Formel 1 – Zehn Teams, zehn Fragen, zehn Antworten

Elmar Brümmer | 12.03.2025

Licht aus – Spot an! Dieses Wochenende startet mit dem Grand Prix von Australien die Formel 1 in ihre nächste Saison. Nicht nur für Weltmeister Max Verstappen (Foto) lohnt es sich, vor dem Saisonauftakt genauer hinzusehen.

F1 2025 Verstappen Red Bull

Im letzten Jahr vor dem grossen Reglementwechsel scheint alles anders zu sein. Die Teams sind technisch noch näher zusammengerückt als beim ohnehin schon knappen Vorjahrsendspurt. Es kommt wieder mehr auf die Fahrer an. Im Idealfall gibt es einen grossen Vierkampf vorn und im Mittelfeld. Teamchef Andrea Stella vom Konstrukteurs-Weltmeister McLaren glaubt allerdings, dass in dieser Saison gar sechs Rennställe gewinnen könnten. Christian Horner von Red Bull erhöht die Zahl der Siegesaspiranten auf bis zu acht Fahrer. Was die Prognosen wert sind, werden wir nach dem Grand Prix von Australien am Wochenende wissen. Die AR stellt zu jedem der zehn Rennställe die wichtigsten Fragen – und gibt Antworten.

McLaren: Behält Lando Norris diesmal die Nerven?

Wenn die Flüchtigkeitsfehler von Team und Fahrern minimiert werden, dann könnte es zu einem Alleingang der papayafarbenen Rennwagen kommen, so überlegen waren sie bei den Testfahrten – obwohl Bahrain zu den schwächsten Strecken von McLaren gehört. «Die fahren wie vom anderen Stern», befand Mercedes-Teamchef Toto Wolff. Der Schwung des Konstrukteurstitels wirkt offenbar nach. Ungeklärt ist noch, ob Lando Norris diesmal intern die klare Nummer Eins wird. Oscar Piastri weiss, dass er nochmal einen grossen Schritt machen muss. Und Norris macht sich keine Illusion darüber, dass er seine Nerven besser zügeln muss. Er gibt den Kämpfer: «Wir haben keine Entschuldigungen mehr. Ich glaube, dass es wieder sehr eng zugehen wird.»

F1 2025 Verstappen Norris

Titelduell im vergangenen Jahr: Red Bulls Max Verstappen (l.) gegen Lando Norris von McLaren.

Red Bull: Bleibt Max Verstappen ein Einzelkämpfer?

Streiche Sergio Pérez, setze Liam Lawson. Und trotzdem erscheint Red Bull Racing wieder als Ein-Mann-Team, der Neuseeländer erscheint zwar tough, ist aber noch unerfahren. Mit einem Max Verstappen, der gnadenloser denn je unterwegs ist. Der Niederländer liebt den Druck, und von dem hat das personell komplett umgebaute Team reichlich gehabt. Der fünfte Titel würde Verstappen auf Fangio-Niveau heben, fünfmal in Serie hat sonst nur noch Michael Schumacher gewonnen. Was für ein Triumph wäre das, um dann vielleicht doch den Verlockungen von Aston Martin zu erliegen? Der Champion hat alles in den Händen. Aber er braucht einen Dienstwagen, der besser balanciert ist. Noch sieht er Red Bull im Nachteil, aber das im Juni in Kraft tretende Verbot der sich komplett verbiegenden Frontflügel könnte ihm in die Hände spielen.

F1 2025 Hamilton

Lewis Hamilton: Schon auf dem Ferrari-Thron.

Ferrari: Hält Lewis Hamilton dem Hype stand?

