Werner J. Haller | 19.05.2025
Es ist gut möglich, dass es diese Saison in der Schweizer Slalommeisterschaft nach 2023 mit Martin Oliver Bürki und 2024 mit Philip Egli abermals einen neuen Meister gibt. Titelanwärter Alessandro Grispino (Foto) hat vor dem Finallauf noch leise Zweifel.
Vermutlich werde er am beim Final der Schweizer Slalommeisterschaft am 21./22. Juni in Chamblon nervöser sein als bisher, sagt Alessandro Grispino nach dem vorletzten Lauf in Bure vergangenes Wochenende. Der 24-jährige Schwyzer fläzt beim Interview mit der Automobil Revue im Liegestuhl und erholt sich. «In Chamblon werden zwei Kollegen und Konkurrenten fehlen, sie sind dann bei den 24 Stunden am Nürburgring. Gegebenenfalls treffe ich in meiner Klasse dann auf zu wenig Gegner, was mich wertvolle Punkte kosten würde – und gegebenenfalls auch den Titel.» Mit Letzterem hatte der Pilot eines Renault Clio R3 vor der Saison nie und nimmer gerechnet
Eine vermeintlich logische Sache
Wir erinnern uns: im Vorjahr hatte nach einer Änderung des sportlichen Reglements erstmals der unbestrittene Slalomkönig Philip Egli den Titel geholt, souverän, weil er alle sechs Läufe als Tagessieger abschloss. Mittlerweile ist der Glarner 57 Tagessiege schwer. Es war deshalb fast logisch, dass Egli seinem Premierentitel einen nächsten folgen liesse. Aber Egli eilt diese Saison nicht mehr von Sieg zu Sieg, Nachwuchsfahrer Lionel Ryter holte sich am Wochenende in Bure bereits den dritten Gesamtsieg nach Bière und Ambri. Mit anderen Worten: Die zwei derzeit schnellsten Piloten in der Schweizer Slalommeisterschaft nehmen sich gegenseitig die Punkte im Rennen um den Titel weg.
Nach sechs von sieben Läufen zur Schweizer Slalommeisterschaft hat
Alessandro Grispino 120 Punkte auf dem Konto. Der Schwyzer mit einem
Renault Clio R3 ist der einzige Pilot, der bei allen Slaloms für
Klassensiege (A/ISA/R2/R3) das Punktemaximum geholt hat.
Titelverteidiger Philip Egli hat «nur» 105 Zähler, er verlor am
Wochenende in Bure zum dritten Mal den Tagessieg an Lionel Ryter, der
ebenfalls bisher 105 Punkte holte. Der Glarner mit dem Dallara-F393 und
der Walliser mit dem Tatuus-Renault sind trotzdem nicht die ersten
Verfolger von Grispino, Christian Bartlome hat mit seinem VW Polo bisher
110 Punkte gesammelt, in Bure musste er in seiner Klasse (E1 bis 1400
ccm) zum zweiten Mal in dieser Saison nach Bière mit «nur» dem zweiten
Platz Vorlieb nehmen.
Ryter gleicht im Duell mit Egli aus
Auf diesen wurde dieses Jahr zum bereits dritten Mal Philip Egli
verwiesen. Der Glarner hatte in Bure im Kampf um den Tagessieg zuerst
die Nase vorne, im zweiten Lauf hatte er sich auf 2:28.060 Minuten
verbessert. Lionel Ryter stellte aber für den zweiten und entscheidenden
Rennlauf um, er montierte seinem Boliden anstelle der breiten
Pirelli-Reifen wie bei der Siegfahrt in Ambri wieder die schmaleren
Avon-Pneus wie beim Premierenerfolg in Bière: 2:27.027 Minuten Laufzeit!
«So klappte es, ich kam besser durch die Tore – und in der schnellen
Waldpassage habe ich mir ein Herz gefasst», sagt der Walliser
schmunzelnd. Er meinte, man müsse die Strecke auf nächstes Jahr
unbedingt verbessern, viele Unebenheiten des Asphalts hätten wohl für
viele Unfälle gesorgt, weil die Autos unkontrollierbar würden, wenn sie
«hüpfen». Schlimm traf es Lukas Bosshard, der mit seinem Mercedes-AMG
gegen einen Baum prallte und sich mehrere Brüche am rechten Bein zuzog,
wie der Verband Auto Sport Schweiz berichtete. Gute Besserung dem
Zürcher an dieser Stelle.
Noch abwechslungsreicher als bei den Rennwagen geht es diese Saison
bei den Tourenwagen zu und her. Nach Matthias Bischofberger in
Frauenfeld, Martin Oliver Bürki und Christoph Zwahlen in Bière sowie
Sandro Morros in Ambri holte sich in Bure Stephan Burri mit seinem VW
Scirocco erstmals den Gesamtsieg in der Wertung der geschlossenen Autos.
Dabei musste der Berner nach dem ersten Rennlauf erst seinen Scirocco
instand stellen: «Es lag nicht an den Unebenheiten, es war
zugegebenermassen ein Fahrfehler. Ich war im Begriff, ein Tor nicht zu
treffen und wollte es umfahren, ich war aber zu schnell, geriet etwas
neben die Piste, traf ein Bord und riss mir dabei Kunststoffteile der
Front ab.» Mit dem eiligst reparierten Auto klassierte sich Burri vor
Lokalmatador Arnaud Donzé (VW Golf HPR) und «Speedmaster» (BMW M3 GT3).
«Zuerst müssen alle Rennen gefahren sein»
Zu viel, aber vor allem Unerwartetes, ist dieses Jahr schon passiert
in der Schweizer Slalommeisterschaft. Alessandro Grispino scheint die
einzige Konstante zu sein. Aber auch er rechnet im Kampf um den Titel
noch mit Konkurrenten, die ihm in seiner Klasse «an den Karren fahren»
könnten. «Chamblon ist die Heimstrecke von Didier Postizzi. Und Marc
Roth kam mir bei den Rennen in Ambri zwei Mal nahe. Und ich werde beim
Slalomfinal sicher nervöser sein als bisher. Nein, sicher bin ich mir
meiner Sache nicht. Zuerst müssen alle Rennen gefahren sein, dann wird
sich zeigen, wer Meister ist.»
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