Die Unbekannten: Bristol 408

Peter Ruch | 08.12.2023

Bristol wurden nur in kleinsten Serien gebaut. Und dieses Fahrzeug ist dann noch aussergewöhnlicher.

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  • - Gebaut von 1963 bis 1965
  • - Keine genauen Produktionszahlen
  • - Heute mit moderner Technik

Die Briten sind anders. Es geht hier nicht um den Brexit, es geht mehr um Dinge wie das warme Wasser, das sich auf keinen Fall mit dem kalten Wasser durchmischen soll. Oder Fenster, die auf keinen Fall dicht sein sollen oder gar gegen Regen schützen, denn Regen ist ganz normal auf den Inseln, aber hinter dichten Fenstern könnte man ja allenfalls ersticken. Warum auf den Inseln prozentual mit Abstand am meisten Cabrios verkauft werden, obwohl auf den Inseln mit dem gleichen Abstand das grauenhafteste Wetter überhaupt herrscht, ist auch eines dieser Rätsel. Und dann wäre da auch noch die Frage, wie man auf die Idee kommen kann, Pfefferminzsauce zu Lammfleisch zu servieren.

Und dann ist da noch der Auto-Hersteller Bristol. Denn Bristol müsste eigentlich gar nicht Bristol heissen, denn das Werk befand sich immer in Filton; Filton nun befindet sich immerhin in der Nähe von Bristol, und in der Nachbarschaft des Flughafens von Filton baute die Bristol Aircraft Company ab 1910 Flugzeuge. Dies sogar mit einigem Erfolg, doch nach dem 2. Weltkrieg ging nicht mehr viel, man musste sich neue Betätigungsfelder suchen. Das Automobil lag nahe, auch deshalb, weil Bristol schon im Juni 1945 Frazer-Nash übernommen hatte. Frazer-Nash wiederum besass seit 1934 das Recht, BMW-Automobile in England zu bauen und zu vertreiben; in den ersten Wochen nach dem Krieg war es Oberst H.J. Aldington ausserdem gelungen, die Konstruktionszeichnungen der BMW 326, 327 und vor allem 328 zu übernehmen – und dem BMW-Ingenieur Fritz Fiedler anzuwerben. Weil Zeit und Geld knapp waren, entschied sich Bristol gegen eine Neukonstruktion und für die Weiterentwicklung der BMW-Vorkriegskonstruktionen, schon im Frühling 1946 konnte auf dem Genfer Salon ein erster Prototyp, der 400, gezeigt werden. Im April 1947 trennten sich Frazer-Nash und Bristol bereits wieder, Aldington baute wieder Sportwagen – und Bristol den 400, der ein ziemlich eindeutige Kopie des BMW 327 war, inklusive 2-Liter-Sechszylinder-Motor, Getriebe, Fahrwerk. Sogar die Niere wurde beibehalten.

Das sorgte für reichlich Kritik. Und so zählte Bristol fröhlich weiter und legte schon 1948 den 401 nach, der mit einer Alu-Karosserie von Touring versehen war. Technisch blieb alles beim Alten, buchstäblich. Vom 401 gab es dann auch ein Cabriolet, als 402 Drophead Coupé bezeichnet. Der 1953 vorgestellte 403 war dann wiederum optisch gleich wie der 401, wurde aber technisch verbessert. Die ehemalige BMW-Maschine kam mit einem neuen Zylinderkopf auf 100 PS, das Fahrzeug schaffte auch eine Höchstgeschwindigkeit von 100 Meilen. Ab dem 404 (und dem davon abgeleiteten 405) wurde es besser, eigenständig, der Radstand wurde um 40 Zentimeter gekürzt, die Alu-Karosse wurde von einem Holz-Skelett gestützt. Es gab eine ewig lange Fronthaube, dafür kurze Türen, dann kam schon die B-Säule – und dahinter ein Fliessheck.

