Während wir uns über den verregneten Sommer ärgern, schiebt MG die Wolken
beiseite. Mit dem Cyberster öffnet erstmals ein Elektro-Roadster sein Dach und
sorgt für gute Laune.
Der Wind war schon immer ein Grüner, die Sonne sowieso. Jetzt bekommen beide
den passenden Spielkameraden. Mit dem MG Cyberster lüftet ein neuer
Elektro-Roadster sein knappes Top. Zum 100. Geburtstag kehrt MG damit zurück zu
seinen Wurzeln. Mit ihren legendären Roadstern MG A, MG B oder MG Midget war
die in Oxford als «Morris Garages» gegründete Autoschmiede einst ein Motor der
britischen Roadster-Hochkultur. Mittlerweile liegen die Markenrechte in China
bei der SAIC Motor Corporation.
Umso erstaunlicher, dass sich die eigentlich auf fette Beute ausgerichteten
Chinesen auf dieses nischige Parkett begeben. Nach kurzer Blütezeit der
Neo-Roadster, ausgelöst vom Mazda MX-5, Mercedes SLK oder Audi TT, steht die
Autogattung bei uns inzwischen wieder unter Artenschutz. Die Stückzahlen
rangieren längst im homöopathischen Bereich. Die Paarung mit E-Antrieb könnte
vielleicht für neuen Rückenwind sorgen.
Scharfes Design
Vom eher zurückhaltenden Wesen klassischer Zweisitzer aus den Sechzigern will der Cyberster - eine Wortschöpfung aus Cyber und Roadster - ohnehin wenig wissen. Mit einer Länge von 4.53 Meter und einer Breite von 1.91 Meter entfernt sich der China-MG weit von seinen zierlichen Ahnen. Das Design-Team um Josef Kaban, vormals in Diensten von Audi, Skoda, VW oder BMW, schuf einen Sportwagen, der Blicke auf sich ziehen wird.
Die Heckleuchten sind eine Anlehnung an die Flagge Grossbritanniens.
Der Cyberster ist ein Zweisitzer im Stile moderner Sportwagen. Mit einer
Front, für die sich kein Freund italienischer Automode schämen muss und einem
kantig scharf geschnittenen Heck, mit einer oberen Lichtleiste, unter der
feuerrote Pfeile als Rückleuchten ins Auge stechen. Den unteren Abschluss
definiert ein mächtiger Diffusor. Das alles ist ziemlich nahe an dem
spektakulären Concept-Car, das MG 2021 in Shanghai präsentierte, wo der
Cyberster auch bei SAIC vom Band läuft. Selbst die extravaganten Scherentüren,
die auf Tastendruck elektrisch nach oben schwingen, schafften es irgendwie
vorbei an der chinesischen Rotstift-Polizei bis in die Serie.
Retro-freies Cockpit
Der Innenraum erzählt kaum Anekdoten aus der guten alten Roadster-Zeit.
Zugeschnitten auf eine intakte Zweierbeziehung blickt man nicht etwa auf
chromumrandete Analoguhren, sondern auf ein digitales Bildschirm-Panel,
bestehend aus drei Displays. Einen Startknopf gibt es nicht, der Zweisitzer ist
ready to go, wenn der Fahrer sitzt. Das Lenkrad ist unten abgeflacht, in der
Mittelkonsole sehen wir einen Klima-Monitor, darunter drei wenig elegante
Schalter - einer für die elektrische Stoffmütze, die sich in kaum sieben
Sekunden blitzschnell in eine Mulde hinter den Sitzen zurückzieht.
Bildschirme als Tribut an die chinesische Herkunft.
MG bietet seine Windsbraut bei uns in zwei Versionen an, die die
Verwandtschaft aus den Sechzigern zu langweiligen Immobilien degradieren. Schon
zum Einstieg gibt es Anschub für Sturmerprobte. Dann befeuert ein 250 kW (340
PS) starker E-Motor die Hinterachse. 475 Newtonmeter Drehmoment spannen die
Muskeln und schiessen den Roadster in 5.2 Sekunden auf Tempo 100. In dieser
Variante sind 195 Spitze drin.
Topversion GT mit 544 PS
Wer tiefer ins Auge des Taifuns blicken will, nimmt den Allradler. Mit
Dualmotor, also je einem an jeder Achse, bringt es dieser Turbo-Föhn für
Fortgeschrittene auf eine Systemleistung von 400 kW (544 PS) und stemmt 725
Newtonmeter in den Asphalt. Boxster- oder Elfer-Fahrer müssen sich warm
anziehen, um dem Cyberster - zumindest auf den ersten Metern - zu folgen. 3.2
Sekunden dauert der famose Raketenstart auf 100 km/h.