Es ist der spektakulärste Wechsel seit Michael Schumacher vor drei Jahrzehnten, entsprechend hoch sind die Erwartungen bei Fans, Medien und Ferrari selbst. Lewis Hamilton geht mit 40 ein neues Abenteuer ein und will sich in Maranello zum grössten Rennfahrer aller Zeiten krönen. Es ist ein hohes Risiko, für beide Seiten. Denn Hamilton kommt zwar mit sieben Titeln, aber auch aus der (Mercedes-)Krise. Er trifft auf einen Charles Leclerc, der wirklich die allerletzte Chance nutzen muss, um nicht als ewiges Talent abgestempelt zu werden. Für den Erfolgsfall hat Hamilton schon angekündigt, ewig weiterfahren zu wollen. Sollte ihn der Monegasse aber entzaubern, dann müsste er sich in die lange Reihe bei und an Ferrari gescheiterter Champions (Fernando Alonso, Sebastian Vettel) einreihen.

F1 2025 Antonelli Mercedes

Vergöttert: Andrea Kimi Antonelli wird von den Ingenieuren «kleiner Jesus» gerufen.

Mercedes: Ist Kimi Antonelli das Jahrhunderttalent?

Sich selber wieder einen Champion heranziehen, und damit dem Erzrivalen Red Bull, der sich als Talentschmiede Nummer Eins sieht, eins auszuwischen – das ist das Ziel der Risikotaktik von Mercedes-Boss Toto Wolff. George Russell steht als neuer Teamleader zwar auch unter Druck, aber alle Augen ruhen auf dem erst 18 Jahre alten Andrea Kimi Antonelli. Wolff spricht von «neuen Massstäben und neuen Träumen». Der junge Italiener wird von vielen bereits vergöttert, die Ingenieure nennen ihn einen «kleinen Jesus». Aber entscheidend wird sein, ob der Silberpfeil zum Ende der Saugeffekt-Ära endlich berechenbarer ist.

Aston Martin: Wann tritt der Newey-Effekt ein?

Die grünen Autos waren bei den Testfahrten reine Probewagen, offenbar mischt sich der Aerodynamik-Guru Adrian Newey, der erst sei März offiziell an Lawrence Strolls Mega-Projekt Siegfähigkeit mitarbeiten darf, doch ins aktuelle Tagesgeschäft ein. Es wäre auch bitter nötig, sonst wird Fernando Alonso noch schlechter gelaunt als eh schon – und Aston Martin könnte ins untere Mittelfeld zurückfallen. Der Teamchefwechsel von Mike Krack zu Andy Cowell zeigt schon, dass auch die Geduld von Milliardär Stroll sich langsam dem Ende zuneigt. Er will Ergebnisse sehen, endlich. Und Newey? Trägt weiter sein undurchdringliches Pokerface, soll sich in der nagelneuen Rennfabrik in Silverstone allerdings auch ein Bett aufstellen lassen haben, für Ideen rund um die Uhr.

F1 2025 Alonso Newey

Schlecht gelaunt: Aston-Martin-Starpilot Fernando Alonso (l.) mit Aerodynamik-Guru Adrian Newey.

Alpine: Was hat Flavio Briatore vor?

Offiziell ist der Italiener, der aus einer lang vergangenen Zeit der Formel 1 stammt, nur Berater bei Alpine. Aber mit direktem Draht zum Vorstand, und der hat dafür gesorgt, dass die nicht konkurrenzfähigen Renault-Motoren verabschiedet werden. Auch sonst krempelt Flavio Briatore, dessen verlängerter Arm Teamchef Oliver Oakes ist, alles um. Manche glauben immer noch, dass er nur die Braut hübsch für einen Verkauf machen soll. Am Ende im letzten Jahr noch Sechster in der Konstrukteurs-Wertung geworden zu sein, dass war ein Ausdruck von Briatore-Magie – oder einfach nur Glück. Der Druck wird nicht geringer, vor allem nicht auf Neuzugang Jack Doohan. Schlägt der Australier in den ersten drei Rennen nicht ein, dürfte er gegen den Argentinier Franco Colapinto ausgetauscht werden. Denn der bringt mit, was Briatore am liebsten hat: viel Geld.

Haas: Kommt da noch was?