1957 kam dann, obwohl noch gar nicht fertig, der 406 mit einem erneuerten, 105 PS starken 2,2-Liter-Reihensechszylinder auf den Markt. Den gab es eigentlich doppelt, zuerst mit einer Karosserie von Beutler aus der Schweiz, dann auch noch von Zagato, schliesslich mit einem optischen Eigengewächs, das bis 1961 angeboten wurde. Dann wurde mit dem 407 wieder alles anders, dieser erhielt einen 5,1-Liter-V8 von Chrysler, hatte mehr als doppelt so viele PS wie der 406 – und kostete auch so richtig, richtig viel Geld. Schon 1963 gab es den 408, der sehr, sehr gleich war wie der 407. Schon 1965 gab es den 409, der wiederum sehr, sehr gleich war wie der 408. Und schon 1968 gab es den 410, der dem 409 sehr ähnlich war. Dann kam bereits 1969 der 411, der wurde bis 1976 in fünf verschiedenen Serien gebaut, die sich teilweise deutlich mehr voneinander unterschieden als der 406 vom 410, aber trotzdem alle die gleiche Bezeichnung hatten. Engländer.

Hier haben wir es mit einem Bristol 408 zu tun. Dieser wurde 1963 als Nachfolger des 407 vorgestellt - und unterschied sich kaum von seinem Vorgänger. Chefdesigner Dudley Hobbs spendierte dem neuen Modell eine flachere Frontpartie mit zwei zurückversetzten Scheinwerfer, hinten wurde die runde Leuchte durch eine vertikale Einheit ersetzt, die man sich beim Humber Spectre auslieh, das Dach wurde etwas flacher gezogen. Beim Antrieb gab es zwei Serien, die Mk. 1 hatten einen 5,1-Liter-Chrysler-V8 mit etwa 250 PS, die Mk. 2 dann einen 5,2-Liter-Chrysler-V8 mit ein paar PS mehr. Spannend waren die neuen Teleskop-Stossdämpfer an der Hinterachse, die sich aus dem Cockpit einstellen liessen. So ein 4,91 Meter langer, 1,73 Meter breiter, 1,5 Meter hoher und 1,6 Tonnen schwerer Bristol 408 rannte gut über 200 km/h schnell. Weil Bristol selber nie Produktionszahlen veröffentlichte, reichen die Vermutungen von zwischen 80 bis 280 Exemplaren aus.

Dieses Fahrzeug nun, das wir hier zeigen und das am 29.12.2023 von der Oldtimer Galerie Toffen in Gstaad versteigert wird, ist unter all diesen aussergewöhnlichen Bristol noch einmal etwas sehr Spezielles, bezeichnet als «Series 6». Es handelt sich dabei um einen Mk. 1, Chassis #7055, einen von nur drei gebauten Linkslenkern; ausgeliefert wurde er am 17. Februar 1965 in Richtung Beirut. Über seine frühe Geschichte ist nichts bekannt, bis ihn ein Schweizer Käufer direkt bei Bristol erwerben konnte.

Dort war der 408 bereits seit 2008 in Restauration und nach der Übernahme entschied der Käufer, den Briten unter Beibehaltung des alten Erscheinungsbildes technisch zu modernisieren - was Bristol dann als «Series 6» bezeichnete. So wurden ein Corvette-LS3-Motor mit 6,2 Liter Hubraum und 480 PS sowie eine passende Vierstufenautomatik mit Overdrive verbaut. Die Bremsanlage wurde der erhöhten Leistung mittels AP-Racing-Produkten angepasst und die gesamte Aufhängung wurde revidiert und optimiert. Die Karosserie wurde komplett abgelaugt und im aktuellen Dunkelblau neu lackiert, die Innenausstattung mit grauem Leder komplett erneuert; für zusätzlichen Komfort sorgen eine Servolenkung, eine Klimaanlage sowie eine Zentralverriegelung. Nach seiner Fertigstellung 2014 wurde der Bristol in die Schweiz importiert und nach einem nervenaufreibenden Prozedere und Erstellung einer FIVA-ID der Kategorie D/3 schliesslich im Dezember 2020 erstmals zugelassen. Die Gestehungskosten dieses einmaligen Fahrzeuges beliefen sich inklusive Import und Zulassung auf rund 300'000 Franken. Einen Schätzpreis gibt es für diesen einzigartigen Briten noch nicht.

In der monatlich erscheinenden Klassik-Beilage der AUTOMOBIL REVUE finden Sie immer schöne Old- und Youngtimer. Abos gibt es: hier. Wir haben schon zwei andere aussergewöhnliche Fahrzeuge vorgestellt: BAE Vantare, Mitsuoka Orochi.

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