Was macht ein gutes Auto aus?

Simon Tottoli | 15.02.2024

Editorial

Tottoli Simon RGB

Simon Tottoli, Chefredaktor

Anfang dieser Woche durfte ich in meiner Rolle als Juror bei der Wahl zum Auto des Jahres nach Paris ans grosse Finale reisen. Wir rund 60 Jurymitglieder hatten hier die Möglichkeit, die sieben Finalisten nochmals auf Herz und Nieren zu testen. Ausserdem stellten sich Vertreter der Hersteller den Fragen von uns Journalisten.

Sowohl im Rahmen der Testfahrten als auch in den Fragerunden zeigte sich, dass es deutliche Kontraste bei den Bewertungskriterien gibt. Bei einer Jury mit Vertretern aus über 20 Ländern in Europa ist das kein Wunder. Denn schliesslich sind die Anforderungen an ein Auto regional unterschiedlich – und damit auch die Kriterien für ein gutes respektive sogar das beste Auto.

In diesem Jahr präsentiert sich das Fina­listenfeld sehr vielschichtig. So gehören neben kompakten SUV wie Toyota C-HR, Volvo EX30 sowie Renault Scenic E-Tech und Peugeot E-3008 auch zwei Limousinen, der BMW 5er/i5 sowie der BYD Seal, und ein ausgewachsenes Fullsize-SUV, der Kia EV9, zu den Anwärtern. Was fehlt, ist ein Kleinwagen. Und das beschäftigt vor allem die Kollegen aus Frankreich und Italien. Denn für sie gehört zu einem guten Auto auch, dass man mit ihm ohne Klaustrophobie­potenzial durch enge Gässchen fahren kann.

Der Kaufpreis spielt für unsere Nachbarn im Süden und Westen ebenfalls eine grosse Rolle. Das Gleiche gilt für die Juroren aus den östlich gelegenen Ländern wie Tschechien, Ungarn oder Slowenien. Der neue BMW 5er dürfte es bei ihnen schwer haben, auch wenn er zweifellos ein gutes Auto ist, wie unser Test des derzeitigen Top-5ers i5 M60 belegt. Aber halt! Viele Punkte bedeuten nicht automatisch, dass ein Auto für jeden gut ist. So holte der Kia EV9 im AR-Test 84 Punkte, obwohl er relativ viel Strom braucht, um seine Masse von A nach B zu bewegen. Wer reichlich Platz braucht (und eine grosse Garage hat), dürfte damit leben können.

Natürlich müssen die Juroren möglichst objektiv an die Sache herangehen, wenn es an die Punkteverteilung geht. Aber im Vergleich zu den Tests in der AR, wo messbar viel Platz im Kia EV9 zwangsläufig zu einer hohen Punktzahl im Innenraumkapitel führt, geht es beim Auto des Jahres primär um das Gesamtbild. Und das ist ziemlich subjektiv. Während für einige ein hoher Einstiegspreis und ausladende Abmessungen kontraproduktiv sind, rümpfen andere aufgrund billiger Materialien die Nase. Unterschiedliche Bewertungsansätze gibt es aber nicht nur unter den Juroren, sondern natürlich auch bei unseren Lesern. Für sie kann ein Auto, 
das im AR-Test überschaubare 70 Punkte holt, trotzdem viel besser sein als eines mit 84 ...

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