Es gibt wieder einen M5 Touring! Nach seinen Urahnen mit sechs und zehn Zylindern ist es nun der erste mit V8 und Hybridunterstützung, deren Zusatzkilos gar nicht so sehr ins Gewicht fallen.
Man hätte die ganze Elektrounterstützung gar nicht gebraucht, um den V8 am Leben zu erhalten. Irgendwie hätten die Normen mit dem 4.4-Liter-Motor auch so eingehalten werden können. Das aber hätte BMWs Credo widersprochen, nach dem jedes Modell seinen Beitrag zur Senkung der Flottenemissionen beitragen soll. Ob die Damen und Herren der M-GmbH das auch im Alleingang so entschieden hätten, wagen wir zu bezweifeln. Jedenfalls wurden dem neuen M5 Akku und Elektromotor aufgeschnallt – auch, weil Autos ohne elektrische Fortbewegungsmöglichkeit mancherorts gar keinen Zutritt mehr haben.
Der V8 fürs Herz, Elektro für die Umwelt, zumindest auf dem Papier. Denn die ganze Technik hebt das Leergewicht des M5 auf adipöse 2550 kg. Da fallen die 40 kg extra nicht auf, die der seit Langem erstmals wieder angebotene Touring mitbringt. Diesem werden vor allem bei uns hohe Absatzzahlen vorausgesagt. Fünf Prozent der globalen M5-Touring-Verkäufe gehen in die Schweiz, so die Prognose.
Keine Luftschlösser, die BMW sich da erträumt. Was der M5 Touring zu bieten hat, ist bestes Powerkombi-Kino. Mit dem Unterschied, dass zunächst alles ganz leise geht. Gut 60 km schafft der Kombi elektrisch, wobei die 145 kW (197 PS) der E-Maschine für passables Vorwärtskommen reichen. Weil sie zwischen Verbrenner und Getriebe sitzt, wird auch im E-Modus geschaltet, was verschiedene Übersetzungen ermöglicht. So sind bessere Fahrleistungen möglich als mit starrer Übertragung.
Zusammen mit dem ziemlich überzeugenden Kunstklang aus den Lautsprechern ergibt sich ein annähernd mechanisches Fahrgefühl, das man von Elektroautos und Plug-in-Hybriden so nicht kennt. Man muss auf die Drehzahl schauen, um zu erkennen, ob der Verbrenner mitläuft oder nicht, derart harmonisch ist das Hybridsystem abgestimmt.
Wenn Plug-in im Sportwagen, dann so
Bis man das erste Mal die gesamte Macht der 535 kW (727 PS) bemüht. Wenn dieses Vieh beschleunigt, dreht sich die Erde kurz in die andere Richtung. Egal welches Tempo anliegt, der M5 presst dich in den Sitz, während der E-Motor allfällige Turbolöcher mit Drehmoment zuschüttet und das Wort Durchzug neu definiert. Irre, wenn 1000 Nm beim kurzen Pedalbefehl im achten Gang Knoten in die Antriebswellen schnüren. Vor allem aber macht hier wirklich noch der V8 die Musik, die ganze Elektrik ist nur Beiwerk.
Wäre das kurze Sortieren beim Kick-down nicht, BMW könnte einem den M5 glaubhaft als reinen Biturbo-V8 verkaufen. Zum Überwinden der Gedenksekunde einfach vor dem Beschleunigen die linke Schaltwippe ziehen, dann stehen für zehn Sekunden alle Systeme stramm und die volle Antriebsleistung Gewehr bei Fuss. Plug-in-Hybrid im Sportwagen kann schon funktionieren, man muss nur den richtigen Hauptdarsteller wählen. Gell, AMG?
Dabei haushaltet der Bayer sparsam mit seinen Batteriereserven. Über die ersten 250 nicht schonend gefahrenen Testkilometer haben wir kaum ein Viertel der Akkuladung verbraucht. Im Performance-Modus sorgt der Antriebsstrang für maximale Kühlung und einen gewissen Ladestand des Akkupakets, damit immer Saft für den Vortrieb vorhanden ist. «Performance Plus» nimmt auf den Akkustand keine Rücksicht und boostet für ein paar schnelle Runden, was das Zeug hält.
