Joel Burgermeister: «Läck, was ist denn hier passiert?!»

Werner J. Haller | 10.10.2024

Ende August verunglückte Joel Burgermeister beim Bergrennen in Oberhallau schwer. Seit dieser Woche ist der Thurgauer wieder bei der Arbeit zurück.

Burgermeister Onboard

Vier von sieben Läufen zur Schweizer Bergmeisterschaft waren durch. Joel Burgermeister war erfolgreich wie nie. Mit seinem Tatuus-Formel 4 Evo wurde er in Hemberg, Reitnau und Les Rangiers jeweils Dritter, dazu kam der vierte Platz beim Bergrennen La Roche. Damit lag Burgermeister Mitte Saison punktegleich mit Thomas Amweg und hinter dem späteren Champion Robin Faustini auf Platz zwei der Schweizer Meisterschaft. Der 25. August 2024, das Bergrennen Oberhallau, änderte alles für den 33-jährigen Thurgauer.

Der Aufschrei der Zuschauer bei der Tarzankurve ist laut, als Burgermeister abfliegt. Nachdem sein Formel 4 mit rund 170 km/h mit dem rechten Vorderrad einen Baum touchiert hat, schiesst das Auto rasend schnell und geradeaus in Richtung der folgenden Linkskurve, das Auto zerbirst, die Fahrerzelle mit Burgermeister landet hinter der Leitplanke in der Wiese. Schnell sind Streckenposten zum Wrack geeilt, später folgen Sanitäter, irgendwann setzt auch ein Rettungshubschrauber nahe der Unfallstelle zur Landung an. Die Zuschauer sind längst verstummt, erste packen ihre Siebensachen und machen sich auf den Heimweg. Die Lust am Rennsport ist an diesem Sonntagnachmittag vergangen. Laut in Oberhallau wird es erst wieder, als die Rennorganisation vermeldet, Burgermeister sei okay, heisse es nach einer ersten Untersuchung im Spital.

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Dritter im Tagesklassement: Joel Burgermeister beim Saisonstart in Hemberg.

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Dritter im Tagesklassement: Joel Burgermeister in Reitnau.

AUTOMOBIL REVUE: Seit Ihrem Unfall sind rund eineinhalb Monate vergangen. Wie geht es Ihnen heute?

Joel Burgermeister: Eigentlich ganz gut. Ich mag nicht mehr länger untätig zu Hause sein, deshalb habe ich diese Woche wieder zu arbeiten begonnen. Vorerst werde ich aber Büroarbeiten erledigen, ich solle noch keine Räder herumwuchten, wurde mir vom Arzt nahegelegt (lacht). Nun will ich aber auch wieder mehr Sport machen, damit ich fit werde. Aber nach dem Unfall ging es mir schlecht. Das Auto war kaputt, der Körper war angeschlagen.

Sie kamen angesichts des Unfalls glimpflich davon.

Ja. Drei gebrochene Rippen, weshalb auch die Lunge leicht verletzt war. Eine Operation hatte sich aber erübrigt, ergaben Untersuchungen. In der rechten Schulter waren sämtlich Bänder gerissen und die eine Hand schmerzte. Ansonsten zog ich mir noch Prellungen zu, jene an der Hüfte und am Steissbein spüre ich noch. Aber ansonsten, nichts! Ich hatte Glück.

Das Unfall-Video haben Sie vermutlich längst gesehen?

Das Video hatte ich schon am Sonntagabend nach dem Unfall gesehen. Im Helikopter, auf dem Weg ins Spital, wollte ich die Familie und Freunde anrufen und sagen, dass es mir gut gehe. Die Rettungsmannschaft hielt mich aber davon ab. Später im Spital, nach dem Röntgen, durfte ich telefonieren. Unter anderem bat ich auch um mein Laptop und die Speicherkarte vom Auto. Ich wollte den Unfall sehen, mit den Aufnahmen der Onboard-Kamera. Ich wollte den Unfall schnellstmöglich analysieren.

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Der Pilot: Joel Burgermeister konzentriert vor einem nächsten Lauf.

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Das Auto: Mit dem Tatuus-F4 4 Evo war Burgermeister 2024 der schnellste Formel-Pilot der Berg-SM.

Aus welchem Grund?

Ich wollte verstehen, was passiert war. Nur so konnte ich den Unfall verarbeiten und abhaken. Der Unfall passierte unglaublich schnell. Ich war nur noch Passagier, ich sah den Baum und dachte: «So, das war es, ich sterbe und kann mich von niemandem verabschieden.» Dann knallte es. Nach dem Unfall habe ich mich umgesehen, habe bemerkt, dass das Auto in Einzelteile zerrissen war und dachte erstaunt: «Läck, was ist denn hier passiert?!» Kurz darauf war ich schon von Menschen umgeben. Vom Unfall weiss ich wenig bis nichts. Am Dienstag wurde ich bereits aus dem Spital entlassen. Noch am selben Tag war ich in Oberhallau die Unfallstelle begutachten. Die Spuren vom Unfall waren noch sichtbar.

Hat die Analyse ergeben, weshalb Sie verunfallt sind?

Falsch lief eigentlich wenig. Ich war ruhig und sicher unterwegs, auf dem letzten Zacken zwar, ich passierte diese Streckenpassage genau so schnell wie bei der Rekordfahrt im Training. Ich merkte, dass das Auto etwas weniger Grip hat, was wohl dazu führte, dass ich kurz vor dem Unfall vielleicht zehn Zentimeter weiter links gefahren bin als üblich. Dort setzte der Unterboden des Autos auf, danach war ich nur noch Passagier. Trotz blitzschnellem Gegenlenken war ich chancenlos und ausgeliefert.