Der MG Cyberster bietet gute Fahrleistungen, egal ob mit Hinter- oder Allradantrieb.
Die Performance dieses Sturmlaufs abschliessend zu bewerten, wäre unseriös.
Unsere ersten Testfahrten auf einem Racing-Track dauerten nur wenige Minuten.
Dabei bleibt hängen, dass der Cyberster - na klar - Kraft im Überfluss hat,
weitgehend bandscheibenfreundlich federt, aber auch alles andere als ein Bruder
Leichtfuss ist. Mit über zwei Tonnen wiegt er mehr als doppelt so viel wie einst
der MG B. Der schwere 77-kWh-Akku im Unterboden konterkariert natürlich Idee
und Reinheitsgebot jedes Roadsters alter Schule. Obwohl der MG sein
Gewichtsproblem bestmöglich versucht zu kaschieren, sind die Extra-Kilos in
jeder schnellen Kurve spürbar.
Keine günstigen Preise
Die elektrische Reichweite gibt MG mit 580 Kilometern an, gemessen nach
einem chinesischen Testzyklus für leichte Nutzfahrzeuge. Verlässliche Werte
liegen derzeit ebenso wenig vor, wie definitive Preise. Wenn der Cyberster voraussichtlich im November 2024 auch in der Schweiz sein Dach öffnet, und die Strafsteuer auf China-Importe
greift, dürfte die Einstiegsversion Trophy kaum unter 65’000 Franken kosten und
die Topversion GT schon sehr deutlich an der 70’000-Franken-Marke kratzen.
Sonne und Wind gibt es gratis dazu.
Technische Daten MG Cyberster
MG Cyberster Trophy
Zweitüriger Elektro-Roadster mit Heckantrieb; Länge: 4.53 Meter, Breite: 1.91 Meter, Höhe: 1.33 Meter
E-Motor
hinten: 250 kW (340 PS), max. Drehmoment 475 Newtonmeter,
1-Gang-Automatikgetriebe, Lithium-Ionen-Batterie mit 77 kWh, 0-100
km/h: 5.2 s, Vmax: 195 km/h. Preis: voraussichtlich ab 65'000 Franken
MG Cyberster GT
Zweitüriger Elektro-Roadster mit Allradantrieb; Länge: 4.53 Meter, Breite: 1.91 Meter, Höhe: 1.33 Meter
Dual-Elektromotor
mit einer Systemleistung von 400 kW (544) PS, max. Drehmoment 725
Newtonmeter, 1-Gang-Automatikgetriebe, Lithium-Ionen-Batterie mit 77
kWh, 0-100 km/h: 3.2 s, Vmax: 200 km/h, Preis: voraussichtlich ab 70'000 Franken
Fotos: MG Motor
Kommentare
Patrick Croket
Der Westen kann einpacken! Nun zaubern die Chinesen unter dem altehrwürdigen Namen MG ein Cabrio auf die Strasse, welches alles andere wegputzen könnte. Da passt für mich fast alles zusammen. Nur der Preis ist (zu) hoch. AUf diese Weise kann sich ein Hersteller die Reputation und den Namen wieder aufpolieren. Da kommt ein schönes Cabrio mit viel Leistung und auch noch verrückt-tollen Scherentüren auf den Markt! Die können das, was europäische Hersteller vergessen haben! Phantastische und schöne Autos für Spassfahrer auf die Räder stellen. VW + Co. werden schlaflose Nächte haben - vielleicht schon zu spät...
Der Westen kann einpacken! Nun zaubern die Chinesen unter dem altehrwürdigen Namen MG ein Cabrio auf die Strasse, welches alles andere wegputzen könnte. Da passt für mich fast alles zusammen. Nur der Preis ist (zu) hoch. AUf diese Weise kann sich ein Hersteller die Reputation und den Namen wieder aufpolieren. Da kommt ein schönes Cabrio mit viel Leistung und auch noch verrückt-tollen Scherentüren auf den Markt! Die können das, was europäische Hersteller vergessen haben! Phantastische und schöne Autos für Spassfahrer auf die Räder stellen. VW + Co. werden schlaflose Nächte haben - vielleicht schon zu spät...