Die Leidenschaft verdient kein Geld

Simon Tottoli | 18.04.2024

Editorial

Tottoli Simon RGB

Simon Tottoli, Chefredaktor

Kürzlich habe ich den Fernsehfilm «Die Affäre Borgward» gesehen. Darin geht es um die gleichnamige Fahrzeugmarke, die 1961 ihr jähes Ende fand. Das passierte weit vor meiner Zeit, einige unter Ihnen haben den Untergang von Borgward sicher miterlebt, einige vielleicht sogar einen Borgward besessen. Dann wissen Sie vermutlich noch, was damals in etwa passierte: Borgward bot zu viele Modelle an, hatte zusammen mit den beiden anderen Unternehmensmarken Goliath und Lloyd zu hohe Ausgaben und verdiente zu wenig Geld.

Ein Film dramatisiert natürlich immer, und wenn man nicht selber dabei war, ist es ohnehin schwierig, solche Geschichten zu rekapitulieren. Trotzdem darf man wohl sagen, dass sich Firmenboss Carl F. W. Borgward zu sehr auf seine Leidenschaft, das Tüfteln und Entwickeln, fokussiert und die Finanzen mehr oder weniger ausser Acht gelassen hatte. Zudem verzichtete er auf ein Management mit Vollmacht, das sich um die Geschäfte hätte kümmern können.

Solche Manager sind uns Autofans ein Dorn im Auge. Denn während wir uns schicke Coupés, betörende Cabrios und ausgeklügelte Technik wünschen, fragen die in erster Linie: Lässt sich damit Geld verdienen? Die Antwortet lautet meistens Nein, ausser vielleicht bei einem halben Dutzend Hersteller exklusiver Luxus- und Sportwagen. Volumenmarken werfen dagegen lieber das xte SUV auf den Markt, weil das die Kunden offenbar wollen. Bezahlbare Coupés stehen genauso auf dem Abstellgleis wie Cabrios oder andere Autos fürs Herz.

Aber es kommt noch schlimmer, denn es gibt ja das jeweilige SUV auch gleich noch von verschiedenen Marken. So hat Alfa Romeo soeben den Junior vorgestellt, einen Technikbruder von Fiat 600, Jeep Avenger, Opel Mokka und noch einigen weiteren Modellen. Sie alle teilen sich die gleiche Plattform und haben vor allem identische Antriebsstränge. Da wird es dem Alfista regelrecht trümmlig. Wo sind hier die Leidenschaft und die technische Finesse geblieben? Doch das Kässeli füllt sich leider nicht dank solcher Dinge, sondern dank möglichst kleiner Entwicklungskosten und möglichst grosser Margen.

Gerade Alfa Romeo weiss das nur zu gut. Die Modelle Giulia und Stelvio sind beide moderne Interpretationen der Markenwerte, dümpeln aber in den Verkaufsstatistiken eher im unteren Bereich herum. So stellt sich am Ende eigentlich nur die Frage, ob man als Auto- ­respektive Markenfan lieber einen nicht ganz so originalen Alfa Romeo möchte – oder gar keinen, weil es die Marke nicht mehr gibt. Diese Frage kann bei Borgward leider nicht mehr gestellt werden. Der Neustart in China 2016 war wohl ebenfalls zu wenig durchkalkuliert.

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