Ein Schreckmoment, der Sie aber nicht davon abhält, weiter Rennen zu fahren?

Ich habe heute das Gefühl, dass ich problemlos ins Auto sitzen und fahren könnte. Ich könnte auch die Unfallstelle im Renntempo passieren. Bei der Rückführung würde ich vermutlich kurz innehalten, weil ich dann mental nicht wie im Rennen fokussiert bin. Ob es tatsächlich so wäre, weiss ich aber nicht mit Gewissheit. Es ist ein Gefühl, dass ich habe. Mir wurde auch schon gesagt, dass ich vermutlich nicht mehr so schnell Autofahren werde. Ich meine dagegen, wahrscheinlich bin ich noch schneller. Eh ja, wenn du beim Skifahren schwer stürzt, fährst du ja auch weiter Ski. Und das sicher nicht langsamer als zuvor.

Das Risiko ist aber schon grösser bei Autorennen als beim Skifahren…

Natürlich. Bergrennen sind mein Hobby, ehrgeizig bin ich aber nicht weniger als ein Profirennfahrer. Ich kann Rennsport nicht einfach «nur geniessen», ich will schnell sein. Dieses Jahr beim Saisonstart der Schweizer Bergmeisterschaft hatte ich bloss drei, vier Rennen geplant. Plötzlich merkte ich, dass ich schnell bin, dass es mir gut läuft. Und das obwohl ich nur über alte Pneus verfügte. Später habe ich dann noch zwei Reifensätze kaufen können. Die Meisterschaft lief, ich hatte plötzlich gleichviele Punkte wie Thomas Amweg, der später Vizemeister wurde. In Les Rangiers rechnete ich mit einer Laufzeit von 1:48 Minuten, am Ende war ich total überrascht, dass ich eine tiefe 47er-Zeit erreicht hatte. Das beflügelt einen, ich liebäugelte mit dem zweiten Gesamtrang in der SM, zumal ich fühlte, da geht noch mehr. Ich war bei den Rennen nie über dem Limit, ich fuhr immer ohne grosses Risiko, ich war mir meiner Sache stets sehr sicher.

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Was übrig blieb: Joel Burgermeister zeigt die Überreste seines Rennwagens nach dem Unfall.

Geht es denn noch schneller?

Ja. In Les Rangiers und in Oberhallau hatte ich ausnahmsweise Mechaniker dabei. Aber bei den meisten Rennen mache ich Arbeiten am Auto allein. Ich bin deswegen oft erschöpft. Könnte ich regelmässig Mechaniker bei mir haben, ein, zwei Leute bloss, ich wäre zu besseren Leistungen fähig, weil ich mich neben der Rennfahrerei nicht immer um alles andere auch kümmern müsste. Das getraue ich mir zu sagen. Ich bin ehrgeizig, wenn ich etwas anpacke, will ich das Maximum herausholen. Ich wollte mit diesem Auto die Saison beenden – der zweite Platz in der Berg-SM wäre möglich gewesen.

Wird es ein Comeback von Joel Burgermeister in der Berg-SM geben?

Die Zukunft steht in den Sternen. Wann und wie ich zurückkomme, weiss ich nicht. Mein Ziel wäre ein Comeback mit einem grösseren Rennwagen als bisher. Ein Auto mit drei Liter Hubraum wäre toll. Mit einem Zweiliter-Rennwagen habe ich alles erreicht, ich kann gerade noch mich selbst schlagen. Ein grösseres Auto hängt aber von den Finanzen ab. Ich habe derzeit kein Auto zum Verkauf. Ich habe einen Haufen Schrott in der Garage. Auch die Ausrüstung ist kaputt, ich kann noch die Handschuhe und die Schuhe brauchen. Das beschäftigt mich derzeit am meisten, dass ich gerade nichts mehr habe. Aus eigener Kraft kann ich nichts tun. Zwei, drei Jahre pausieren und denken, vielleicht geht es irgendwann mal wieder, das möchte ich nicht. Ich muss die Situation aber akzeptieren. Wahrscheinlich werde ich nächstes Jahr noch nicht fahren können.

Ein kleineres Auto, ein Tourenwagen, käme denn nicht in Frage? Jannis Jeremias fuhr auch mal einen Formelrennwagen, heute fährt er erfolgreich einen Polo

Kommt darauf an, was das für ein Auto ist. Aber ein Auto mit Dach würde für mich auch bedeuten, dass ich eine andere Transportmöglichkeit zulegen müsste. Es wären also nebst dem Auto noch weitere Investitionen nötig. Zumal, das Geld, das ich für ein kleines Auto ausgeben würde, könnte ich auch für einen grossen Rennwagen beiseitelegen. Sagen wir es so: Wenn mir einer was hinstellt, das schnell ist, dann können wir gerne zusammen reden. Ziel ist es aber letztlich schon, dass ich um den Tagessieg fahren kann.

Unterstützung für Burgermeister

Joel Burgermeister will nach seinem Unfall baldmöglichst wieder in den Rennsport zurückkehren. Sein Tatuus-F4 Evo ist seit dem Unfall ein Trümmerhaufen. Für Burgermeister wurde deshalb eine Crowdfunding-Aktion gestartet. Wer will, kann so einen finanziellen Beitrag für Burgermeister leisten. Hier geht's zur Spendenseite.

Fotos: Joel Burgermeister, Werner J. Haller

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