLE 53 wirkt durchaus elegant, der kleine Spoiler am Heck stört die Linie nicht wirklich. Innen hat es genug Platz für vier.

Das Gleiche lässt sich vom Antrieb behaupten. Die Beschleunigung fällt trotz superschnell schaltender Neungangautomatik mit 4.2 Sekunden von 0 auf 100 km/h für heutige Verhältnisse auf dem Papier zwar eher durchschnittlich aus und ist auch bloss um 0.2 Sekunden besser als beim 50 kW (78 PS) schwächeren CLE 450, aber dank 560 Nm maximalen Drehmoments (+60 Nm) fühlt sich das Auto in keiner Situation nur ansatzweise schwächlich an. Per Overboost stehen kurzzeitig sogar 600 Nm zur Verfügung. AMG hat dem Dreiliterturbo mit optimierten Brennräumen, neu gestalteten Ein- und Auslasskanälen, neuen Kolbenringen, einer modifizierten Einspritzung und nicht zuletzt einem neuen Abgasturbolader mit 1.5 bar Ladedruck eine spürbare Kraftkur verpasst.

Der inte­grierte Startergenerator, der bis zu 17 kW (23 PS) und 250 Nm beisteuern kann, und vor allem der elektrische Verdichter tragen ebenfalls viel zur Performance bei. Und zur Effizienz. Wer es gerne krachen lässt, wird den angegebenen Verbrauch von unter zehn Litern auf 100 Kilometer kaum erreichen, zu allerletzt mit dem optionalen AMG Driver’s Package (2205 Fr.), das die Höchstgeschwindigkeit von 250 auf 270 km/h erhöht und mittels Race-Start-Funktion eine um zwei Zehntelsekunden schnellere Beschleunigung auf 100 km/h ermöglicht. Solche Performance-Fähigkeiten sind auf jeden Fall echt AMG. 

Der CLE 53 macht optisch nur bedingt auf dicken Max. Er hat zwar ausgestellte Kotflügel und vorne wie hinten eine breitere Spur (58 und 78 mm), das Auto auf dem Bild wirkt aber primär wegen des Mattlacks aggressiv. Es gibt auch nettere Farben.

Fotos: Mercedes-Benz

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