Alfisti haben halt einen Bleifuss

Simon Tottoli | 16.05.2024

Editorial

Tottoli Simon RGB

Simon Tottoli, Chefredaktor

Die Gegenüberstellung der WLTP-­Verbrauchsangaben zum effektiven Autodurst im Alltag zeigt eklatante Abweichungen auf. So weit, so wenig überraschend. So hat die Ablösung der arg unrealistisch gewordenen NEFZ-Methode durch das zumindest praxisnähere WLTP-Messverfahren zwar mehr Transparenz gebracht, aber sehr viele Gegebenheiten, die sich erst in der Realauswertung bemerkbar machen, bildet WLTP nicht ab. Angefangenen beim Profil des Fahrers über die Beladung, den Stauanteil, die Topografie bis hin zu den klimatischen Bedingungen. All das sorgt zwar für höhere Realverbräuche, die Analyse der EU-Kommission schlüsselt aber nicht auf, wie gross der Einfluss der einzelnen Parameter ist. Das kann sie auch nicht, denn den Analysten standen nur die Laufleistung und die dabei verbrauchte Treibstoffmenge zur Verfügung.

Was ebenfalls ausser Acht gelassen wurde und immer noch wird: Wofür die Autos eigentlich gebaut sind und wofür sie gekauft werden. Niemand holt sich einen Porsche 911, um damit zu schleichen, und die wenigsten Menschen schaffen sich einen Kombi an, um stets ohne Beladung damit herumzufahren. Speziell von Porsche weiss man, dass die Modelle zwar beim WLTP-Verbrauch hervorragend abschneiden (was sich auch in der sehr zurückhaltend gefahrenen AR-Normrunde widerspiegelt), aber im Alltag mit weniger sanftem Gasfuss der Verbrauch ansteigt (genauso wie der AR-Testverbrauch). Weil es eben schwierig ist, so ein Auto immer nur zu streicheln – jedenfalls für den leidenschaftlichen Autofahrer.

Auf Punkte wie Leidenschaft, Fahrspass oder auch Termindruck geht die EU-Kommission ohnehin nicht ein. Wir von der AR schon. Und deshalb stelle ich die gewagte These in den Raum, dass beispielsweise die grosse Diskrepanz zwischen eruiertem Alltagsverbrauch und WLTP-Angabe bei Alfa Romeo mit der Passion hinter dem Steuer zusammenhängt. Wer einen Alfa fährt, gibt ihm dann und wann die Sporen. Das Gleiche gilt für einen BMW, wo der Unterschied zwischen Realität und WLTP ebenfalls recht gross ist. Wobei das sicher auch mit dem hohen Flottenanteil zusammenhängt, der sich etwa für Skoda in der Analyse nicht allzu gut auswirkt. Gestresste Angestellte im Aussendienst sind im Geschäftswagen schliesslich ab und zu zügig unterwegs.

All das macht für die EU-Kommission (noch) keinen Unterschied. Zum Glück, ist man geneigt zu sagen. Ein Vergehen gewisser Fahrzeugbesitzer deckt die Auswertung dagegen jetzt schon auf: Dass sie ihren Plug-in-Hybrid viel zu selten an den Strom hängen.

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