Mercedes war sein Leben: Designer Bruno Sacco im Alter von 90 Jahren gestorben

Automobil Revue | 30.09.2024

Das T-Modell der Baureihe 123, die  S-Klasse W126, der Mercedes SL R129 oder der Baby-Benz, der 190er. All diese Modelle sind eng mit dem Namen Bruno Sacco verbunden, über Jahrzehnte hinweg prägte er das Design der schwäbischen Marke. Nun ist Sacco im Alter von 90 Jahren in seiner Wahlheimat Deutschland gestorben.

24 C0288 004

«Bruno Sacco hat das Unternehmen mit seinen ikonischen Designs und seiner Leidenschaft für Ästhetik nachhaltig geprägt», würdigt Gorden Wagener, Chief Design Officer der Mercedes-Benz Group AG, den gebürtigen Italiener mit deutscher Staatsbürgerschaft. Er war von 1975 bis zum Beginn des Ruhestands im Jahr 1999 Chefdesigner von Mercedes-Benz.

Saccos Leitmotiv war: «Ein Mercedes-Benz muss immer aussehen wie ein Mercedes-Benz.» Damit prägt der weit über die Marke hinaus geachtete Designer die Formensprache mehrerer Modellgenerationen. Sacco trat 1958 in die damalige Daimler-Benz AG ein und arbeitet sein ganzes Berufsleben lang für das Unternehmen.

Die Baureihe 126: «Das Beste, was ich für Mercedes-Benz gemacht habe»

Am 12. November 1933 in Udine als Sohn des Kommandeurs eines Gebirgsjägerbataillons geboren, schliesst Bruno Sacco 1951 im Alter von 17 Jahren das Studium als jüngster Geometer Italiens ab. Im gleichen Jahr besucht er den Automobilsalon in Turin: In diesem Zentrum moderner Designideen präsentieren Italiens große Automobildesigner neue Modelle, Studien und Entwürfe.

Fasziniert von der Welt der Automobilformen besucht Sacco ab 1952 die Polytechnische Hochschule in Turin. 1955 schliesst er sich der in Turin ansässigen Carrozzeria Ghia SpA an und sammelt Erfahrungen bei der Modellherstellung. Bei Ghia entstehen aufregende Studien, die futuristischen Flugzeugen ähneln, aber auch elegante Alltagsautomobile.

Ende 1957 lernt Sacco in Turin Karl Wilfert kennen. Der Leiter des Mercedes-Benz Karosserieversuchs im Werk Sindelfingen baut seit Mitte der 1950er-Jahre die neue Abteilung Stilistik auf, die Friedrich Geiger leitet. Als erster reiner Automobildesigner wird Paul Bracq von Wilfert eingestellt. Nach einer Einladung an Bruno Sacco in das Werk Sindelfingen folgt 1958 dessen Anstellung als zweiter Stilist.

Sacco arbeitet im Bereich Karosserievorentwicklung und später als Leiter der Abteilung Karosseriekonstruktion und Masskonzeption. In dieser Zeit entstehen herausragende Modelle wie der Mercedes-Benz 600 (W 100, 1963 bis 1981) und der 230 SL „Pagode“ (W 113, Produktionszeit der Baureihe 1963 bis 1971). Dazu übernimmt er die Design-Projektleitung für Sicherheitsausstellungen und prägt die Wankelmotor-Experimentalfahrzeuge C 111 (1969) sowie C 111-II (1970). Unter seiner Mitwirkung entstehen weit verbreitete Fahrzeuge wie die Mittelklasse-Baureihe 123 (1976 bis 1986).

Mit der Ernennung zum Oberingenieur übernimmt Sacco 1975 die Nachfolge von Friedrich Geiger als Leiter der Hauptabteilung Stilistik. Das erste von ihm verantwortete Fahrzeug ist das T-Modell der Baureihe 123, das 1977 als erste Kombilimousine der Marke vorgestellt wird. In dieser Zeit prägt er die Form der eleganten S-Klasse der Baureihe 126 (1979 bis 1992) und des zugehörigen Coupés (1981 bis 1991). Auf diese Typen ist er besonders stolz: „Die Baureihe 126 in allen Gestaltungsformen ist das Beste, was ich für Mercedes-Benz gemacht habe“, sagt Sacco Jahrzehnte später im Rückblick. Kein Wunder, dass während seines Ruhestands ein eleganter, dunkelblauer 560 SEC in seiner Doppelgarage steht.

24 C0288 007

Bei jedem Modellwechsel muss die Modellreihen-Identität erhalten bleiben

Als kluger und disziplinierter Verfechter seiner Arbeit versteht er es, dem Design in der Hierarchie von Mercedes-Benz die angemessene Bedeutung zu verleihen. So wird die Hauptabteilung Stilistik 1978 zum Fachbereich aufgewertet, mit Bruno Sacco an der Spitze.

Sacco bezeichnet sich selbst als Ästhet, er legt Wert auf Ausdruckssubstanz und Symbolstärke. Einer seiner Ansprüche: Bei einem Mercedes-Benz-Automobil soll von einer Modellgeneration zur nächsten die Modellreihen-Identität erhalten bleiben, um eine Generation nach der Vorstellung der nachfolgenden nicht alt wirken zu lassen. Zudem soll jeder Mercedes-Benz überall auf der Erde als Vertreter dieser Marke zu erkennen sein.

Unterscheidungsmerkmale einzelner Modelle sind trotz der Familienidentität gewollt. So legt Sacco Wert darauf, dass der SLK (R 170, 1996 bis 2004) sich deutlich vom grösseren SL (R 129) absetzt, um eine interne Konkurrenz zu vermeiden.

24 C0288 005

Bruno Sacco – einer der einflussreichsten Designer der Automobilgeschichte

Mit Sacco als Designchef betont Mercedes-Benz zunehmend Ästhetik wie aerodynamische Effizienz. Proportionen und die Linienführung sind klar, Funktionalität ist betont. Saccos Philosophie einer zeitlosen Eleganz spricht auch ein jüngeres Publikum an. Das trifft zunächst auf den Typ 190 (W 201) zu, welcher der Marke neue Käuferschichten erschliesst. Besonders deutlich wird Saccos Handschrift während der Modelloffensive Mitte der 1990er-Jahre, als A-Klasse (Baureihe 168, 1997 bis 2005), M-Klasse (Baureihe 163, 1997 bis 2004), SLK (R 170), CLK (Baureihe 208, 1997 bis 2003) und V-Klasse (W 638, 1996 bis 2003) die Modellvielfalt des Automobilherstellers deutlich erweitern. Die letzten von Bruno Sacco vor seinem Ruhestand verantworteten Modelle sind die S-Klasse der Baureihe 220 (1998 bis 2005) und das CL-Klasse Oberklassecoupé der Baureihe C 215 (1999 bis 2006).

Seine Fähigkeit, Ästhetik und Technik harmonisch zu verbinden, machen Bruno Sacco zu einem der einflussreichsten Designer der Automobilgeschichte. Am 31. März 1999 geht er in den Ruhestand, versehen mit zahlreichen Auszeichnungen. Bruno Sacco erhält 2002 die Ehrendoktorwürde der Universität Udine, 2006 wird er in die Automotive Hall of Fame in Dearborn, Michigan, und 2007 in die European Automotive Hall of Fame in Genf aufgenommen. Bruno Sacco sagte rückblickend nach zwei Jahrzehnten im Ruhestand: «Mercedes ist mein Leben gewesen, und ich stehe hundertprozentig für diese Zeit.»

24 C0288 006

Fotos: Mercedes-Benz

Kommentare

Keine Kommentare