Das ist nur die Spitze des Eisbergs der Einstellmöglichkeiten. Schaltstrategie, Lenk- und Bremsgefühl, Dämpferregelung, Auspuffklang, Momentenverteilung des Allradantriebs und vieles mehr lässt sich teils mehrfach verstellen. Kein Vorteil im Fall der Bremse, die bombastisch verzögert, aber mit künstlichem Pedalgefühl enttäuscht. Die im Testwagen verbaute Keramikbremse trifft keine Schuld. Für die Erzeugung des Widerstands tritt man mit dem Pedal in eine Gummibuchse, die das Bremsgefühl nicht perfekt simulieren kann.
Nach genauem Studium aller Funktionen kann man seine beiden Lieblingssettings auf den M-Tasten am Lenkrad ablegen. Mindestens eines sollte den MDM-Allradmodus enthalten. Bei gelockertem ESP und heckbetonter Lastverteilung ist es ein Leichtes, den Brocken zum Querfahren zu überreden, im Drift zu halten und am Kurvenende gerade zu ziehen.
Handicapiert durch die Grösse
Aber bitte nur auf der Rennstrecke probieren. Für Passstrassen ist der M5… Nein, nicht zu schwer. Klar merkt man das Gewicht beim Bremsen und in der Kurve, nachdem es die Allradlenkung kurz kaschiert hat. Reifen und Fahrwerk halten dann gut dagegen. Es ist seine schiere Grösse, die den M5 etwas handicapiert. Er ist einfach zu breit. Das Gefühl wird durch die zu hohe Sitzposition untermauert. Irgendwo muss beim Plattformbruder i5 ja der Akku hin. Der sitzt beim M5 weiter hinten, wobei er das Kofferraumvolumen nicht beschneidet. Zwar ist auch der Touring kein ausgewiesener Lademeister, aber das ist schon der normale 5er nicht – Hauptsache, es gibt wieder einen M5 Touring! Theoretisch sogar mit Anhängerkupplung bis zu zwei Tonnen Anhängelast.
Aus seinen Dimensionen macht der M5 optisch keinen Hehl, sein Design ist irgendwo zwischen elegantem E39 und «In-die-Fresse»-XM angesiedelt. Ob es in die eine oder andere Richtung tendiert, entscheidet jeder selbst. Am Touring-Heck wirkt der massive Diffusor harmonischer, noch ein Grund für den Kombi.
Die Reviere des M5 sind breite Landstrassen mit grosszügigen Schwüngen und die Autobahn, vorzugsweise in Deutschland. So ein unlimitiertes Stück teutonischen Asphalts walzt dieses übermotorisierte Biest mit einer Macht nieder, dass es einem anders wird. Selbst bei 280 km/h ist die Beschleunigung noch deutlich spürbar, bei 305 km/h schiebt die Elektronik dann den Riegel vor. Easy und schweissfrei, man darf nur nicht vergessen, die Lenkung in den Komfortmodus zu versetzen. Sonst wechselt der M5 die Spur schneller, als man «Geradeauslauf» sagen kann.
Generell ist der neue M5 ein hervorragender Begleiter fürs Reisen. Fahrwerks- und Sitzkomfort werden in Massen geboten. Aus Richtung der Seitenspiegel erklingt ein sanftes Säuseln, sonst sind bei zurückhaltender Fahrweise kaum Fahrgeräusche zu vernehmen.
Maue Ladeleistung
Wenn man es mit dem Gasgeben nicht übertreibt, hält sich der Antrieb auch im Verbrauch zurück. Unter dem Aufgebot höchster Willenskraft sind wir längere Zeit sparsam unterwegs gewesen und haben jeweils unter sieben Liter plus knapp 10 kWh auf 100 Kilometer auf dem Tacho stehen sehen. Die Vollgasorgie schlug dann mit 17.9 Liter und knapp 7 kWh zu Buche. Ganz schön heftig. Klar, Verbräuche sind in dieser Klasse bestenfalls viertrangig, zum Sparen hat noch nie jemand einen M5 gekauft.
Wobei man bei den gesalzenen Preisen nach dem Kauf vielleicht doch den Gürtel wieder etwas enger schnallen muss. So ist es schön, zu wissen, dass sparsames Vorwärtskommen theoretisch möglich wäre. Notabene nur, solange man den Akku geflissentlich lädt. Das geht leider nur mit bis zu 11 kW bei Wechselstrom, Ladepausen auf der Autobahn an DC-Säulen sind so nicht möglich. Zukünftige M5-Eigner müssen also eine Wallbox zu Hause haben. Ein Punkt, bei dem das Mieterland Schweiz noch Nachholbedarf hat.