Das erste Jahr ohne Günther Steiner ist vorbei – und niemand hat den RTL-Stichwortgeber wirklich vermisst. Die Sprüche hatten sich nicht nur bei Teamchef Gene Haas abgenutzt. Die Zielstrebigkeit von Ayao Komatsu ist angenehm, und sie wäre noch erfolgreicher gewesen, hätten dem kleinsten Team der Formel 1 die Reifen oft einen Strich durch die Rechnung gemacht. Die Routiniers Nico Hülkenberg und Kevin Magnussen sind weg, jetzt kommt eine neue und durchaus explosive Mischung in die Cockpits: Esteban Ocon will endlich beweisen, dass er ein Top-Mann ist. Und Ferrari parkt mit Oliver Bearman schon den nächsten Hamilton bei seinem Filialteam.

Racing Bulls: Wohin geht die Reise?

Die Unruhe bei Red Bull greift trotz eines eher gelassen erscheinenden Teamchefs Peter Bayer auch im Zweitrennstall um sich. Die wilden Experimente bei den Fahrern tragen nicht gerade zur Stabilität bei. Honda-Schützling Yuki Tsunoda in seinem vielleicht letzten Jahr, muss endlich sein Temperament in den Griff bekommen – und Rookie Isack Hadjar war in der Formel 2 ebenfalls oft ein Hitzkopf. Eine doppelt schwere Aufgabe für die kleinen Bullen: Piloten ausbilden und ein bisher nicht überragendes Auto in den Griff bekommen. Sonst droht der Abstieg aus dem Mittelfeld.

F1 2025 Sainz Williams

Neue Perspektive: Carlos Sainz wechselte von Ferrari zu Williams.

Williams: Kann Carlos Sainz Wunder wirken?

Er gehört zu den stolzesten Formel-1-Piloten, nicht nur, weil er Spanier ist. Aber Carlos Sainz hatte sich bei Ferrari emanzipiert – nachdem er den Laufpass bekommen hatte. Das Selbstvertrauen und die Wut bringt er mit zum Traditionsteam Williams, wo Teamchef James Vowles immer noch stark mit Umbauarbeiten beschäftigt ist. Kann er Sainz keine hinreichende Perspektive bieten, dürfte dieser schnell wieder auf dem Sprung sein. Immerhin war es für ihn eine Wohltat, am Ende der Vorsaisontests an der Spitze der Zeitenliste zu stehen. Williams scheint einen Sprung gemacht zu haben, fraglich nur, wie gross der wirklich ist.

Sauber: Wann werden die 100 Prozent erreicht?

Der neue Sauber-Rennwagen, der bei den Tests einen schwachen Eindruck gemacht hat, sei erst zu 80 Prozent jenes Auto gewesen, dass in Melbourne an den Start geht, beschwichtigt der Hinwiler-Teamchef James Key. Doch selbst mit einem neuen Fünftel wird es schwer werden, das Schlusslicht loszuwerden. Zu viel muss beim künftigen Audi-Werksrennstall parallel anders werden. Da sind die immer noch neuen Gesichter an der Teamspitze (Mattia Binotto und Jonathan Wheatley), eine neue Fahrerpaarung mit Routinier Nico Hülkenberg und Rookie Gabriel Bortoleto, immer mehr neue Mitarbeiter. Bei Sauber stellt sich die Frage daher am dringlichsten, die so viele Teamchefs beschäftigt: Wann nicht mehr für 2025 entwickeln, sondern alles in das Auto für das kommende Jahr stecken? Binotto ist klar für die langfristige Perspektive, riskiert damit aber, dass der Rückstand auf die anderen noch grösser wird. Der Italiener setzt darauf, dass ihm der als schonungslos bekannte Hülkenberg die richtige Richtung aufzeigen wird.

F1 2025 Doohan Barman Bortoleto

Drei von sechs Formel-1-Einsteigern: Jack Doohan (Alpine), Oliver Bearman (Haas) und Gabriel Bortoleto (Sauber, v.l.).

Fotos: Red Bull, Ferrari, Aston Martin, Sauber, Williams

Kommentare

Keine Kommentare